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Theresa Mays Brexit-Rede
"Frontalangriff" auf das Parlament

In ihrer Rede an die Nation hat die britische Premierministerin mit dem Parlament abgerechnet: Sie warf den Abgeordneten vor, für das Scheitern der Brexit-Verhandlungen verantwortlich zu sein. Kritiker monierten einen "Angriff auf die Integrität der Abgeordneten" - und die Brexiteers gaben sich weiter unversöhnlich.

Von Friedbert Meurer | 21.03.2019
Das Bild zeigt Theresa May an einem Rednerpult. Sie spricht in ein Mikrofon.
"Das Parlament hat nie gesagt, was es will. Alle Abgeordneten sagen immer nur, was sie nicht wollen." - Die britische Premierministerin bei ihrer "Rede an die Nation" (dpa-bildfunk / PA Wire / Jonathan Brady)
Eine gute halbe Stunde ließ Premierministerin Theresa May auf sich warten. Dann folgte die große Philippika der Premierministerin gegen das Unterhaus. "Die Abgeordneten haben sich nicht darauf verständigen können, den Brexit umzusetzen. Das Ergebnis ist, dass wir nicht pünktlich und mit einem Vertrag die EU am 29. März verlassen. Ich bedauere das zutiefst."
Deswegen habe sie jetzt beantragt, den Brexit auf den 30. Juni zu verschieben. May kündigte eine neue Abstimmung für die nächste Woche an. "Es ist höchste Zeit, dass wir uns entscheiden. Das Parlament hat nie gesagt, was es will. Alle Abgeordneten sagen immer nur, was sie nicht wollen."
Brexiteer Francois: "Haben nicht die Absicht nachzugeben"
Das Echo auf Mays Rede ließ nicht lange auf sich warten. Nahezu alle Kommentatoren analysierten, statt auf die Abgeordneten zuzugehen, sei sie zum Frontalangriff übergegangen. Das könne sie nächste Woche noch bereuen. Die Brexiteers schalten jedenfalls weiter auf stur. Marc Francois: "Der Vertrag wird keine Mehrheit bekommen. Wir haben nicht die Absicht nachzugeben."
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Dabei war May gestern den Brexiteers sogar entscheidend entgegengekommen, indem sie erklärte, mit ihr werde es eine längere Verschiebung des Brexits nicht geben. Damit bliebe nur noch die Wahl: ihr Deal oder gar keiner, also ein ultraharter Brexit ohne Vertrag. Dominic Grieve, ein konservativer EU-Befürworter, rang gestern um Fassung.
"Dieser Abgriff der Premierministerin auf die Integrität der Abgeordneten des Parlaments ist sehr bedauerlich. Wenn Kollegen anderer Meinung sind, habe ich deswegen noch nie ihre Integrität in Frage gestellt. Es ist falsch, jetzt mit der Eisenstange anderen auf den Kopf zu schlagen."
Premierministerin May ließ in ihrer Rede an die Nation offen, wie es weitergehen soll, wenn das Parlament den Vertrag nächste Woche wieder ablehnt. Zuvor muss der Speaker auch eine dritte Abstimmung erst einmal zulassen. May soll gestern Abend den Brexiteers gegenüber Neuwahlen ausgeschlossen haben. Die Andeutung, notfalls nächste Woche zurückzutreten, wiederholte sie nicht und für Alternativpläne ist keine Zeit mehr.
Labour-Chef Corbyn: "Nationale Krise"
Großbritannien befindet sich jetzt in einer tiefen nationalen Krise, befand Labour-Chef Jeremy Corbyn. "Die Inkompetenz, das Versagen und die Unnachgiebigkeit der Premierministerin und der Regierung haben uns an diesen Punkt geführt."
Die Feststellung, dass das Land in Not ist, hielt Corbyn allerdings nicht davon ab, am Abend ein eilig vereinbartes Treffen aller Oppositionsführer mit May platzen zu lassen. Corbyn erspähte bei dem Treffen in der Downing Street Chuka Umunna, einen ehemaligen Labour-Abgeordneten, der jetzt die neue Gruppe der Unabhängigen im Unterhaus anführt. Corbyn zeigte sich über dessen Einladung verschnupft und nahm daraufhin an dem Krisentreffen nicht teil.