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Thailand
Kriegsrecht ändert erst mal wenig

Der Büroleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Bangkok reagiert relativ gelassen auf die Verhängung des Kriegsrechts in Thailand. Rainer Adam sagte im Deutschlandfunk, bisher habe das kaum Auswirkungen im Land. Er warte aber gespannt auf die nächsten Schritte.

Rainer Adam im Gespräch mit Jasper Barenberg | 20.05.2014
    Ein in rot gekleideter Demonstrant mit Sonnenbrille und Thailand-Flagge schwenkt einen roten Stift, hinter ihm unter Sonnenschirmen Dutzende Menschen, die auf eine Bühne schauen
    In einem Vorort von Bangkok versammeln sich die sogenannten, Rothemden, die die Regierung unterstützen (picture alliance / dpa / Narong Sangnak)
    Auf seinem Weg ins Büro der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Bangkok hat Rainer Adam kaum bemerkt, dass das Kriegsrecht in Thailand verhängt wurde. Bis auf stärkere Verkehrsstörungen etwa durch blockierte Kreuzungen und verstärkten Verkehr militärischer Fahrzeuge habe sich zunächst nichts geändert, sagte Adam im Deutschlandfunk. Bisher mache er sich noch keine Sorgen.
    Im Hinblick auf das angekündigte Treffen mit Botschaftern in Thailand sagte Adam aber: "Wir erwarten mit Spannung, was jetzt noch kommt." Er wies darauf hin, dass es seit 2006 keinen Putsch mehr in Thailand gegeben habe. Damit rechnet er jetzt auch nicht, schließlich würde ein Putsch die ohnehin lahmende Wirtschaft weiter schwächen: "Man hat vielleicht aus 2006 gelernt."
    Dass der Konflikt zwischen oppositionellen Demonstranten und der Regierung in Thailand schnell gelöst wird, damit rechnet Adam nicht.

    Das Interview mit Rainer Adam in voller Länge:

    Jasper Barenberg: Monatelang hat der Armeechef in Thailand gezögert, lange haben die Streitkräfte darauf gesetzt, die politische Krise mit Verhandlungen zu lösen. Jeden Gedanken an einen Putsch weist er auch jetzt von sich, überrumpelt aber doch die Regierung, indem er jetzt das Kriegsrecht verhängt.
    In Bangkok begrüße ich Rainer Adam am Telefon, den Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung dort. Schönen guten Tag, Herr Adam.
    Rainer Adam: Guten Tag, Herr Barenberg.
    Barenberg: Wir haben gerade im Bericht gehört, dass Soldaten überall in Bangkok Stellung bezogen haben, dass sie wichtige Kreuzungen in der Hauptstadt kontrollieren. War das auch Ihr Eindruck heute Morgen auf dem Weg ins Büro?
    Adam: Auf dem Weg ins Büro nicht, aber da muss ich an keiner Kreuzung vorbei. Von daher ist das nicht repräsentativ. Aber an den Hauptkreuzungen gerade Richtung Airport, also Bangna, da sind auf den wichtigen Kreuzungen Soldaten. Ich habe es sowohl in den sozialen Medien gesehen, als auch von Mitarbeitern, die mir, bevor sie zum Büro kamen, darüber Nachricht erstattet haben.
    Barenberg: Und macht Ihnen das Sorgen?
    Adam: Nein, es macht mir keine Sorgen. Noch nicht. Aber natürlich wissen wir nicht, wie das weitergeht. Derzeit sind Gespräche zwischen Militärführung und Regierung zugange und für 18 Uhr ist angesetzt ein Briefing für die Botschafter. Wir erwarten von daher mit Spannung, was jetzt noch kommt. Die Spekulationen umfassen das ganze Spektrum von Ausgangssperre bis zu keinen Eingriffen ins tägliche Leben. Bisher ist es hauptsächlich zu Verkehrsstauungen gekommen, aber Staus sind ja normal in Bangkok. Aber natürlich, wenn dann noch mal ein Militärlaster irgendwo steht, verleiht das dem noch mal eine andere Qualität.
    "Vielleicht hat man aus 2006 gelernt"
    Barenberg: Der Armeechef vermittelt ja eine doppelte Botschaft. Es gibt das Kriegsrecht, die Armee schreitet ein, aber die zivile Regierung bleibt im Amt. Wie deuten Sie dieses Signal, diesen Schritt?
    Adam: Das ist schwierig zu deuten, weil er hat in dem Interview um 15.30 Uhr bei der Pressekonferenz auch gesagt, als man danach fragte, wo ist denn die Regierung. Von daher, wie oft hier in Thailand oder auch in anderen Teilen Asiens, die Antworten, die auf Fragen gegeben werden, sind oft tiefsinnig oder doppelsinnig und nicht unbedingt so informativ, wenn man so will. Beides ist möglich oder viele Interpretationen sind möglich.
    Barenberg: Das heißt, die Beteuerung des Armeechefs, dies ist kein Putsch, darin haben Sie auch kein großes Vertrauen, zumal wir ja aus der jüngeren Geschichte wissen, dass die Streitkräfte oft versucht haben und es einige Male auch geschafft haben, die Regierung zu stürzen?
    Adam: Das ist zwar richtig. Aber wenn Sie sich angucken auf dem Zeitstrahl, wann diese Putsche waren, dann gab es einmal von '47 bis '51 quasi jedes Jahr einen und dann noch mal von '71 bis '77 und '81 bis '85. Aber ich meine, dann von '91 bis 2006 gab es dazwischen keine Putsche oder keinen Putschversuch. Von daher: Das würde vielleicht die Wirtschaft, die eh schon Not leidend ist, in noch einen stärkeren Sog nach unten drängen, weil Putsch schreckt alle furchtbar ab, und ich meine, man hat vielleicht aus 2006 gelernt.
    Barenberg: Jetzt ruft die Armee gleichzeitig alle Konfliktparteien auf, sich an Gesprächen zu beteiligen. Das hat ja nun auch die zivile Regierung in den letzten Wochen und Monaten nicht zustande gebracht. Haben Sie Anzeichen dafür oder Hoffnung darauf, dass sich das jetzt ändern könnte in dieser Situation?
    Adam: Eben in dem Bericht ist Herr Jatuporn zu Wort gekommen, der Führer der Rothemden, der gesagt hat, wenn es einen Putsch gibt, dann gehen wir auf die Straße, wir lassen die Demokratie nicht abschaffen. Es gibt auch Aussagen des Pressesprechers der PDRC, der Gelbhemden, wenn man so will, oder der Opposition gegen die Regierung, die sagten, wir wollen Kriegsrecht kompatible Aktionen weiterführen. Hier versucht man, quasi im Vorfeld den Claim abzustecken. Ob das dann nachher wirklich so durchhaltbar ist, ist die Frage, weil die einen haben Waffen und die anderen nicht.
    Barenberg: Sehen Sie denn grundsätzlich betrachtet in diesem Vorstoß der Armeeführung jetzt eher eine Chance, oder eher eine Gefahr für die weitere Entwicklung im Land?
    Adam: Überrascht waren wir alle. Das kann man sicher sagen. Die Gerüchte über das Eingreifen des Militärs, die gab es zuhauf, aber das ist natürlich typisch für so ein Land wie Thailand und auch typisch für so eine Situation, weil man nicht weiß, was im Grunde hinter den Kulissen passiert. Man kann nur Mutmaßungen anstrengen. Auf jeden Fall, man könnte es so deuten, dass wichtige Vetospieler, politische Vetospieler genug haben und jetzt eine Veränderung der Situation haben wollen. Ich meine, es deutet ja darauf hin, dass es noch mal zum Ende der Woche Demonstrationen von beiden Seiten gegeben hätte. Von daher, wenn man das positiv interpretiert, quasi den Fuß aufstampfen und sagen, okay, Schluss jetzt, ihr wollt nicht miteinander reden, wir kommen jetzt mit was anderem. Aber mit was anderem kommen sie? Da sind in dem Beitrag, den wir eben gehört haben, auch die drei Optionen genannt worden: eine ernannte Regierung, eine paritätisch besetzte Übergangsregierung oder das dritte wären Neuwahlen. Für alle diese drei Optionen gibt es Gegner oder Befürworter. Es ist die Frage, wie das artikuliert wird, wie das dann vorgebracht wird und ob man in der Lage ist, die Spieler an einen Tisch oder in ein Boot zu kriegen.
    "Demokratisch legitimierte Regierung in absehbarer Zeit unwahrscheinlich"
    Barenberg: Und auch das, Herr Adam, ist ja seit Wochen, wenn nicht seit Monaten auch Gesprächsthema hier bei uns im Deutschlandfunk und immer wieder war die Auskunft der Beobachter und der Analysten, in absehbarer Zeit kann und wird es eine neue demokratisch legitimierte Regierung nicht geben.
    Adam: Ich gehe nicht davon aus, dass es eine demokratisch legitimierte Regierung in absehbarer Zeit geben wird. Ich meine, dieser Wahltermin 20. Juli, der genannt worden ist, ist schon wieder verworfen worden. Es wird wichtig sein, dass alle Akteure da teilnehmen, sowohl die Democrat Party als auch die Protestpartei. Von daher ist vielleicht nicht schlecht, den Termin etwas hinauszuzögern. Aber er muss kommen, weil nur so Thailand wirklich zur Stabilität zurückfinden kann. Aber wie man dann die Zwischenzeit quasi steuert, das wird entscheidend sein. Wie gesagt, in vielen dieser Botschaften, die wir hören oder die auch über die sozialen Medien bei uns über den Bildschirm rennen, da ist das schwierig zu sagen, wo es hingehen wird.
    Barenberg: Also üben wir uns weiter in Geduld, Herr Adam, und danken für Ihre Zeit.
    Adam: Wir üben uns weiter in Geduld beziehungsweise wir erwarten mit Spannung die nächsten Stunden. Es kann sich relativ schnell ändern, sowohl ins Negative als auch ins Positive.
    Barenberg: Das werden wir natürlich auch verfolgen. Danke für den Moment. - Rainer Adam, Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Bangkok. Danke für Ihre Einschätzungen.
    Adam: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.