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Thüringen zum Rundfunkbeitrag
Unsicheres Landtagsvotum

Monatlich 18,36 Euro statt wie bislang 17,50 Euro Rundfunkbeitrag – in Thüringen ist die stärkste Kraft im Landtag, die Linkspartei, dafür. Doch neben der AfD könnte auch die CDU gegen die geplante Erhöhung stimmen. Entscheidend wäre dann das Votum der FDP.

Von Henry Bernhard | 20.05.2020
Thomas Kemmerich, geschäftsführender Ministerpräsident von Thüringen, Mitte Februar im Landtag
Thomas Kemmerich: Für einen knappen Monat Ministerpräsident in Thüringen und noch immer Chef der dortigen FDP (dpa-Bildfunk / Martin Schutt)
Bei der CDU im Thüringer Landtag blickt man kritisch auf die Beitragserhöhung, wie deren medienpolitischer Sprecher Jörg Kellner [*] ausführt:
"Ja, wir sind im Moment noch in der Feinabstimmung. Wir sprechen noch mit den Kollegen in Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Sachsen-Anhalt hat es ja die CDU-Fraktion abgelehnt, auch die Linken, soviel ich weiß. In Sachsen ist man gespalten;. Und in Thüringen – wir hatten eigentlich die klare Linie: Erst mal keine Gebührenerhöhung mit uns. Aber wir sind noch in der Abstimmung mit den anderen zwei Ländern."
Dabei würde die Pandemie die Ablehnung der Erhöhung nur verstärken, so Kellner: "Die Coronakrise spielt mit eine Rolle, denn: Den Bürgern jetzt noch mal was zuzumuten, ist schon grenzwertig. Aber es ändert nichts an dem Grundsatz, dass sich in den Anstalten was verändern muss, Einsparungen zum Beispiel."
Das Argument, dass gerade in dieser Krisenzeit die Informationsangebote der Öffentlich-Rechtlichen deutlich häufiger genutzt werden als sonst, vor allem auch von jungen Menschen, die sonst kaum die Tagesschau oder das Heute-Journal einschalten, läuft für die CDU ins Leere. "Man könnte ja auch im Umkehrschluss fragen: Warum muss erst eine Coronakrise kommen, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk so wahrgenommen wird, wie sein Auftrag ist?"
Gerangel um den Rundfunkbeitrag
In der Debatte, ob der Rundfunkbeitrag erhöht werden soll, nimmt Sachsen eine besondere Rolle ein. Die dortige Staatskanzlei koordiniert die Medienpolitik der unionsgeführten Länder. Nun bekommt die sächsische Landesregierung wegen der geplanten Beitragserhöhung Gegenwind von der eigenen Landtagsfraktion.
FDP könnte für Zustimmung sorgen
Die AfD will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit Beitragspflicht für alle ohnehin abschaffen. Sie ist sich als einzige Partei schon ganz sicher, dass sie die Beitragserhöhung ablehnt.
Die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, hatte 86 Cent mehr pro Monat vorgeschlagen. Das wäre für die Haushalte tatsächlich eine Erhöhung – die erste seit 2009. Für die Rundfunkanstalten würde sich bei den Einkünften aber kaum etwas ändern, da sie bereits seit Jahren aus Rücklagen ungefähr diese Summe mehr bekommen, als die Haushalte zahlen.
Bei der kleinen FDP-Fraktion im Thüringer Landtag zeichnet sich eine Zustimmung zur geplanten Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab. Fraktionschef Thomas Kemmerich:
"Für uns ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein wichtiger Bestandteil des demokratischen Umfelds, und deshalb unterstützen wir das auch sehr. Qualität kostet Geld. Wir halten die 86 Cent für ein ausgewogenes Ergebnis des Prozesses jetzt zur Gebührenanpassung. Wenn es weiter auch teurer wird, wie alles im Leben, dann werden wir auch das unterstützen. Aber wir müssen halt sehen, dass die Strukturen sich auch anpassen."
Die Thüringer FDP kritisiert einen ihrer Einschätzung nach mangelnden Sparwillen der Anstalten, die Vielzahl der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehprogramme und auch die Höhe der Intendantengehälter. Dennoch wird sie vermutlich mit ihren fünf Stimmen gemeinsam mit denen der rot-rot-grünen Koalition für eine knappe Zustimmung Thüringens zum neuen Rundfunkstaatsvertrag und damit zur Beitragserhöhung sorgen.
Widerstand aus Sachsen-Anhalt
Nach langen Verhandlungen haben sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten auf eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags für ARD, ZDF und Deutschlandradio geeinigt. Doch aus Sachsen-Anhalt kommt nun Widerstand – zusammen mit der AfD könnte die dortige CDU die Änderung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags kippen.
Ramelow will Privatradios unterstützen
Der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow versucht zudem mit einem Brief an seine Kollegen in den anderen Bundesländern eine Charme-Offensive: Was, wenn die Privatradios befristet etwas mehr als die üblichen knapp zwei Prozent vom Rundfunkbeitrag abbekämen, da ihnen gerade massiv die Werbeeinnahmen wegbrechen? Als eine Art "Corona-Schutzschirm"?
"Na, sagen wir mal so: Wenn wir uns jetzt in den 16 Landtagen und in den 16 Landesregierungen darauf nicht verständigen, dann wird das wiederum nur dazu führen, dass es ein weiterer Weg an das Bundesverfassungsgericht gibt. Und das würde ich gerne ersparen. Ich würde gerne, dass wir einen gemeinsamen Weg finden, der auch eine Vielfalt, eine Radiovielfalt, ermöglicht und der nicht die einen gegen die anderen ausspielt, sondern alles zusammen im Blick behält."
Aus den anderen Staatskanzleien hat Ramelow auf seine Initiative bislang allerdings nur Schweigen geerntet. Der Linken-Politiker Malte Krückels ist Medien-Staatssekretär in der Thüringer Staatskanzlei. Mit Blick auf den neuen Rundfunkstaatsvertrag, auf die Beitragserhöhung, bleibt er gelassen.
"Na, die Diskussion steht ja noch relativ am Anfang. Jetzt sind wir ja erst bei der Vorunterrichtung der Landtage. Und ich hoffe, dass es eine Mehrheit gibt, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk meines Erachtens sehr wichtig ist; das hat sich auch in diesen Corona-Zeiten sehr deutlich gezeigt. Die Hörer- und Zuseher-Zahlen sind ja jetzt auch noch mal hochgegangen, und gerade im Bereich Information und Hintergrund. Insofern: Ich kann mir gut vorstellen, dass die Diskussion dazu führt, dass auch der Thüringer Landtag zustimmt."

[*] Anm. d. Red.: Anders als es zunächst hieß, ist die AfD die größte Oppositionspartei im Thüringer Landtag. Dies haben wir im vorliegenden Beitrag und im Audio korrigiert.