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Thüringen
Alle Zeichen auf Rot-Rot-Grün

In Thüringen zeichnet sich nach den letzten Sondierungsgesprächen die Bildung einer Rot-Rot-Grünen Koalition ab. Entscheidend ist das Votum der SPD-Basis, in der herrschen jedoch Zweifel gegenüber einer Kooperation mit der Linken. Inhaltlich gilt die Finanzpolitik der Koalition als Knackpunkt.

Von Henry Bernhard |
    Andreas Bausewein (SPD), Susanne Hennig-Wellsow (Linke) und Anja Siegesmund (Grüne) (v.l.) nach den Sondierungen am 15. Oktober 2014 in Erfurt
    Andreas Bausewein (SPD), Susanne Hennig-Wellsow (Linke) und Anja Siegesmund (Grüne) (v.l.) nach den Sondierungen am 15. Oktober 2014 in Erfurt (dpa/picture alliance/Martin Schutt)
    Erschöpft traten die Verhandlungsspitzen von Linken, SPD und Grünen nach einem elfstündigen Verhandlungsmarathon vor die Presse. Susanne Hennig-Welsow, die Parteivorsitzende der Thüringer Linken, resümierte sachlich, aber optimistisch:
    "Ich bin wirklich guten Mutes, dass es uns gelingt, Rot-Rot-Grün in Thüringen umzusetzen! Das haben die Verhandlungen gezeigt; wir haben sehr, sehr hohe Übereinstimmungen und auch sehr hohe persönliche Sympathie, und das ist, glaube ich, eine Grundvoraussetzung dafür, dass wir den politischen Wechsel angehen können."
    Auch die Grünen bekennen sich immer deutlicher zum Rot-Rot-Grünen Projekt. Sie wollen nach 24 Jahren inner- und außerparlamentarischer Opposition in Thüringen endlich mitregieren. Landessprecher Dieter Lauinger:
    "Es ist so, dass es sehr, sehr viele Gemeinsamkeiten gegeben hat, die wir dort vereinbart haben. Für uns Grüne sind zentrale Punkte durchgesetzt worden, das war uns wichtig. Und von daher gehen wir heute Abend guten Mutes nach Hause und warten die Entscheidung der SPD am Montag ab."
    SPD-Basis hat schwieriges Verhältnis zur Linken
    Die SPD ist der Dreh- und Angelpunkt der politischen Unwägbarkeiten in Thüringen. An ihr liegt es, welche Koalition entstehen kann: Weiter Schwarz-Rot wie in der letzten Legislaturperiode oder eben Rot-Rot-Grün. Beide Varianten hätten jeweils nur eine Stimme Mehrheit im Landtag. Nach dem letzten Rot-Rot-Grünen Termin sondiert die SPD heute Abend ein letztes Mal mit der CDU. Am Montag dann sollen der SPD-Landesvorstand und der Parteirat entscheiden, mit wem Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden sollen: mit Linken und Grünen oder mit der CDU. Aber auch dann ist noch nichts entschieden, denn dann wird erst noch die SPD-Basis befragt, ob sie die Vorstandsentscheidung gutheißt. Hier könnte das schwierige Verhältnis vieler Genossen zur Linken für Turbulenzen sorgen.
    Gebetsmühlenartig wiederholen indessen SPD-Vertreter, dass bis Montag noch nichts feststünde, doch verdichten sich Hinweise, dass der Rot-Rot-Grüne Zug im Rollen ist und die CDU bereits aufgegeben hat. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht wirkt resigniert, einen ihren jungen Hoffnungsträger Christian Carius hat sie sicher, aber parteipolitisch neutralisiert, auf dem Posten des Landtagspräsidenten untergebracht. Umso eindringlicher ruht nun der Blick auf Rot-Rot-Grün: Eine der wichtigen Fragen ist: Wie haltet ihr's mit den Finanzen? Der designierte SPD-Vorsitzende Andreas Bausewein dazu:
    "Ich glaube ganz entscheidend: Die Einigung im Bereich Finanzen, dass wir uns darauf verständigt haben, dass die Schuldenbremse, so wie sie in der Landeshaushaltsordnung verankert ist, auch bestehen bleibt und dass wir keine Haushalte vorlegen werden, so es zu Rot-Rot-Grün kommt, die eine Neuverschuldung vorlegen, sondern dass wir nur das Geld ausgeben, was da ist, aber es gerechter und anders verteilen werden."
    Ministerpräsidenten-Wahl gilt nicht als sicher
    Die oft klammen Thüringer Kommunen könnten sich so im Falle von Rot-Rot-Grün über einen wahren Geldsegen freuen. Die Steuerquellen, so Bausewein, sprudelten schließlich in den vergangenen zwei Jahren und davon ginge man auch für die Zukunft aus. Über die Tilgung der 17 Milliarden Euro Thüringer Schulden sprachen die Sondierer nicht, jedenfalls nicht öffentlich. Doch auch in der SPD gibt es warnende Stimmen, zum Beispiel vom Finanzexperten und Fraktionsvorsitzenden Matthias Hey:
    "Das Geld wird weniger; es wird vielleicht nicht so schlimm weniger wie vor einigen Jahren prognostiziert; aber schon allein durch Abschmelzen der Bundesergänzungszuweisungen, der Sonderzuweisungen, die es vom Bund gibt, und durch die demografische Entwicklung wird Thüringen im Jahr 2020 - und das ist politisch eigentlich schon übermorgen - über eine Milliarde weniger verfügen. Und da muss man natürlich genau gucken, wo man da die Hebel ansetzt."
    Die potenzielle Rot-Rot-Grüne Koalition hofft auf größere Einspareffekte durch eine Verwaltungs- und Gebietsreform. Dieses große Projekt aber verlangt eine sichere Mehrheit. Viele befürchten, dass die eine Stimme Mehrheit von Rot-Rot-Grün im Landtag nicht die nötige Stabilität bieten würde. Auch die Ministerpräsidenten-Wahl gilt nicht als sicher. Dann könnte sich am Ende eine immer wieder angedeutete stabilere Alternative anbieten: eine Schwarz-Rot-Grüne Koalition. Die Tür, so sagen die Grünen eindeutig, steht noch offen.