Samstag, 18. Mai 2024

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Traditionspflege in Sowjetsk
Königin Luise und der preußische Adler

Sowjetsk hieß bis 1946 noch Tilsit, seitdem trägt die Stadt an der Memel die Zeit des Kommunismus deutlich im Namen. Doch wer Sowjetsk besucht, wird überrascht: Denn beim Spaziergang durch die Stadt stößt man vor allem auf preußische Spuren.

Von Henning von Löwis | 02.01.2015
    Der preußische Adler im russischen Sowjetsk.
    2013 wurde der Brunnen von Sowjetsk renoviert. Ihn ziert ein preußischer Adler. (Deutschlandradio / Henning von Löwis)
    Erkundungen in einer Stadt, die einmal Tilsit hieß und seit 1946 den Namen Sowjetsk trägt. Anschelika Schpiljowa, Direktorin des Geschichtsmuseums von Sowjetsk, führt zu Plätzen, die für die Historie der Stadt eine besondere Rolle spielen.
    "Am Hohen Tor, hieß dieser Platz vor der Zeitenwende in Ostpreußen."
    Die Stadttore, die einst hier standen, seien bereits 1861 abgerissen worden.
    Beherrscht wird der Lenin-Platz selbstverständlich von seinem Namenspatron - dem Gründer des Sowjetstaates.
    "1967 wurde das Lenin-Denkmal in Sowjetsk errichtet, geschaffen von zwei lettischen Künstlern."
    Ein Elch im Exil
    Gleich gegenüber, einen Steinwurf von Lenin entfernt: der Tilsiter Elch - Ostpreußens Wappentier in Überlebensgröße, heimgekehrt nach Tilsit nach Jahrzehnten im Königsberger Exil.
    Die Elchstatue
    Die Elchstatue (Deutschlandradio / Henning von Löwis)
    Verwundert mag sich der Elch, seine großen Bronzeaugen gerieben haben:Wie Manfred Urbschat, Mitglied des Vorstands der Stadtgemeinschaft Tilsit, betont, war die "Operation Elch" ein aufwendiges und kostspieliges Unterfangen.
    Es bedurfte langer Verhandlungen mit den Stadtoberen in Kaliningrad, ehe sie ihn endlich 2006 vom Pregel an die Memel ziehen ließen. Im Königsberger Zoo war es dem Elch nicht gut ergangen. Die teilweise abgebrochenen Schaufeln mussten restauriert werden.
    "Das hat 30.000 Euro gekostet – wir haben uns mitbeteiligt an dem Elch hier, die Stadtgemeinschaft. Und dann wurde der mit großer Freude und mit wirklicher Anteilnahme der Bürger hier aufgenommen. Und der Elch, der ist ja das Symbol für die Ruhe, für die Gelassenheit, für die Kraft und für die Erhabenheit. Das stellt der Elch hier dar. Darum wurde der auch hier wiederaufgestellt. Und wir sind froh."
    Das preußische Erbe
    Froh sind die alten Tilsiter auch darüber, dass jetzt im Zentrum von Sowjetsk an die Gründung ihrer Heimatstadt erinnert wird.
    "Früher sei das der Herzog-Albrecht Platz gewesen."
    2011 habe man hier zu Ehren des Stadtgründers Herzog Albrecht diesen Gedenkstein aufgestellt.
    "Herzog Albrecht habe Tilsit im Jahre 1552 die Stadtrechte und das Stadtwappen verliehen."
    Anschelika Schpiljowa verweist darauf, dass 2011 entschieden worden sei, das historische Wappen zum offiziellen Wappen von Sowjetsk zu erklären. Der Präsident der Russischen Föderation habe das gebilligt. Auch die alte Flagge Tilsits sei jetzt die offizielle Flagge von Sowjetsk.
    Museumsdirektorin Anschelika Schpiljowa
    Museumsdirektorin Anschelika Schpiljowa (Deutschlandradio / Henning von Löwis)
    Jahrzehntelang hatte man in der Sowjetunion das preußische Erbe Tilsits systematisch verdrängt. Heute ist man stolz darauf.
    Ein paar Schritte nur entfernt vom Gedenkstein für Herzog Albrecht: der 1912 errichtete Gerichtsbrunnen, gekrönt von einem imposanten Adler.
    Der Adler sei ein Geschenk an die Stadt Tilsit von Friedrich Wilhelm III., dem Ehemann von Königin Luise.
    "Nach dem Krieg war dieser Brunnen zerstört und der Adler irgendwohin weggeflogen. Nur 2013 wieder renoviert und die Adler-Skulptur wieder gemacht."
    Plötzlich wechselt die Direktorin des Stadtmuseums die Sprache. Man spürt, wie stolz sie ist auf die Rückbesinnung, die Wiederentdeckung des historischen Erbes von Tilsit.
    "Das ist ein Geschenk des Bürgermeisters der Stadt. Hier steht eine Tafel, können Sie sehen: Das ist ein Geschenk an die Stadt vom Bürgermeister Woischtschew."
    Der preußische Adler im russischen Sowjetsk.
    Vergangenheit hat Zukunft an der Memel.
    Da fehlte eigentlich nur noch die Königin, die an der Memel - auf der Memel - Geschichte geschrieben hat, als sie 1807 in Tilsit mit Zar Alexander I. und Napoleon zusammentraf.
    Im Sommer 2014 kehrte auch Königin Luise zurück nach Tilsit. In einer feierlichen Zeremonie wurde eine in St. Petersburg angefertigte Nachbildung des Luisen-Denkmals eingeweiht, das am 22. September 1900 im Beisein von Kaiser Wilhelm II. im Park von Jakobsruh enthüllt worden war.
    Im Museum sind die traurigen Reste des Originaldenkmals zu besichtigen.
    Eine Königin als Brückenbauerin
    Das Stadtmuseum in der einstigen Hohen Straße, einer in den letzten Jahren außerordentlich ansprechend gestalteten Fußgängerzone, in unmittelbarer Nähe der Königin-Luise-Brücke, ist vor allem in den Sommermonaten ein Besuchermagnet für deutsche Heimwehtouristen, russische Schüler und historisch interessierte Litauer von jenseits der Memel.
    "Und es sind auch die Touristen aus Russland, aus Sibirien, aus allen möglichen Städten, die hierher kommen."
    Die kennen auch Königin Luise oder lernen sie Königin Luise erst kennen?
    Erst kennen.
    Königin Luise als Brückenbauerin an der Memel.
    Das Königin-Luise-Denkmal
    Das Königin-Luise-Denkmal (Deutschlandradio / Henning von Löwis)
    "Unser Denkmal war uns besonders deswegen wichtig, weil die Königin ja nicht nur die deutsche Königin ist, sondern sie hat ja einen weiteren Status in Russland bekommen. Ich meine jetzt damit, dass ihre Tochter den Nikolaus I. geheiratet hat. Und so ist die Königin Luise auch die Großmutter von Alexander II. Also sie ist hier nicht fremd. Und die Russen haben sie auch in ihre Herzen geschlossen."