
Als mathematisches Mastermind des amerikanischen postmodernen Tanzes könnte man sie bezeichnen, aber das wäre nur die halbe Wahrheit über Trisha Brown. Die andere Hälfte der Definition ist weniger einfach zu liefern. Die mathematisch-minimalistische Seite an ihren Choreografien ist offensichtlich, sie spiegelt Browns Interesse an komplexen räumlichen und zeitlichen Strukturen, an geometrischen Figuren in Bewegung, an musikalischen und architektonischen Verfahren, angewendet auf Tanz. Die Ordnung, die durch die Anwendung von Kompositionsprinzipien geschaffen wird, macht die spezielle Schönheit der Choreografien Browns aus.
Man hat das Gefühl, man schaut einem sehr intelligenten künstlerischen Geist beim Lösen hochkomplexer selbstgestellter Probleme zu. Das kann dem richtigen Publikum ein größeres Vergnügen bereiten als irgendeine andere Form von Tanz, und Browns Meisterwerke sind darin vergleichbar mit Tänzen von Merce Cunningham oder George Balanchine. Die gestellten Probleme in diesen Stücken sind rein choreografischer Natur. Es geht nie darum zu zeigen, dass Figur A ein erfolgreicher Key Account Manager ist, aber an unglücklicher Liebe zu Figur B, einem erfolgreichen Digital Artist, leidet, übergewichtig wird, sich einen Hund anschafft und bei einem Unfall umkommt.
Minimalismus reich an Dynamik und Bewegung
Wie Balanchine oder Cunningham glaubt Brown nicht an Tänze solchen Inhalts.
Und doch gibt es da ja noch die 50 Prozent nennen wir es nicht mathematischen Anteils an der Faszination durch Stücke wie "Solo Olos" von 1976, "Son of Gone Fishin'" von 1981 oder "Present Tense" von 2003. Denn der Minimalismus Browns ist reicher an Bewegungsnuancen, an dynamischer Abwechslung und rhythmischer Komplexität als die meisten maximalistischen Aufführungen. Ihr Tanz ist präzise und jederzeit zu überraschenden Wendungen aufgelegt. So ernst es Brown mit dem entspannten, lässigen, femininen, luxuriös großzügigen Gestus ihrer Ästhetik meint, so spielerisch und witzig erlaubt sie sich in den Details zu sein. Es gefällt ihr zuallererst, ihren eigenen Geist zu befreien von konventionellen Ideen.
Und doch gibt es da ja noch die 50 Prozent nennen wir es nicht mathematischen Anteils an der Faszination durch Stücke wie "Solo Olos" von 1976, "Son of Gone Fishin'" von 1981 oder "Present Tense" von 2003. Denn der Minimalismus Browns ist reicher an Bewegungsnuancen, an dynamischer Abwechslung und rhythmischer Komplexität als die meisten maximalistischen Aufführungen. Ihr Tanz ist präzise und jederzeit zu überraschenden Wendungen aufgelegt. So ernst es Brown mit dem entspannten, lässigen, femininen, luxuriös großzügigen Gestus ihrer Ästhetik meint, so spielerisch und witzig erlaubt sie sich in den Details zu sein. Es gefällt ihr zuallererst, ihren eigenen Geist zu befreien von konventionellen Ideen.
Blicke des Einverständnisses über ihr gegenwärtiges Tun tauschen die Tänzer auf der Bühne. Kreuzen sich ihre Wege, geben sie einander oft Impulse weiter, reichen wie Staffelläufer den Stab eine Sequenz mit einem Lächeln an den nächsten weiter. Ihr Austausch, der in einem Anlehnen an den anderen oder einem Sich-Ihm-von-Oben-in-den-Weg-Werfen, in beiläufigen oder in spektakulären akrobatischen Handlungen bestehen kann, ist tief konzentriert und sachlich und zugleich überwältigend persönlich.Das alltägliche Gehen wirkt hier wie eine Meditation im Hexenkessel einer Großstadt. Diese Intensität und Individualität zieht sich durch Browns frühe wie durch ihre opulenteren, ausschweifenderen späten Werke. In der Akademie der Künste zeigte ihre Company auf ihrer Abschiedstournee einige der schönsten Beispiele. Der Witz des Spiels der weiß gekleideten Tänzer in "Solo Olos" von 1976 etwa besteht im Ausscheren aus Synchronen Sequenzen, darin, dass einer der Tänzer aus der ersten Reihe Ansagen macht - "Reverse, Reverse", und dass das Publikum über die eigene Unfähigkeit, diese rückwärts und vorwärts aneinander gereihten Bewegungen in Phrasen zu teilen wie Sätze verzweifelt.
In dem 1981 entstandenen "Son of Gone Fishin'" kapiert man sofort, dass ein strukturelles Geheimnis diesen komplizierten Gängen von sechs Tänzern zugrunde liegt, aber vor lauter Beobachtung ihrer exakten Wendungen, locker geschwungenen Arme und nonchalant in die Luft geworfenen Beine kommt man dem Genie Brown überhaupt nicht drauf. Wie, fragt man sich stattdessen, hat sie sich das überhaupt ausdenken können, und wie können die Tänzer das behalten, und wie erklärt es sich, dass das Ganze trotzdem die Schönheit und Ruhe einer Naturstudie ausstrahlt?
Das abschließende "Present Tense" von 2003 betonte genau wie das 2011 geschaffene Duett "Rogues", dass es möglich ist, in einer exakt reproduzierten künstlerischen Setzung größte individuelle Entfaltung als Tänzer beweisen zu können. Alle sehen aus wie sie selbst und machen etwas, in dem dieses Selbst Raum bekommt, alle sind zu 100 Prozent anwesend und gegenwärtig und erfüllt von der sich potenzierenden Energie. Das ist Tanz, wie er sein sollte, purer Tanz und zugleich mehr als das, das Leben selbst, und die Reflexion seiner Prozesse.