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Therapie gegen Alterskrankheiten
Neue Wirkstoffe gegen Zombiezellen

Sogenannte seneszente Körperzellen beschleunigen das Altern. Denn sie weigern sich, für junge Zellen Platz zu machen. Deshalb suchen Wissenschaftler seit einigen Jahren nach Wegen, sie zu bekämpfen. Vielversprechende Wirkstoffe wurden nun am Menschen getestet.

Von Michael Lange | 20.09.2019
Eine alte Frau schiebt in Berlin einen Rollator.
Neu erprobte Wirkstoffe sollen altersbedingte Krankheiten verlangsamen (pa/dpa/Pedersen)
Wenn Knochen schmerzen, das Gedächtnis nachlässt und Organe wie Herz oder Nieren immer häufiger leiden, dann scheint das Altern unausweichlich. Mitverantwortlich dafür sind die seneszenten Zellen, die manchmal auch etwas flapsig als Zombies bezeichnet werden. In einer kleinen klinischen Studie an der US-amerikanischen Mayo-Klinik in Rochester (Minnesota) erhielten nun neun Probanden über drei Tage hinweg Wirkstoffe, die das Altern verlangsamen sollen. Die Patienten leiden an Nierenschäden als Folge von Diabetes. Das beachtliche Ergebnis: Die Zahl der seneszenten Zellen sank in verschiedenen Gewebearten wie Blut, Haut und Fettgewebe dramatisch. Nebenwirkungen konnten die beteiligten Mediziner nicht beobachten.
Kampf gegen eine Ursache des Alterns
Erprobt wurden zwei bereits bekannte Wirkstoffe: zum einen Dasatinib, das als Chemotherapeutikum gegen bestimmte Formen der Leukämie verwendet wird. Und zum anderen der Pflanzenstoff Quercetin. Diese sogenannten senolytischen Wirkstoffe richten sich gezielt gegen die Zombiezellen. Vor der Studie mit menschlichen Patienten hatten sie sich bereits bei Mäusen als hochwirksames Therapeutikum gegen Alterskrankheiten wie Alzheimer und Parkinson erwiesen.
Neben vielen altersbedingten Krankheiten wie Demenz, Osteoporose, Diabetes und Herzerkrankungen bekämpfen die Wirkstoffe aber auch das Altern selbst. Denn all diese Leiden werden durch Alterungsprozesse hervorgerufen. Und dafür sind seneszente Zellen mitverantwortlich. Das legt die Auswertung von Tierversuchen nahe. Diese Zombiezellen teilen sich nicht mehr, sondern schaden dem Gewebe. Und wird ihre Zahl reduziert, dann werden auch die damit verbundenen Alterskrankheiten zurückgedrängt.
Kein Anti-Aging-Ansatz
Die Therapie, die in Rochester erprobt wurde, unterscheidet sich aber grundlegend von früheren Versuchen, das Altern zu verlangsamen. Es handelt sich um keinen typischen Anti-Aging-Ansatz, der der Lebensverlängerung dient. Daher ist es auch nicht nötig, lebenslang Medikamente einzunehmen. Die Wirkstoffe können dann eingesetzt werden, wenn die Alterungsprozesse bereits weit fortgeschritten sind. Das Ziel der Behandlung besteht darin, ein paar mehr gesunde Jahre im Alter zu erlangen.
Als nächstes möchten die Mediziner der Mayo-Klinik eine größere Anzahl von Patienten über einen längeren Zeitraum behandeln – zunächst keine gesunden Probanden, sondern Patienten mit verschiedenen Altersleiden. Bei der Folgestudie geht es darum, mögliche Nebenwirkungen und die Dosierung der Wirkstoffe besser zu erforschen.