
Die SPD in Thüringen baut sich um - nach 15 Jahren an der Spitze tritt Christoph Matschie als Vorsitzender demnächst ab. Matschie am späten Abend nach stundenlangen Beratungen der Parteiführung:
"Der Landesvorstand wird neu gewählt, und mein Beitrag für einen Neuanfang auch personell an der Parteispitze ist: dass ich für dieses Amt nicht wieder kandidiere."
Als seinen Nachfolger schlägt Matschie Andreas Bausewein vor. Der 41-Jährige ist Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Erfurt und einer der wenigen, dessen Biografie nicht die Kratzer einer gravierenden Wahl-Niederlage trägt:
"Man muss auch ganz deutlich sagen, dass normalerweise ein Ergebnis von minus sechs Prozent auch dazu reichen würde, um in die Opposition zu geben. Aber der Wähler hat uns das Ergebnis beschert. Also wir können es drehen und wenden wie wir wollen. Es wird eine Regierung mit sozialdemokratischer Beteiligung geben."
Bausewein wird die Gespräche mit den übrigen Parteien leiten; er ist von nun an die Schlüsselfigur jeder denkbaren Regierungsbildung in Erfurt. Im Stadtrat stützt er sich bereits auf ein Bündnis aus SPD, Linken und Grünen - will das aber nicht als Signal für das Land verstanden wissen. Nach wie vor gibt es zwei Bewerber um die Gunst der angeschlagenen SPD: Sowohl Linke und CDU haben die Sozialdemokraten inzwischen zu ersten Gesprächen eingeladen, die schon in den nächsten Tagen stattfinden könnten. Bodo Ramelow, Linke, wirbt, wo er auftritt:
"Den Partnern SPD und Grünen wollen wir anbieten eine Koalition auf Augenhöhe und ein gemeinsames Entwickeln und dann auch ein gemeinsames umsetzen von Politik. Und am Ende auch, dass man sich wechselseitig gestattet, erfolge auch als gemeinsames Projekt den Wählern zu präsentieren."
Labor für politische Möglichkeiten
Thüringen ist seit Sonntagabend ein Labor für politische Möglichkeiten bei kleinsten Mehrheiten: Rot-Rot-Grün brächte es auf 46 Mandate, genau eine Stimme mehr als nötig. Dieses parlamentarische Mindestmaß erreichte ebenfalls eine Koalition aus CDU und SPD, weshalb Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, die stets Verlässlichkeit und Stabilität anmahnt, auch, aber nicht allein mit der SPD sprechen möchte:
"Ich habe die Einladung ausgesprochen auch an die Grünen, es geht um stabile Mehrheiten."
Schwarz-Rot-Grün wäre eine unerprobte Kombination - wegen ihrer Farben schon rasch als Afghanistan-Koalition bezeichnet.
"Wobei Afghanistan jetzt nicht gerade der Begriff für Stabilität ist."
Amüsiert sich Dieter Lauinger, Grüner Landeschef in Thüringen. Sie wolle auch mit der CDU sprechen, unterstreicht auch Fraktionschefin Anja Siegesmund, aber dabei eines vermeiden: bloße Mehrheitsbeschafferin zu sein.
"Wir haben immer gesagt, dass wir als Grüne nicht als Ersatzspieler zur Verfügung stehen für den Fall, dass es mal auf dem Feld nicht reicht. Im Gegenteil: Es muss auch eine arithmethische Voraussetung dafür geben, sich in so ein Wagnis zu begeben. Dass kann ich mir im Augenblick schwer vorstellen. Aber sollte die Einladung kommen, gehen wir der nach."
Die Einladungen sind verschickt, die SPD hat ihr Personal sortiert - aber vor eine neue Regierung haben die Strategen weitere Hürden gestellt: Die Sozialdemokraten wollen ihre Mitglieder nach den Sondierungen befragen, ob sie in Koalitionsverhandlungen eintreten wollen. Gibt es dann einen Koalitionsvertrag, stimmen über ihn die linke und grüne Basis ab.