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Töpfer: Desertec ist "sehr, sehr attraktiv"

Trotz vieler Probleme beim Wüsten-Solarprojekt Desertec, sieht Klaus Töpfer (CDU) weiterhin Chancen auf einen Stromexport von Afrika nach Europa. Man müsse alles daran setzen, "diese Grundidee nicht untergehen zu lassen", sagt der ehemalige Bundesumweltminister.

Klaus Töpfer im Gespräch mit Jule Reimer | 10.07.2013
    Jule Reimer: Desertec – hinter diesem Namen steht ein großer Plan. In der Wüste Nordafrikas erzeugter Solarstrom sollte nach Europa exportiert werden. Das Projekt ist mittlerweile mit vielen Fragezeichen behaftet. Stifter und manches große Unternehmen haben sich zurückgezogen, ein offener Machtkampf in der Führung des Unternehmenskonsortiums wurde gestern entschieden zugunsten einer Ausrichtung, die auf jeden Fall mittelfristig auf den Export von Strom nach Europa verzichtet. – Am Telefon bin ich mit Klaus Töpfer verbunden, ehemals Bundesumweltminister, ehemals Chef des UN-Umweltprogramms UNEP und heute Leiter des Instituts für Nachhaltigkeitsstudien IASS in Potsdam. Herr Töpfer, Sie haben das Desertec-Projekt in den Anfängen beraten. Was ist da schief gelaufen?

    Klaus Töpfer: Zunächst einmal: Das Projekt ist für diese Region, also für Afrika und Europa, aber auch für viele andere Regionen in der Welt von großer Bedeutung. Die Zahlen sprechen eine ganz eindeutige Sprache. Wir haben in Deutschland 900 Sonnenstunden pro Jahr im Durchschnitt, in Nordafrika kommen Sie auf 3000 und mehr Sonnenstunden pro Jahr. Da können Sie sich vorstellen, dass natürlich sehr naheliegend ist, darüber nachzudenken und zu forschen, wie man dort Sonne ernten kann, die diese Region dringlich braucht als Energie, bis hin zur Meerwasserentsalzung, um auch das Wasserproblem nicht zu vergessen, und gleichzeitig einen Teil davon auch zu exportieren zu den großen Verbraucherzentren von Energie gerade in Europa und damit auch einen Beitrag zur Klimapolitik zu leisten. Das heißt, das Projekt als solches ist sehr, sehr attraktiv. Es ist eine Überlegung, die deswegen ja auch weltweit immer wieder aufgegriffen wird und verfolgt wird.

    Reimer: Es erfordert aber auch einen unglaublichen Ausbau der Netzinfrastruktur. Das sind ja ganz lange Wege nach Europa.

    Töpfer: Das ist völlig richtig. Deswegen ist es ja auch bisher in Größe in der Welt noch nicht so umgesetzt worden. Bei der Frage, wie wird Strom weitergeleitet, gibt es natürlich auch verschiedene Optionen. Natürlich kann man das mit Kabel machen, es gibt die neuen Kabeltechniken, die auch von einem großen deutschen Unternehmen hergestellt werden. Es gibt die Überlegungen, weitere Kabeltechnologien zu entwickeln, die Superleitungen, die nebenbei auch hier bei uns im Institut sehr intensiv verfolgt werden. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass Sie Strom in Gas umwandeln, Power to Gas, eine der großen Aufgaben, die vor uns liegen. Also darüber wird nicht nur nachgedacht, sondern auch konkret geforscht, und es gibt darüber bereits Techniken.

    Reimer: Das heißt, Sie hätten sich jetzt gewünscht – Sie beraten Desertec ja nicht mehr -, dass man konkreter sagt, doch, doch, wir wollen möglichst schnell versuchen, Strom nach Europa zu exportieren?

    Töpfer: Wenn ich das richtig verfolge, ist dieses Ziel ja nicht aufgegeben. Es ist deutlich runtergezogen worden …

    Reimer: Aber schon ziemlich in die Ferne verlegt, ja.

    Töpfer: … und es ist noch weiter in die Ferne verlegt worden, als es ohnedies war. Gleichzeitig muss man dazu sagen, es wäre wirklich fatal, wenn eine Zukunftstechnologie – und ich glaube, dass die konzentrierte Solar Power, die Solarthermie, eine solche Zukunftstechnik ist -, wenn diese nicht intensiv weiter verfolgt würde. Hier hat man in Deutschland viele Forschungsarbeiten erfolgreich durchgeführt, in der DLR, um nur eine zu nennen. Es wäre also wirklich eine ärgerliche Entwicklung, wenn das völlig wegginge. Natürlich wissen wir, dass eine Energieversorgung in Nordafrika nicht nur über Solarthermie gemacht werden kann und wird, sondern auch im hohen Maße Fotovoltaik, so wie wir es kennen, eingesetzt werden kann, und dass etwa in einem Land wie Marokko auch sehr, sehr gut Wind geerntet werden kann. Also wir sehen, hier gibt es viele Ebenen der Zusammenarbeit, und deswegen sollte man nicht hingehen und sagen, nun sind durch welche Vorgänge intern, die ich gar nicht mehr übersehen kann, dort große Probleme entstanden, sondern man sollte alles daran setzen, um diese Grundidee nicht untergehen zu lassen und die Perspektive auch des Exports von Strom aus Afrika nach Europa weiter voranbringen. Das setzt in Europa nicht nur die Überbrückung des Mittelmeers voraus, sondern auch ein wirklich aufgebautes Stromnetz-System in Europa. Auch daran wird ja wirklich dringlich zu arbeiten sein. Also wir sehen: Alles das, was wir in Deutschland mit der Energiewende angestoßen haben, hat sehr viele zusätzliche Folgen und es zeigt sich, dass sehr viele auch daran denken, dahin investieren, eigentlich das, was man haben wollte.

    Reimer: Das war Klaus Töpfer, Leiter des Instituts für Nachhaltigkeitsstudien (IASS) in Potsdam, zum Desertec-Projekt. Schönen Dank für das Gespräch.

    Töpfer: Danke Ihnen, Frau Reimer – alles Gute!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.