Donnerstag, 28. März 2024

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Thüringen
"Es gab keine Sollbruchstelle"

Für Christine Lieberknecht steht fest: In den Sondierungsgesprächen mit der SPD sind die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der gemeinsamen Regierungsarbeit gelegt worden. Auch die Grünen könnten beteiligt werden, sagte die CDU-Politikerin im DLF.

Christine Lieberknecht im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 18.10.2014
     Die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) steigt am 16.10.2014 bei ihrer Ankunft zum Beginn der Jahres-Ministerpräsidentenkonferenz in Potsdam (Brandenburg) aus dem Wagen
    Mit der SPD oder mit SPD und Grünen? Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, CDU, im Interview mit dem Deutschlandfunk. (picture-alliance / dpa / Ralf Hirschberger)
    "Ich bin froh, dass die Sondierungen erfolgreich abgeschlossen wurden. Das war alles andere als sicher, nicht zuletzt wegen der Schmerzen des Wahlkampfes". So fasste Lieberknecht die letzten Wochen der Gespräche mit den Sozialdemokraten zusammen. Man habe sehr sachorientiert beraten, und für jedes Problem sei eine vernünftige Lösung gefunden worden. Es habe keine Sollbruchstelle gegeben. Nun müsse die SPD entscheiden.
    Lieberknecht warb erneut dafür, auch die Grünen an einem Bündnis zu beteiligen. Mit einer schwarz-rot-grünen Dreier-Koalition hätte man eine breitere Basis. Das sei auch für umfangreiche Reformen besser.
    Die Faktenlage sieht im Moment so aus: Neben der Fortsetzung der Großen Koalition ist auch ein rot-rot-grünes Bündnis unter Führung des Linkspolitikers Ramelow denkbar. Beide Koalitionen hätten nur eine Stimme Mehrheit im Landtag. Die SPD-Spitze will am Montag eine Koalitionsempfehlung abgeben. Dann soll die Basis bis Anfang November per Mitgliederbefragung entscheiden.

    Das Interview mit Christine Lieberknecht in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Am Telefon ist jetzt Christine Lieberknecht von der CDU. Schönen guten Morgen!
    Christine Lieberknecht: Ja, schönen guten Morgen, Herr Armbrüster!
    Armbrüster: Frau Lieberknecht – müssen wir sagen, die Noch-Ministerpräsidentin?
    Lieberknecht: Ich bin sehr froh, dass wir erfolgreich die Sondierungen abgeschlossen haben, das war am Anfang ja alles andere als sicher. Wenn man die Ausgangsbasis sieht, unter der wir begonnen haben, auch mit allen Schmerzen noch aus dem Wahlkampf – das haben wir überwunden. Wir haben sehr sachorientiert für eine erfolgreiche künftige Regierungsarbeit uns miteinander verständigen können.
    Und das ist zumindest ein großer erster Etappenschritt, den wir gegangen sind, und deswegen sage ich: Die Voraussetzungen für eine weitere erfolgreiche Regierungsarbeit sind mit den Sondierungen gelegt worden.
    "Der Ball liegt jetzt im Feld der SPD"
    Armbrüster: Fast alle Beobachter, mit denen wir sprechen, sagen aber, Rot-Rot-Grün ist die wahrscheinlichere Variante. Packen Sie schon Kisten in Ihrem Büro?
    Lieberknecht: Das habe ich bisher nicht getan, und ich sehe dazu im Moment auch keine Veranlassung. Es ist gestern Abend ja auch ganz klar gesagt worden: Der Ball liegt jetzt im Feld der SPD. Sie wird entscheiden. Und die inhaltlichen Schnittmengen, die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Weiterführung des Bündnisses mit der CDU haben wir gelegt.
    Wenn es nach den Inhalten geht, kann man ganz klar sagen: Es sind Sondierungsergebnisse, die das Land mit Erfahrungen, aber auch mit Augenmaß weiter voranbringen werden. Es sind Sondierungsergebnisse, die die notwendigen Reformen vorantreiben. Und es sind vor allen Dingen Ergebnisse, die aus Verantwortung für Innovation und Nachhaltigkeit das Land für die kommenden fünf Jahre gestalten können.
    Armbrüster: Ein richtig lautes "Hurra, da machen wir mit" haben wir aber gestern nicht gehört von der SPD.
    Lieberknecht: Das wäre ja auch zu früh, denn die SPD hat sich ganz klar auf ein Gespräch und auf eine Beschlussfassung in ihren Gremien verständigt, und man tut immer gut, Dinge zunächst mit den Gremien zu bereden und dann geschlossen auch für eine Option zu streiten. Und ich kann nur sagen: Wir haben getan, was wir für das Land, für die Zukunft, für eine Stabilität auch für die nächsten fünf Jahre für notwendig halten, und das ging sehr konstruktiv, sehr fair und auch auf Augenhöhe mit der SPD gemeinsam in den Sondierungsrunden, die wir gemacht haben.
    "Breiteres Bündnis wäre das beste für große Reformen im Land"
    Armbrüster: Und Sie wollen jetzt außerdem noch die Grünen wieder ins Boot holen?
    Lieberknecht: Eine breitere Basis ist immer noch ein deutlicheres Zeichen, und weil die Grünen gesagt haben wiederholt, die Tür ist nicht zu, wollte ich das gerne aufgreifen, und das ist auch eine Gemeinsamkeit mit einer ganzen Reihe von Sozialdemokraten, die sich ähnlich geäußert haben. Die Tür ist nicht zu, auch von unserer Seite aus nicht. Ein breiteres Bündnis wäre das noch Bessere, gerade für Großreformen im Land. Aber es geht auch mit dieser einen Stimme Mehrheit.
    Armbrüster: Nun hört man selten einen Politiker, der sagt, die Tür ist zu und definitiv zu. Irgendeine Variante lässt man sich immer offen. Was wollen Sie denn den Grünen anbieten? Wie wollen Sie die wieder reinholen in die Regierung, weil eigentlich haben die sich ja schon ausgesprochen für Rot-Rot-Grün?
    Lieberknecht: Also vom Verfahrensablauf wird es natürlich mit jeder Stunde schwieriger, das haben wir gestern Abend auch gesagt. Aber wenn es mir darum geht, eine Partnerschaft aus Verantwortung für Innovation und Nachhaltigkeit zu schließen, ist Platz für jeden, der daran mitwirkt.
    Armbrüster: Jetzt ist Rot-Rot-Grün eine Variante, ich habe es gesagt, die sehr viele in Thüringen für wahrscheinlich halten, auch weil es da schon einige Äußerungen auch von prominenter Seite gab. Wäre so ein Bündnis ein Beinbruch für Thüringen oder einfach ein ganz normaler Regierungswechsel?
    "Keine Schönwetterpolitik gefragt"
    Lieberknecht: Na ja, es wäre eine Konstellation, die es so in Deutschland noch nicht gegeben hat, und man muss auch einmal sehen: Wir sind jetzt in einer Zeit, wo grundlegende Weichen für die Zukunft unseres Landes gestellt werden, Thüringen als eine Region im internationalen, im europaweiten, ja, weltweiten Wettbewerb, die sich behaupten muss, wo es um Attraktivität unseres Landes geht, wo viele auch an Thüringen vorbeigehen können.
    Wir müssen uns immer fragen: Wer braucht unser Land? Wie können wir es schaffen, Attraktivität für unser Land zu gestalten? Wie können wir es schaffen, uns auch einzubringen mit aller Erfahrung, die gegenwärtig notwendig ist in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die verhandelt werden? 40 Prozent unseres Landeshaushaltes steht dabei zur Disposition, dass wir in Zeiten der Eintrübung der Konjunktur diese kommende Legislaturperiode jetzt beginnen müssen.
    Also es ist auch keine Schönwetterpolitik jetzt gefragt, sondern es kann zu harten Einschnitten kommen. Es muss selbstverständlich sein, dass wir weiter an der Konsolidierung dieses Landes arbeiten. Und da, denke ich, hat die CDU und habe ich auch persönlich mit Erfahrung, mit Augenmaß und auch mit Augenhöhe gegenüber unserem Partner, der SPD, einiges beizutragen, was ich weiter diesem Land zur Verfügung stellen möchte, und was doch bei jeder neuen Konstellation erheblich schwieriger wäre.
    Armbrüster: Dann nennen Sie uns doch mal ein Beispiel: Was können Sie, was Bodo Ramelow von der Linkspartei nicht kann?
    Lieberknecht: Ich sage nur, diese Erfahrung von fünf Jahren, und es geht insgesamt um die Attraktivität des Landes, da gibt es eine Innensicht, da gibt es eine Außensicht auf dieses Land, und da sind doch viele sehr skeptisch.
    "Für jedes Problem eine vernünftige Lösung gefunden"
    Armbrüster: Dann sagen Sie uns noch einmal: Wie wollen Sie jetzt der SPD das Ganze schmackhaft machen an diesem Wochenende? Die muss sich ja nun am Montag entscheiden.
    Lieberknecht: Ja, wir haben die Sondierungen geführt. Es gab keine Sollbruchstelle an keinem Punkt. Wir haben für jedes Problem sehr vernünftige Lösungen gefunden, wo sich auch der jeweilige Partner in den anderen hineinversetzen konnte: Wie weit kann man gehen? Es ist ja auch so, dass wir in dieser Koalition über fünf Jahre erfolgreich gearbeitet haben. Die Ergebnisse des Landes können sich ja sehen lassen. So sieht das Land, was in der Arbeitsmarktpolitik inzwischen aus dem Osten heraus westdeutsche Flächenländer überholt hat, ...
    Armbrüster: Aber gerade deshalb, verzeihen Sie, Frau Lieberknecht, wenn ich Sie unterbreche, vor allen Dingen wegen dieser Erfolge, die Sie da schildern, ist es doch so schwer verständlich, dass die SPD jetzt nicht weitermachen will oder zumindest das nicht sofort sagt.
    Lieberknecht: Es ist immer klar: Wenn sondiert wird, stehen mehrere Optionen, und es braucht dann die Entscheidung. Das war vor fünf Jahren im Übrigen auch nicht anders. Vor fünf Jahren gab es im Übrigen eine doch satte Mehrheit für Rot-Rot-Grün. Das ist jetzt wesentlich zusammengeschrumpft auf eine Stimme Mehrheit noch, allerdings auch Schwarz-Rot. Aber wir haben über diese fünf Jahre bewiesen, dass wir erfolgreich miteinander arbeiten können, und ich glaube, das wird niemand leichtfertig aufs Spiel setzen.
    Armbrüster: In Thüringen entscheidet sich in den nächsten Tagen, welches Parteienbündnis mit Koalitionsgesprächen beginnt. Wir haben gerade gesprochen mit der amtierenden Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht von der CDU. Vielen Dank, Frau Lieberknecht, für das Gespräch heute Morgen.
    Lieberknecht: Ja, bitte sehr!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.