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Trump-Putin-Gipfel
Wiese: "Es ist gut, dass das Treffen stattfindet"

Der direkte Dialog zwischen Russland und den USA sei auch in deutschem Interesse, sagte der Russland-Koordinator der Bundesregierung, Dirk Wiese, im Dlf. Russland habe bei den Verhandlungen um ein Iran-Atomabkommen gezeigt, dass ein konstruktiver Dialog mit Moskau möglich sei. Trumps politisches Handeln sei unberechenbarer.

Dirk Wiese im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Dirk Wiese, Dirk Wiese, Russland-Beauftragter der Bundesregierung
    Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Wiese, sagt, es sei gut, einen offenen Dialog mit Russland zu führen (imago / xDorisxSpiekermann-KlaasxTSPx)
    Mario Dobovisek: Am Telefon begrüße ich Dirk Wiese, SPD-Politiker im Deutschen Bundestag und Russland-Koordinator der Bundesregierung. Guten Morgen, Herr Wiese.
    Dirk Wiese: Guten Morgen!
    Dobovisek: Aktivisten wurden in den vergangenen Wochen unterdrückt oder zumindest abgeschreckt. Gestern dann die Flitzer von Pussy Riot mitten im Finalspiel auf dem Fußballrasen. Was wird politisch von der Weltmeisterschaft in Russland bleiben?
    Wiese: Erst einmal muss man feststellen, dass die WM organisatorisch gut aufgestellt worden ist, dass wir auch keine großen Zwischenfälle letztendlich erlebt haben. Aber natürlich ist es auch weiterhin so, dass durch eine Weltmeisterschaft nicht alle politischen Schwierigkeiten und politischen Probleme letztendlich gelöst worden sind. Ich glaube, das kann man auch nicht erwarten, und von daher ist es jetzt wichtig, dass man auch jetzt weiterhin im Dialog bleibt und die Punkte, die für uns schwierig sind, die auch zum Beispiel die Haft des ukrainischen Regisseurs Oleg Sentsov betreffen, was ja viel in den letzten Tagen auch noch mal hier in der heimischen Presse angesprochen worden ist, dass wir auch diese Punkte weiter aufgreifen, unabhängig jetzt von der Weltmeisterschaft und dem Ausgang.
    "Einen offenen Dialog mit Russland zu führen"
    Dobovisek: Die Offenheit, mit der sich Putin und Russland gezeigt haben, ändert an dieser Lage also nichts?
    Wiese: Natürlich ist es erst einmal gut, wenn wir eine Weltmeisterschaft haben und viele ausländische Bürgerinnen und Bürger das Land bereisen. Auch in der Vorrunde waren 20 bis 25.000 deutsche Fans vor Ort gewesen, die sich einen Eindruck vom Land machen, die einfach ins Gespräch kommen mit einfachen russischen Bürgerinnen und Bürgern. Das ist natürlich erst mal grundsätzlich zu begrüßen. Aber natürlich ist es schon so, dass es einfach auch Fälle gibt - Sie haben die Menschenrechtssituation angesprochen - das betrifft nicht nur Oleg Sentsov, das betrifft auch den Fall Oyub Titiev der russischen Organisation Memorial, der im Nordkaukasus in Untersuchungshaft sitzt, oder des Regisseurs Kirill Serebrennikow.
    Das sind natürlich alles Fälle, die ein bisschen, sage ich mal, worüber während der Weltmeisterschaft vielleicht nicht berichtet worden ist, aber das sind natürlich auch immer wieder Punkte, die wir, auch wenn wir in Gesprächen mit der russischen Seite sind, ansprechen. Von daher: Gut, dass viele Leute Russland bereist haben, Russland kennengelernt haben, sich einen Eindruck verschafft haben, aber genauso wichtig ist es, bei den Punkten, wo wir einfach sagen, was aus unserer Sicht nicht in die richtige Richtung läuft, hier einen offenen Dialog mit Russland zu führen.
    Dobovisek: Halbfinale, Finale – bei solchen Spitzenspielen erwarten viele Rückhalt auch aus der Politik, einen Stadionbesuch der Kanzlerin zum Beispiel. Es kam ja am Ende anders, wie wir wissen. Sind Sie ganz froh darüber, dass Deutschland früh ausgeschieden ist und die Bundesregierung um eine Boykott-Debatte herumgekommen ist?
    Wiese: Aus rein sportlicher Sicht nein, definitiv nicht.
    Dobovisek: Und aus politischer?
    Wiese: Ich habe mich, ehrlich gesagt, ich sage es ihnen ganz offen, natürlich gefreut über das Tor in der letzten Minute gegen Schweden von Toni Kroos, und war dann, glaube ich, wie alle Fußball-Fans in Deutschland enttäuscht bei diesem Spiel gegen Südkorea. Und wenn man fußballbegeistert ist, dann wünscht man sich letztendlich, dass die eigene Mannschaft weit kommt in diesem Turnier.
    Dobovisek: Nun sind Sie aber auch Politiker.
    Wiese: Absolut! Ich glaube, wenn die deutsche Mannschaft ins Halbfinale oder Finale gekommen wäre, dann wäre auch letztendlich die Frage gewesen, wer von der Bundesregierung reist. Da hätte man dann auch eine vernünftige Entscheidung getroffen. Aber wir müssen uns eingestehen: Es ist leider nur Spekulation, weil wir in der Vorrunde verdient ausgeschieden sind.
    Dobovisek: Mit Spekulationen machen wir an dieser Stelle weiter, denn wir wollen auch vorausblicken auf das große Gipfeltreffen heute zweier starker Männer mit großem Ego. In dieser Politikauffassung sind sich Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump jedenfalls sehr ähnlich. Beide treffen sich heute Mittag in Helsinki auf neutralem Boden, könnte man sagen. Welche Erwartungen haben Sie aus Sicht der Bundesregierung an dieses Treffen?
    Wiese: Es ist natürlich schwierig, jetzt mit Erwartungen heute Morgen zu gehen, weil die konkreten Gipfelergebnisse und die Bewertung dessen und die Analyse werden wir erst im Laufe des Tages haben, wenn diese dann auch vorliegen.
    "Es ist immer gut, dass man miteinander spricht und nicht übereinander"
    Dobovisek: Nennen wir es Hoffnung.
    Wiese: Nein, ich würde es erst mal anders sagen. Es liegt in unserem Interesse, auch der Bundesrepublik, dass sich die USA und Russland austauschen. Denn es ist immer gut, dass man miteinander spricht und nicht übereinander. Wir haben auch immer gesagt, dass wir einen Dialog mit Russland brauchen. Von daher ist es erst mal gut, dass das Treffen stattfindet. Bisher haben sich beide ja nur auf zwei Gipfeln kurz getroffen. Es hat kurze Gespräche gegeben. Von daher ist es erst mal gut, dass man sich trifft, dass man sich austauscht und wie gesagt miteinander redet und nicht übereinander. Das was letztendlich an Erwartungen im Hinblick auf die Ergebnisse des Treffens heute ist, ich glaube, da müssen wir uns ein bisschen gedulden und einfach den heutigen Tag abwarten, was letztendlich herauskommt.
    Aber es gibt natürlich eine Vielzahl von Themen, die zu besprechen sind. Das betrifft die Situation in Syrien, das betrifft natürlich auch die Situation in der Ostukraine, Fragen rund um das Thema Abrüstung. Ich glaube, das Treffen, was ungefähr für vier Stunden heute angesetzt ist, hat eine Vielzahl von Themen. Aber in der Bewertung, da halten wir uns natürlich noch etwas zurück und warten erst mal, was rauskommt.
    Dobovisek: Jetzt war im Vorfeld ja eine ganze Menge zu hören und zu lesen, vor allen Dingen aus Richtung Washington, aus Richtung Donald Trump. Der sagt, Deutschland sei ein Gefangener Russlands. Das hat die Bundesregierung ja schon zurückgeworfen. Jetzt legt er noch mal nach und sagt zum Beispiel, die EU sei ein Gegner in Handelssachen. Das wird auch heute Morgen teilweise mit Feind übersetzt, was ein bisschen schwierig ist in diesem Zusammenhang. Aber gerät Deutschland, gerät Europa da möglicherweise zwischen zwei dicke Elefanten, um zerquetscht zu werden?
    Wiese: Ich glaube, dass man natürlich in den letzten Tagen auch beim NATO-Gipfel schon gesehen hat, dass wir leider auf Seiten der USA eine gewisse Unberechenbarkeit im politischen Handeln bei Trump feststellen. Wer seine Partner wie auf dem NATO-Gipfel durch entsprechende Äußerungen so vor den Kopf stößt, der verspielt natürlich, ehrlich gesagt, auch an vielen Stellen etwas Vertrauen und schadet am Ende letztendlich sich selbst. Wenn Sie das Beispiel der Handelsbeziehungen nehmen: Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten sind einer der größten Handelspartner, die wir letztendlich haben, und das ist für beide Seiten eine Win-Win-Situation. Die deutsche Wirtschaft ist in vielen Bundesstaaten in den Vereinigten Staaten der größte Arbeitgeber. Hier, glaube ich, muss man manchmal auch mit Blick auf die US-Seite noch mal deutlich machen, wie eng die wirtschaftlichen Verflechtungen sind.
    Man kann nicht eine vernünftige und berechenbare Politik machen, wenn man immer seine Äußerungen zugespitzt über Twitter formuliert, und ich glaube, da muss man einfach an vielen Stellen auch gegenüber der US-Seite noch mal deutlich machen, wie wichtig diese Beziehungen sind, wie vertieft die sind, gerade was wirtschaftliche Fragen anbelangt. Darum kann man manches auch nur mittlerweile mit ein bisschen Kopfschütteln betrachten.
    Dobovisek: Ist Wladimir Putin aus Ihrer Sicht der berechenbarere Partner?
    Wiese: Ich glaube, wir haben auch mit der russischen Seite keine einfache Zeit. Wir haben Themen, wo wir mit der russischen Seite definitiv unterschiedlicher Auffassung sind. Das betrifft die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, das betrifft den fehlenden Fortschritt im Minsker Friedensprozess, wo wir jetzt durch die Initiative von Außenminister Maas im Normandie-Format wieder langsame Fortschritte erleben, auch die Diskussion über eine UN-Friedensmission für den Donbass. Aber wir sehen auch bei der russischen Seite, dass man mit der russischen Seite konstruktiv im Dialog stehen kann. Ich gebe Ihnen das Beispiel des Iran-Atomabkommens, das von den USA unilateral gekündigt worden ist. Hier haben sowohl die Europäische Union als auch Russland ein gemeinsames Interesse. Das ist mit beiden sicherlich nicht einfach in der derzeitigen Situation und von daher schauen wir wie gesagt heute gebannt auf das, was bei diesem Treffen rauskommen wird.
    Dobovisek: Vor allem die Ukraine, für die Sie ja auch zuständig sind, Herr Wiese, blickt deshalb mit Sorge dem Gipfel entgegen. Man befürchtet nämlich, Trump könnte im Vorbeigehen die Annexion der Krim-Halbinsel durch Russland akzeptieren. Wie dick sind in dieser Sache die deutschen roten Linien?
    Wiese: Ich will jetzt mal nicht spekulieren und irgendwelche roten Linien ziehen, sondern will erst einmal das Treffen abwarten. Aber durch die Initiative von Bundesaußenminister Maas treffen sich im Rahmen des Normandie-Formats wieder die Außenminister Russlands, der Ukraine, Frankreichs und Deutschlands, um Fortschritte im Minsker Friedensprozess hinzubekommen. Es wird wieder darüber diskutiert, ob man möglicherweise eine UN-Friedensmission in die Ostukraine schickt. Das ist auch eines der Themen, die wir sicher jetzt als nicht ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat …
    "Die Situation auf der Krim ist für uns ein absoluter Verstoß gegen völkerrechtliche Regeln"
    Dobovisek: Trotzdem, Herr Wiese, waren wir gerade bei der Krim, und die Frage ist, ob Deutschland jemals die Annexion anerkennen könnte.
    Wiese: Die Situation auf der Krim und das, was dort passiert ist, ist für uns ein absoluter Verstoß gegen jedwede völkerrechtlichen Regeln, die gemacht worden sind. Und es ist übrigens auch ein klarer Verstoß gegen das, was 1975 im Rahmen der KSZE-Schlussakte in Helsinki vereinbart worden ist, dort wo auch heute das Treffen stattfindet. Von daher: Das was auf der Krim stattfindet, ist völkerrechtswidrig gewesen und verstößt eigentlich gegen alles, was, sage ich mal, von Brandt und Bahr im Rahmen der Ost-Entspannungspolitik in Helsinki damals und der Bestätigung in Paris 1990 auf den Weg gebracht worden ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.