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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Säulen statt Segel als Schiffsantrieb

Schiffe gewinnen aus Wind Antrieb. Nicht nur mit großen Segeln - das geht auch mit einer Art rotierender Litfaßsäule an Deck. Den Prototyp stellte Anton Flettner schon 1925 vor. Eine Firma in Finnland testet das System im Einsatz. Ihr zufolge lassen sich damit 10 bis 15 Prozent Schiffsdiesel einsparen.

Von Frank Grotelüschen |
    "E-Ship 1", erster moderner Prototyp eines Schiffs mit Flettner-Säulenantrieb der Firma Enercon, im Juli 2010 am Pier der Lloyd-Werft in Bremerhaven
    Sieht komisch aus, soll aber erhebliche Treibstoff-Einsparung bringen: das "E-Ship 1" der Firma Enercon, erster moderner Prototyp eines Schiffs mit Flettner-Rotoren als Zusatzantrieb (picture alliance / dpa / Ingo Wagner)
    Samstag, 28. Februar 1925. An den Hamburger Landungsbrücken jubelt eine Menschenmenge einem seltsamen Schiff zu: Die "Buckau" läuft weder unter Dampf noch unter Segeln ein, sondern getrieben von zwei masthohen, rotierenden Zylindern, die wie Litfaßsäulen auf dem Deck stehen. Der Reporter der Hamburger Nachrichten notiert:
    "Da brüllen wir ein dreifaches Hurra! auf die Buckau, das Erzeugnis deutschen Erfindergeistes, ein dreifaches Hurra! auf Flettner, den Erbauer, und machen unserer Erregung in dem Deutschlandlied Luft."
    Viele sind sich damals sicher, die Zukunft des Schiffbaus vor Augen zu haben. Und doch bleibt das Rotorschiff des Erfinders Anton Flettner eine kuriose Fußnote der Seefahrt. Zwar rüstet Flettner zwei Schiffe mit seinem Windantrieb aus, ein paar Jahre lang sind sie auf den Weltmeeren unterwegs. Doch dann setzt sich Öl als Treibstoff durch, das Rotorsegel verschwindet, Öl ist schlicht billiger. Das Prinzip aber wird auch nachfolgende Generationen faszinieren.
    Magnus-Effekt ähnlich wie bei Flugzeug-Tragflächen
    "Ein Rotorsegel ist ein großer, aufrecht stehender Zylinder auf dem Deck des Schiffes, der durch einen Elektromotor in Drehung versetzt wird. Ist dieser rotierende Zylinder dann Wind ausgesetzt, entsteht an ihm ein Druckunterschied – wegen des sogenannten Magnus-Effekts", sagt Tuomas Riski von der Firma Norsepower aus Helsinki.
    Der Magnus-Effekt ist ein verblüffendes Phänomen. Bläst der Wind gegen den rotierenden Zylinder, wird die Luft auf der einen Zylinderseite mitgerissen und fließt schneller. Auf der anderen Seite, wo die Oberfläche dem Wind entgegenläuft, wird sie abgebremst und strömt langsamer. Dadurch entsteht – wie bei einem Flugzeugflügel – ein Sog: Auf der einen Seite bildet sich ein Unterdruck, auf der anderen ein Überdruck. Als Folge verspürt der Rotor einen kräftigen Schub senkrecht zu seiner Achse. Jahrzehntelang lag das Konzept brach. Dann aber belebten es Ingenieure wieder mit dem Ziel, die Schifffahrt klimafreundlicher zu machen. Riski:
    "Der Flettner-Rotor ist ein altes Konzept, das auch mit modernen Technologien und Materialien funktionieren sollte. Ziel ist ein Produkt, das hilft, den CO2-Ausstoß zu senken und ein globales Umweltproblem zu mindern."
    Moderner Prototyp 2010 von Enercon
    Als erstes präsentierte der deutsche Windradhersteller Enercon ein modernes Flettnerschiff: 2010 wurde das E-Ship 1 in Dienst gestellt, um die Windräder des Unternehmens in alle Welt auszuliefern. Es ist mit vier Aluminiumrotoren bestückt, die den Schiffsmotor beim Antrieb unterstützen. Je nach Witterung lassen sich so bis zu 15 Prozent Treibstoff einsparen, heißt es bei Enercon. Die Absicht, die Technik auch bei anderen Schiffen einzusetzen, hat man derzeit aber offenbar nicht – anders als bei Norsepower in Finnland.
    2014 rüstete das Unternehmen die Fähre Estraden mit zwei Rotor-Prototypen aus. Sie sind je 17 Meter hoch, haben drei Meter Durchmesser und unterstützen den Schiffsmotor. Der Unterschied zur Enercon-Technologie:
    "Wir fertigen die Rotoren aus Verbundwerkstoffen, basierend auf Carbon und Glasfaser", erklärt Riski. "Die sind sehr leicht und robust. Dadurch kann man sie schnell rotieren lassen, was zu einem ruhigeren Laufverhalten führt. Mit Metall ist es schwieriger, den Zylinder gut auszubalancieren."
    Demnächst weitere Tests auf Tankern und Kreuzfahrtschiff
    Bis zu 300 Umdrehungen pro Minute schaffen die Rotoren an Bord der Estraden. Die Steuerelektronik passt die Drehgeschwindigkeit der Zylinder automatisch an die Windstärke an: Je stärker es bläst, umso höher die Drehzahl. Der Steuermann auf der Brücke muss nur aufs Knöpfchen drücken, und das System läuft von selbst, sagt Riski:
    "Die Resultate sind exzellent. Die beiden Rotoren waren praktisch immer in Betrieb. Und unabhängige Analysen haben gezeigt, dass wir mehr als sechs Prozent Treibstoff sparen konnten – ungefähr 400 Tonnen pro Jahr."
    Ein Erfolg, der den Finnen weitere Testmöglichkeiten einbrachte: In einigen Monaten soll ein Rotorsegel auf einem Kreuzfahrtschiff installiert werden, zwei Windzylinder sind auf einem Tanker geplant.
    "Beim Tanker rechnen wir damit, rund zehn Prozent Treibstoff zu sparen, circa 700 Tonnen pro Jahr. Hier setzen wir deutlich größere Rotoren ein, 30 Meter hoch und fünf Meter im Durchmesser."
    Containerschiffe eignen sich eher nicht – kein Platz auf Deck
    Tanker, Massengutfrachter, Fähren, Kreuzfahrtschiffe – das sind Schiffstypen, die sich eignen dürften. Andere scheinen weniger prädestiniert.
    "Containerschiffe eignen sich nicht so sehr. Ihr gesamtes Deck ist mit Containern beladen. Da ist für Rotorsegel kein Platz."
    Ein bis zwei Millionen soll ein Rotorsystem kosten, kündigt Riski an. Eine Investition, die sich – je nach Schiffstyp – nach vier bis acht Jahren amortisieren soll.