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Treffen in Brüssel
EU-Innenminister beraten erneut über Migration

Die Flüchtlingskrise beschäftigt heute einmal mehr die Innenminister der EU-Staaten. Dabei wird es auch erneut um die umstrittene Umverteilung von 160.000 Geflüchteten in der EU gehen. Die kommt nämlich so gar nicht in Gang: Gerade einmal 1.500 Menschen aus Italien und Griechenland wurden bisher auf andere EU-Länder verteilt.

Von Annette Riedel |
    Menschen waschen ihre Kleidung von Hand in einem provisorischen Flüchtlingslager im Hafen von Piräus in Griechenland.
    In Griechenland sind Zehntausende Flüchtlinge gestrandet - wie hier im Hafen von Piräus. (picture alliance / dpa / Simela Pantzartzi)
    Was vom Thema Flüchtlinge in ihre Ressorts gehört, ist beim heutigen Brüsseler Treffen erneut Thema der EU-Innenminister – sicher nicht zum letzten Mal. Ein Aspekt dabei, die mittlerweile hochgradig politisch kontaminierte Frage der Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen innerhalb der EU, darunter jene, die in Griechenland zu Zehntausenden gestrandet sind. Beschlossen ja – umgesetzt nur in Ansätzen, beklagte EU-Kommissar Avramopoulos im März: "Wenn alle sich an die Verabredungen gehalten hätten, sähe die Situation heute anders aus."
    Die Situation hat sich bis heute nur unwesentlich geändert. Gerade einmal 1500 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland – Stand vorgestern – wurden bisher in anderen EU-Staaten aufgenommen. Dabei hatte Avramopoulos Mitte März das Ziel 20.000 bis Ende Mai ausgegeben. "Es ist jetzt an der Zeit, mehr Verantwortung zu zeigen, und Umverteilung und Neuansiedlung in den kommenden Tagen und Wochen massiv zu beschleunigen."
    Umverteilung kommt allenfalls schleppend in Gang
    Einige EU-Staaten verweigern sich nach wie vor komplett der Umverteilung: darunter Ungarn, Polen, die Slowakei, Tschechien. Die Neuansiedlung von insgesamt etwas über 22.000 Syrien-Flüchtlingen aus Jordanien, dem Libanon, der Türkei kommt zwar zügiger voran, aber auch da konnte bisher erst ein gutes Viertel Aufnahme finden. 177 Menschen sind im Zuge des Türkei-EU Deals in die EU gekommen, der vorsieht, dass für jeden irregulären syrischen Flüchtling, den die Türkei von Griechenland zurücknimmt, legal einer aus der Türkei in die EU einreisen kann.
    Die Umsetzung der Verabredungen der EU mit der Türkei beschäftigt die EU-Innenminister heute ebenfalls erneut. Mit diesem Deal haben sich die Europäer Zeit zum Durchatmen verschafft. Davon sind viele überzeugt. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, der CSU-Politiker Manfred Weber: "Der Pakt beginnt zu wirken. Die Zahlen an der türkisch-griechischen Grenze sind deutlich gesunken. Die Türkei liefert also und sichert die Grenzen, kämpft gegen das Schleppertum und das ist ein wichtiger Zischenschritt."
    Zuletzt weniger Flüchtlinge in Griechenland angekommen
    Ob es nun in erster Linie an diesem Deal liegt oder eher daran, dass die Westbalkan-Route geschlossen bleibt, einmal dahin gestellt – jedenfalls kamen zuletzt wesentlich weniger Flüchtlinge über die Ägäis aus der Türkei nach Griechenland. Was sich schnell ändern kann, sollte der Türkei-Deal platzen. Das könnte passieren, wenn die Türkei die ihr versprochene Visa-Freiheit nicht bekommt. Diese bis Juli umzusetzen, scheint allein zeitlich kaum noch machbar, denn das EU-Parlament ist dem Anliegen der EU-Kommission nicht gefolgt, schon mal mit den Beratungen zu beginnen, selbst wenn noch nicht das letzte aller insgesamt 72 Kriterien erfüllt ist. Oktober als mögliches Ziel-Datum ist ebenfalls nur erreichbar, wenn die Türkei auch ihre umstrittene Anti-Terror-Gesetzgebung ändert.
    Was sie nicht vorhat, jedenfalls nicht in der augenblicklichen Situation, sagte der türkische Europa-Minister Bozkir letzte Woche in Straßburg: "Mehr als 450 Sicherheitskräfte sind in der Türkei durch kurdischen Terror getötet worden und ein halbes Dutzend Selbstmordattentate hat stattgefunden, mit vielen Toten – in dieser Situation die Anti-Terror-Gesetze zu ändern ist komplett unmöglich." Und damit auch die von der EU beanstandete dehnbare Definition, was Terror und wer ein Terror-Unterstützer ist.
    Weiteres Thema: Visafreiheit
    Nicht nur mit der Türkei verhandelt die EU aktuell über Visafreiheit. Auch mit der Ukraine, Georgien und Kosovo. Die EU-Innenminister beraten heute über die Bedingungen, unter denen Visafreiheit zurückgenommen werden kann. EU-Kommissions-Vizepräsident Timmermans: "Wir haben vorgeschlagen, den Mechanismus zu stärken, nach dem Visa-Freiheit mit all jenen Ländern auch wieder ausgesetzt werden kann, für die Visumsfreiheit gilt."
    Wenn etwa der Zustrom illegaler Migranten sprunghaft zunimmt oder die grenzübergreifende organisierte Kriminalität. Deutschland und Frankreich hatten sich für eine Verschärfung der sogenannten "Suspendierungsklausel" stark gemacht. Manfred Weber hält das für richtig: "Wir brauchen auch Mechanismen, die klar machen, wenn die Türkei wieder vertragsbrüchig wird, werden auch wieder Visumsauflagen aufgebaut."