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Transport und Deportation
In Theresienstadt wird eine neue Dauerausstellung eröffnet

Im ehemaligen Konzentrationslager und Ghetto Theresienstadt wird eine neue Dauerausstellung eröffnet. Darin geht es um die Ankunft der jüdischen Häftlinge in dem Lager und um ihre spätere Deportation von dort nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager.

Von Peter Lange | 28.01.2020
Überreste der "Anschlussbahn" in der Gedenkstätte Theresienstadt.
Überreste der "Anschlussbahn" in der Gedenkstätte Theresienstadt. (Peter Lange/Deutschlandradio)
Es ist ein trüber, grauer Januartag. Mit dem Wissen um das, was hier in Theresienstadt geschah, wirkt die Stadt gleich noch einmal etwas deprimierender. Etwa 3.000 Menschen leben im heutigen Terezin. Zur Zeit der deutschen Besatzung waren hier zeitweilig mehr als 50.000 jüdische Häftlinge gleichzeitig eingepfercht, Männer, Frauen und Kinder aus dem sogenannten Protektorat Böhmen und Mähren, aber auch aus anderen europäischen Ländern. Theresienstadt war ab November 1941 Sammel- und Durchgangslager, Ghetto und KZ zugleich, und für viele der Beginn einer Reise ohne Wiederkehr:
"Also kann man sagen, dass das hier der Ausgangspunkt war von hier in die Vernichtungslager."
Sagt Tomas Fedorovic, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gedenkstätte Theresienstadt und einer der beiden Autoren der neuen Dauerausstellung, die sich dem Komplex Transport und Deportation widmet. Sie ergänzt und vertieft die ständige Ausstellung im Ghetto-Museum. Der Ort ist dabei mit Bedacht gewählt: das vergleichsweise kleine Gebäude der historischen Stadtwaage.
"Wir befinden uns dort, wo damals auf beiden Seiten dieses Hauses die Gleise gelegt wurden. Die Güterzüge kamen vor die ehemalige Kavallerie-Kaserne. Und die Personenzüge mit den Häftlingen kamen vor die Hamburger Kaserne. Und die Stadtwaage, das Haus hier, stand inmitten von diesem Drama."
Durchgangslager zur Vernichtung
Ein paar Meter der Gleise sind noch zu sehen von der sogenannten Anschlussbahn, die bis Juni 1943 gebaut wurde. Bis sie fertig war, mussten die Menschen das letzte Stück der Strecke von und zum nahegelegenen Bahnhof Bohousovice zu Fuß gehen. In der Stadtwaage mit etwa 20 Quadratmetern Grundfläche ist nun auf etwa 15 Tafeln dargestellt, wie die Transporte und Deportationen organisiert waren.
"Die Grundidee ist eigentlich eine chronologische. Wir zeigen die Transport-Wellen. Wir fangen an mit der Deportation nach Theresienstadt; ein kurzer Überblick. Und danach widmen wir uns vor allem der Deportation aus Theresienstadt."
141.000 Menschen wurden zwischen November 1941 und Mai 1945 durch die einstige Festungsstadt der Habsburger durchgeschleust. 88.000 von ihnen wurden in die Vernichtungslager im Osten deportiert.
"Wir haben vor, dass der Besucher wahrnimmt, dass ungefähr eine Hälfte der Häftlinge nicht nach Auschwitz/Birkenau deportiert wurde, sondern auch in die weniger bekannten Vernichtungslager und Ghettos."
Welle von Deportationen, Welle von Suiziden
In der Ausstellung ist der Tagesbefehl über die erste Deportation am 5. Januar 1942 zu sehen. Darin ist als Ziel Riga angegeben. Danach hieß es nur noch "nach dem Osten". Wohin genau die Reise ging, darüber wurden die Menschen im Unklaren gelassen. Für Tomas Fedorovic sind deshalb zwei Aspekte besonders wichtig:
"Der eine ist über Angst vor den Transporten und der zweite ist, was die Häftlinge von Auschwitz-Birkenau wussten. Es gibt sehr interessante Erinnerungen, die uns zeigen, dass die Menschen keine Vorstellungen hatten, belegen, was sich hinter dem Terminus Auschwitz-Birkenau verbirgt."
Aber, das zeigt die Ausstellung auch, eine dunkle Ahnung gab es schon, dass das, was kommen würde, noch schlimmer sein würde als das, was sie jetzt schon durchmachen mussten. Jeder Welle von Deportationen entsprach auch immer eine Welle von Suiziden. Dabei waren die Lebensverhältnisse auch im angeblichen Musterlager Theresienstadt so erbärmlich, dass dort 33.500 Häftlinge an Hunger und Krankheiten gestorben sind. Bei Kriegsende fanden die Befreier 16.800 Überlebende vor. Für sie, sofern sie zuletzt auch noch die Typhus-Epidemie überwanden, hatte die Anschlussbahn dann doch noch einen humanen Zweck – für die Fahrt nach Hause.