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Trotz Atomabkommen
Belgien hält an unsicheren Atommeilern fest

Die Sicherheit der belgischen Kernkraftwerke wird von den Nachbarländern angezweifelt. Immer wieder gibt es Pannenserien in den Atomkraftwerken Doel und Tihange. Heute hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ein Abkommen in Brüssel über die deutsch-belgische Zusammenarbeit in Fragen der nuklearen Sicherheit unterzeichnet. Der Grundsatzstreit ist damit aber nicht beigelegt.

Von Jörg Münchenberg | 19.12.2016
    Das belgische Atomkraftwerk Tihange
    Deutschland und die Niederlande forderten die belgische Regierung immer wieder auf die beiden störanfälligsten Reaktoren vom Netz zu nehmen. Bislang ohne Erfolg. (Deutschlandradio Kultur / Frederik Rother)
    Es ist ein Schritt in Richtung mehr Kooperation und Transparenz, auch wenn damit der Grundsatzstreit um die Sicherheit der belgischen Atomkraftwerke nicht gelöst werden kann. Trotzdem zeigte sich heute Umweltministerin Barbara Hendricks mit der Unterzeichnung des deutsch-belgischen Atomabkommens zufrieden:
    "Das Abkommen bildet eine verlässliche Grundlage für eine offene und kritische Diskussion zwischen Deutschland und Belgien über zentrale Fragen der nuklearen Sicherheit. Mit dem Nuklearabkommen erhält unsere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet eine neue, rechtlich bindende Qualität".
    Sowohl Belgien als auch Deutschland haben schon mit anderen Nachbarstaaten solche Abkommen abgeschlossen. Dabei geht es um den institutionalisierten Informationsaustausch. Die neue deutsch-belgische Kooperation soll im kommenden Jahr starten. An der nationalen Zuständigkeit für alle sicherheitsrelevanten Fragen in Sachen Atomkraft ändert sich jedoch auch mit der neuen Kommission nichts.
    Materialfehler in Reaktordruckbehältern
    Dabei hatte nicht zuletzt auch Hendricks immer wieder die Abschaltung der beiden pannenanfälligen Blöcke Doel 3 und Tihange 2 gefordert. Dort wurden 2012 und 2013 Materialfehler in den Reaktordruckbehältern festgestellt, die wiederum in der deutsch-belgisch-niederländischen Grenzregion für große Verunsicherung gesorgt haben. Auch aus Sicht von Hendricks gibt es zu den Materialfehlern im Stahl weiterhin viele offene Fragen:
    "Wir wissen, dass es dort eine Vielzahl von Haarrissen in den Reaktordruckbehältern gibt. Deswegen haben wir vorgeschlagen und auch darum gebeten oder aufgefordert – mehr können wir nicht - diese beiden Reaktorblöcke tatsächlich stillzulegen. Bis man noch einmal genauere Prüfungen hat machen können, ob die denn für alle denkbaren Möglichkeiten gerüstet sind. Da ist die belgische Regierung uns leider nicht gefolgt".
    Laufzeiten bis 2025 verlängert
    Im Gegenteil, die deutsche Forderung nach einer Abschaltung der beiden Blöcke hatte in Belgien mindestens für Erstaunen gesorgt. Die Atomaufsichtsbehörde FANC hatte mehrfach betont, dass Doel 3 und Tihange 2 internationalen Sicherheitsstandards entsprechen würden. Es gebe daher keinen Grund, die beiden Blöcke abzuschalten, betonte daher heute auch der belgische Innenminister Jan Jambon:
    "Trotz der vielen Gerüchte und dem, was die Menschen in der Grenzregion behaupten – wenn es irgendwelche Zweifel an der Sicherheit geben sollte, würden wir sofort die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Die Fanc ist hier zuständig und ich werde den entsprechenden Empfehlungen immer nachkommen. Und ich vertraue auf die Arbeit dieser unabhängigen Behörde".
    Kritiker werfen der belgischen Regierung jedoch vor, sie halte auch aus Versorgungsgründen an den beiden AKWs fest, deren Laufzeiten bis 2025 verlängert worden sind. Doel und Tihange erzeugen derzeit rund 25 Prozent des Strombedarfs in Belgien.
    Ab dem kommenden Jahr sollen jetzt aber erstmals auch deutsche Fachleute die beiden belgischen Meiler besuchen dürfen – nachdem sich belgische Experten bereits vor ein paar Wochen im AKW Mühlheim Kärlich umschauen konnten.