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Töpfer: USA müssen Klimaschutz vorantreiben

Klaus Töpfer, ehemaliger Leiter des UNO-Umweltprogramms, erwartet von den USA internationale Führung beim Klimaschutz. "Wir haben zu bedauern, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika so an den Rand verhandelt haben", zog Töpfer ein Fazit der Weltklimakonferenz von Bali. Er verwies auf innenpolitische Initiativen zum Klimaschutz in den USA, die sich seiner Ansicht nach in den nächsten Jahren verstärken würden.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Die Roadmap ist ein uns inzwischen richtig lieb gewordener Begriff. Erst die Roadmap für den Nahen Osten, die bisher mit relativ wenig Erfolg verwendete Straßenkarte zum Frieden dort. Nun die Bali- Roadmap, ein mit doch durchaus Hoffnungen begleiteter Fahrplan für weitere weltweite Verhandlungen zum Klimaschutz. Die Reaktionen auf die Erklärung von Bali, von der Weltklimakonferenz, fallen durchaus gemischt aus. Und wir wollen eine weitere Analyse hinzufügen jetzt mit Klaus Töpfer, ehemals Leiter des UNO-Umweltprogramms. Guten Morgen, Herr Töpfer!

    Klaus Töpfer: Einen schönen guten Morgen!

    Klein: Für Sie das Glas eher halb voll oder halb leer?

    Töpfer: Man muss sich ja fragen, was brauchten wir von Bali, von dieser Konferenz? Sie haben Recht: Im Jahre 2009 muss ein Anschlussvertrag an Kyoto fertig sein. Da gibt es zwei Jahre, die genutzt werden müssen, und dann ist es wichtig, dass man diese zwei Jahre strukturiert, sagt, was muss in diesem Vertrag drinstehen? Dann sind es vornehmlich vier Teilbereiche.

    Der eine: Wie vermindern wir CO2? Das ist eine ganz große Herausforderung. Wir müssen bis zum Jahre 2050 in den hoch entwickelten Ländern mindestens 50, 60 Prozent CO2 vermindern. Das ist das Minimum.

    Zweitens: Wie passen wir uns an den nicht mehr vermeidbaren Klimawandel an? Jetzt ist er schon vorhanden, und wir werden ihn kaum unter zwei Grad Zuwachs der Temperatur stoppen können. Das gibt große Anpassungsnotwendigkeiten besonders in der Dritten Welt an veränderte Wettersituationen, an veränderte Niederschlagsmöglichkeiten, an steigende Meeresspiegel und vieles mehr. Hier brauchen die, die davon betroffen sind, vornehmlich die Entwicklungsländer, unsere Zusammenarbeit.

    Drittens: Wie können wir Techniken entwickeln, die es möglich machen, diese Verminderung von Kohlenstoff in unserer Energieversorgung zu realisieren? Und nicht zuletzt: Wie ist die Zusammenarbeit zwischen entwickelten Ländern und Entwicklungsländern im Bereich auch der Erhaltung von Wäldern. in der Absicherung von Entwicklungsnotwendigkeiten zur Überwindung von Armut?

    Das sind die vier Kategorien. Wir diskutieren bei uns fast immer nur die erste. Die ist ganz wichtig. Es ist entscheidend, dass wir vermindern. Da ist die Europäische Union vorangegangen, und da ist es mehr als nur ein Schönheitsfehler, ist es eine schwierige Situation, dass dieser Weg nach 2009 nicht jetzt schon gesagt hat, aber mindestens muss dort die Minderung um 30 oder 40 Prozent bis 2020, 2030 stehen. Das ist nicht erreicht worden. Erreicht worden ist, dass drinsteht, es muss messbar zurückgeführt werden. Also dass es eine quantitative Rückführung geben muss, steht drin. Es ist alles daranzusetzen, dass bis 2009 dies dann in den gekennzeichneten Größenordnungen auch im Vertrag drinsteht und der so ratifiziert wird.

    Klein: Herr Töpfer, Sie haben jetzt noch mal die Ziele genannt, aber die spannende Frage ist ja: Wie werden diese Ziele erreicht werden können? Müssen wir uns nach den Erfahrungen jetzt auch auf Bali darauf einstellen, dass es in nächster Zeit und in Zukunft eben doch darum gehen wird, Verträge mit weniger verbindlichen Zielen zu bekommen, dafür aber alle Staaten erstmal ins Boot zu holen?

    Töpfer: Ich glaube, das ist noch nicht die Konsequenz. Wir haben zu bedauern, wirklich nachdrücklich zu bedauern, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika so an den Rand verhandelt haben. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind eine globale Führungsmacht, wenn nicht die globale Führungsmacht, und es muss alles daran gesetzt werden, dass sie wieder in diese Rolle auch in der Klimapolitik hineinkommen. Das ist in den Vereinigten Staaten sicherlich geradezu im Umbruch. Wir sehen das auf der Ebene von Staaten, von Städten, von Unternehmen, in der gesamten Zivilbevölkerung. Und wir werden sehen, dass in diesen kommenden zwei Jahren sich auch innenpolitisch in den Vereinigten Staaten dieses noch weiter verändert. Das muss erreicht werden, und dann können wir nicht von Vornherein sagen, also machen wir es lieber ein bisschen einfacher und niedriger, aber es sind alle dabei.

    Dass dieses dringlich ist, dass alle dabei sind, hat ja auch Bali gezeigt mit Blick auf die Schwellenländer, auf China, auf Indien, Brasilien und alle die auch schnell wachsenden Entwicklungsländer. Auch dort ist klar gemacht worden, sie müssen einen Beitrag zu dieser Klimapolitik mit leisten. Natürlich haben sie gesagt, das hängt davon ab, wie wir auch technologisch unterstützt werden. Das hängt klar davon ab, dass wir weiterhin Armut in unseren Ländern überwinden können. Dies wird noch eine harte Nuss werden, in diesen kommenden zwei Jahren auch auszudiskutieren, also nicht nur die Diskussion mit den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch mit diesen Ländern in der Konkretisierung eines Vertragswerkes.

    Klein: Es bleiben ja, wie Sie gerade angedeutet haben, tatsächlich große Meinungsunterschiede bestehen etwa die Frage, welche Verpflichtungen müssen die Schwellenländer übernehmen auf der einen Seite, welche technologische Unterstützung können sie auf der anderen Seite bekommen. Sehen Sie konkrete Schritte, wie jetzt in den kommenden Monaten dieser Königsweg beschritten werden kann?

    Töpfer: Ja. Ich glaube es gibt solche konkreten Entscheidungen auch von Bali. Wenn Sie wissen die Zielsetzung Schutz der Wälder, die ja für die Klimapolitik ganz zentral in beiden Richtungen ist. Wenn sie Wälder abholzen, vermindern sie die Aufnahmefähigkeit der Erde für CO2. Wenn sie welche aufbauen, neu anpflanzen, dann erhöhen sie dieses. Bisher war der Schutz bestehender Wälder überhaupt nicht irgendwo mit verankert. Das ist jetzt drin und es ist deutlich geworden, dass einzelne Länder wirklich massiv auch finanziell dabei helfen wollen. Wenn ich mich an die Zahl richtig erinnere, die Norwegen dort in die Diskussion gebracht hatte, sind das nicht Millionen, sondern das geht in die Milliarde Dollar. Das ist schon ein klarer Hinweis darauf, dass die hoch entwickelten Länder der Entwicklungswelt sagen, wir fühlen uns mit in der Verantwortung, auch so etwas wie Wälder, die gegenwärtig für uns viel bringen, für euch relativ wenig, für euch wertvoll, erhaltenswürdig zu machen. Ein ganz wichtiger konkreter Schritt. Ich glaube, dass wir im Bereich der Technologietransfers noch deutlich auch nach neuen Möglichkeiten der Zusammenarbeit suchen müssen, nebenbei auch eine große Chance für Wirtschaftsstandort. Diese Technologien sind ja nicht nur für uns relevant, sondern auch für andere. Wenn wir hier vorankommen in erneuerbaren Energien, in Energieeffizienz, dann sind das auch Absatzmärkte für unsere Industrieprodukte.

    Klein: Herr Töpfer, noch abschließend: Die USA sprechen Fragen an, denen wir uns vermutlich so oder so auch stellen müssen, etwa was ist denn, wenn die Industrienationen nicht weiter auf Wirtschaftswachstum setzen können? Das wird für uns alle einen großen Paradigmenwechsel bedeuten. Wird das eigentlich klar genug ausgesprochen?

    Töpfer: Die Frage ist, wie der Paradigmenwechsel insgesamt ausgearbeitet ist. Auf der einen Seite: Wenn sie das mit den vorhandenen Techniken, mit vorhandenen Energietechniken machen, nur mit fossilen Energien, dann wird es natürlich auch einen Abbruch in der Frage des weiteren Wachstums geben müssen. Es ist doch gar nicht vorstellbar, dass wir eine Welt mit 8,5 Milliarden Menschen - das wird im Jahre 2050 mit Sicherheit der Fall sein - nur mit fossilen Energien in der Effizienz, die wir jetzt haben, auch energetisch versorgen können. Das heißt, wir müssen auf jeden Fall den Paradigmenwechsel in der Energiepolitik schaffen. Wir müssen es erreichen, dass wir auch dezentrale Energieversorgungssysteme ausbauen, verändern, dass wir zu den erneuerbaren Energien nicht fast etwas belächelnd sagen, das sind so die Windmühl-Apologeten.

    Klein: Klaus Töpfer war das. Wir müssen langsam leider zum Schluss kommen. Eine Bilanz von Klaus Töpfer, ehemaliger Leiter des UNO-Umweltprogramms, zum Klimagipfel auf Bali. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Töpfer.

    Töpfer: Danke Ihnen herzlich.