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Tierseuchen
In China: neue Variante der Afrikanischen Schweinepest

Für Menschen ist die Afrikanische Schweinepest ungefährlich. Bei Schweinen hingegen führt sie zum Tod. Seit das Virus 2018 zum ersten Mal in China aufgetreten ist, sind dort Millionen Tiere verendet. Offiziell ist die Lage mittlerweile wieder unter Kontrolle. Allerdings häufen sich nun beunruhigende Berichte.

Von Sophia Wagner | 24.03.2021
Schweine in einem Schweinestall
In China verbreitet sich eine neue Variante der Afrikanischen Schweinepest (Getty Images / Scott Olson)
"Wir haben gerade erst unseren ersten Ausbruch in Hongkong in einem Schweinebetrieb gehabt. Ist schon traumatisch. So ein Bauer, der weint dann auch, weil der sieht halt, dass die Felle davonschwimmen und weiß nicht, wann es dann wieder weitergehen wird."
Dirk Pfeiffer ist Tierarzt. Er hat in Gießen studiert und jetzt eine Professur an der City University von Hongkong. Als Anfang Februar die ersten Schweine in Hongkong erkrankten, dachte zunächst niemand an die Afrikanische Schweinepest (ASP). Die Symptome waren zu milde, mehr wie bei einer allgemeinen Atemwegserkrankung, sagt Pfeiffer: "Unsere Leute haben Schwierigkeiten gehabt, das zu diagnostizieren, weil es untypisch aussah."

Sind illegale Impfstoffe die Ursache?

Einen ähnlichen Fall gab es im Januar 2021 in einem der Großbetriebe in Festlandchina. Die dort erkrankten Sauen zeigten nur schwache Symptome, gebaren aber deutlich weniger Ferkel. Bei der Untersuchung des Krankheitserregers stieß die Betriebsleitung überraschenderweise auf zwei neue Varianten des ASP-Virus. Das Brisante: Diesen Varianten fehlten laut dem wissenschaftlichen Leiter des Betriebs angeblich bestimmte Gene. ASP-Viren, denen diese DNA-Abschnitte entfernt werden, sind weniger tödlich.
Der wissenschaftliche Leiter äußerte daraufhin gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters den Verdacht, dass die neue Variante menschengemacht sein könnte. Ein illegaler Lebendimpfstoff, dessen genmanipuliertes Virus sich selbstständig gemacht hat, und das jetzt Schweine krankmacht, statt sie vor einer Infektion zu schützen. Eindeutige Belege dafür gibt es allerdings nicht.
Auch Dirk Pfeiffer in Hongkong hat von illegalen Impfstoffen gehört: "Die Bauern sind halt verzweifelt und da haben auch welche, hat es geheißen, mit Impfstoffen herumgespielt, nicht wahr?"
Die chinesische Regierung hat sich zu dem konkreten Verdacht nicht geäußert, allerdings mehrfach vor illegalen Impfstoffen gewarnt. Worum es sich bei diesen illegalen Impfstoffen genau handelt und ob sie genmanipulierte Viren enthalten oder nur aus Wasser bestehen, ist allerdings nicht klar.

Steckt die Evolution hinter den neuen Varianten?

Was gegen die Hypothese vom entwischten Lebendimpfstoff spricht, ist, dass die Vervielfältigung von genetisch veränderten ASP-Viren relativ schwierig ist. Aktuell benötigt man dafür Zellen, für deren Gewinnung jedes Mal ein Schwein geschlachtet werden muss. Und zwar vorzugsweise ein speziell gezüchtetes Pathogen-freies Schwein, sagt Linda Dixon. Sie forscht am Pirbright Institut in Großbritannien an einem legalen Impfstoff gegen die Schweine-Pandemie.
"Das ist es wahrscheinlich, was die Impfung aus Harbin aufhält. Sie können nicht genug davon produzieren."
Denn auch in der Stadt Harbin in China wird von offizieller Seite intensiv an einem Lebendimpfstoff geforscht - und mit guten Ergebnissen. Von einer baldigen Zulassung ist allerdings keine Rede. Vermutlich weil für eine funktionierende Massenproduktion erst noch eine passende Zelllinie entwickelt werden muss. Produzenten illegaler Lebendimpfungen wären mit dem gleichen Problem konfrontiert.
Neben einem illegalen Impfstoff gibt es aber noch eine andere Erklärung für die neuen, untypischen ASP-Erkrankungen in China: natürliche Evolution.

Mutierte ASP-Viren sorgen für milde Symptome

Ende Februar wurde eine Arbeit des Harbin Veterinary Research Institute veröffentlicht. Forschende des Institutes haben dafür 3.660 Proben in 7 Chinesischen Provinzen gesammelt. Dabei entdeckten sie 22 neue, natürlich entstandene Virus-Varianten.
"Sie sagen, dass alle 22 Varianten genetisch vom Originalvirus abweichen. Und 11 der Varianten hatten Unterbrechungen in einem bestimmten Gen."
Schweine, die in Infektionsversuchen mit zwei dieser 11 Varianten infiziert wurden, zeigten einen wesentlich schwächeren Krankheitsverlauf: Ein bisschen Fieber, weniger Appetit, waren sonst aber weitestgehend unauffällig.
Doch auch wenn die Krankheitsverläufe bei den mutierten Virus-Varianten schwächer sind, gibt es Probleme: Die Schweine können bei einer hohen Viruslast trotzdem sterben. Und: "Sie sind weiterhin ansteckend, aber die Krankheit verläuft untypisch, ist also vermutlich schwerer zu entdecken."
Und damit auch noch schwieriger zu kontrollieren. Das hat auch die chinesische Regierung erkannt. Sie will die neuen Varianten in Zukunft streng im Blick behalten. Sowohl die natürlichen, als auch potentiell menschgemachten Viren.