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Tiepolos Fresken
Schnellzugstrecke bedroht Kunstwerke

Eine wirtschaftlich und touristisch wichtige Schnellzugstrecke bedroht Meisterwerke der spätbarocken Malerei. Was ist also wichtiger - die Kunst oder die verkehrspolitische Notwendigkeit? In diesem Dilemma steckt die norditalienische Stadt Vicenza.

Von Thomas Migge |
    Fresken von Tiepolo in der Villa Valmarana in Vicenza
    Fresken von Tiepolo in der Villa Valmarana in Vicenza (picture-alliance / dpa / Udo Bernhart)
    "In der Beschäftigung mit der Geschichte der antiken Römer entdeckte er, dass man es dort liebte eine Villa auf dem Land zu haben. Landwirtschaftliche Betriebe hatten als Hauptgebäude herrliche Villen." Von der klassischen antiken Villa, erklärt der Mailänder Kunsthistoriker Philippe Daverio, ließ sich Renaissancebaumeister Andrea Palladio, 1508 bis 1580, inspirieren. Als erster Berufsarchitekt der modernen Geschichte schuf er den Prototypen einer herrschaftlichen Landvilla, der antiken Prinzipien ausgewogener Proportionen und gleichzeitig praktischen und ideellen Funktionen der Bauherren entsprach. In den Jahrhunderten nach Palladio errichteten sich Adlige und gut betuchte Humanisten zahlreiche Villen im palladianischen Stil.
    Wirtschaftliche Notwendigkeit versus historische Kunstwerke
    Eine der schönsten dieser Landsitze ist die Villa Valmarana ai Nani im Süden Vicenzas, aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und mit prächtigen Fresken von Giovanni Battista Tiepolo und seinem Sohn Domenico ausgemalt. Meisterwerke spätbarocker Freskenkunst. Diese Wandmalereien und die gesamte Villa sind in großer Gefahr, erklärt Philippe Daverio bei einer Protestveranstaltung:
    "Schauen wir uns doch nur die Landkarten hier auf dem Tisch an. Man kann doch nicht einen Tunnel errichten, wo sich eine solche Villa erhebt, die bereits unter statischen Problemen leidet! Hier geht es um eine der schönsten Villen Venetiens."
    Der sozialdemokratische Bürgermeister von Vicenza will seine Stadt an das europäische Schnellstreckenzugnetz anschließen. Deshalb entschied man ein Projekt, das eine Haltstelle dieses Zugnetzes auch in Vicenza vorsieht. Die Linksregierung in Rom kommt dem bürgermeisterlichen Parteikollegen in Nordostitalien entgegen. Transportminister Maurizio Lupi: "Hier handelt es sich um eine verkehrspolitische Notwendigkeit, die seitens der Regierung voll mitgetragen wird."
    Und von ihr natürlich finanziert wird. Für die Kleinstadt Vicenza bedeutet der verkehrstechnische Anschluss an diese Zugschnellstrecke einen wirtschaftlichen und auch touristischen Vorteil. Der Tunnel für die Zugtrasse wird dreißig Meter unterhalb des Monte Berico verlaufen. Genau dort wo sich die Villa und das ebenfalls kunsthistorisch bedeutende, weil weitgehend von Domenico Tiepolo ausgemalte sogenannte Gästehaus erheben. Bei voller Geschwindigkeit des Zuges, das ergaben Computermodelle, würde die Villa erzittern, mit unabsehbaren Folgen für die Fresken. Jetzt protestieren nicht nur Umweltschützer, die keine neue Schnellzugtrasse in der ohnehin schon arg verbauten Gegend haben wollen, sondern Kunstschützer und zahlreiche Bürger gegen das Projekt.Auch lautstark mit verschiedenen Protestveranstaltungen, die das Städtchen Vicenza ganz schön durcheinanderbringen.
    Keine Seite ist kompromissbereit
    Die Stadtverwaltung, der Transportminister versuchen gegenzusteuern. Man werde dafür Sorge tragen, versichern sie, dass die mit etwa 280 Stundenkilometern unterhalb der Villa vorbeibrausenden Züge keine gefährlichen Mikrobeben auslösen. Doch wie das geschehen soll, ist unklar. Antonio Paolucci, Kunsthistoriker und Direktor der vatikanischen Museen, ist skeptisch:
    "Hier, in der Villa Valmarana ai Nani, hier haben wir Wände, Räume, ja fast alle Räume sind von den Tiepolos ausgemalt. Es wurde bereits bei der UNESCO protestiert, und dort äußerte man sich besorgt angesichts der Zukunft dieser Villa. Hier finden Sie Höhepunkte der italienischen Malerei des 18. Jahrhunderts!"
    Es wird nicht zu erwarten sein, dass die Zugstrecke verlegt wird, in sicherer Entfernung von der Villa. Ein Kompromiss könnte sein, dass die Hochgeschwindigkeitszüge bei der Villa Valmarana ai Nani langsam fahren werden. Doch keine Seite ist derzeit dazu bereit, auch nur einen Schritt von ihrer Position abzurücken.