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Trumps Außenpolitik
Kissinger meldet sich zu Wort

Im Wahlkampf hat Donald Trump viel von Abschottung und Protektionismus gesprochen. Ex-Außenminister Henry Kissinger hofft, dass der zukünftige Präsident trotzdem eine traditionelle Außenpolitik vertreten wird. Doch obwohl er Trump in diesen Fragen beraten hat, weiß er nicht, wie wahrscheinlich das ist.

Von Marcus Pindur | 21.11.2016
    Henry A. Kisinger, ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater
    Henry Kissinger hofft, dass Donald Trump sich in traditionelle außenpolitische Gewässer begeben wird. (dpa / picture alliance / Ron Sachs)
    Henry Kissinger ist Republikaner. Aber er gehört dem überparteilichen außenpolitischen Establishment an. Zu dessen Konsens gehört es, dass das globale Engagement der USA eine Voraussetzung von relativer internationaler Stabilität als auch relativer nationaler Sicherheit und Prosperität der USA ist. Diesen Konsens hat Donald Trump aufgekündigt – zumindest in seinen Wahlkampfreden. Kissinger warnt jetzt davor, Trump darauf festzunageln – man müsse ihm Gelegenheit geben, sich wieder in traditionellere außenpolitische Gewässer zu begeben. Trump sei im Prozess, von einem Wahlkämpfer zu einem Strategen zu werden.
    "Wir sollten uns nicht über Gebühr an dem aufhalten, was Trump im Wahlkampf gesagt hat. Wir sollten ihn nicht darauf festnageln. Wenn er allerdings an diesen Positionen festhält, dann wird es Streit geben. Wenn er ein anderes außenpolitisches Programm entwickelt und nicht auf seinen Wahlkampfparolen beharrt, dann sollten wir uns auch nicht daran aufhalten."
    Mit anderen Worten: Kissinger hofft, dass Trumps außenpolitisches Wahlkampfgetöse eben nur Wahlkampfgetöse war, und dass er nun auf eingefahrene Wege zurückkehre. Doch wie wahrscheinlich das ist, weiß auch Kissinger nicht. Zumal Trump seit Jahrzehnten immer wieder die Bündnissysteme und die internationale Verflechtung der USA kritisiert hat.
    Mögliche Annäherung an Russland
    Eine Annäherung an Russland hält auch Kissinger dagegen für möglich. Es gehe darum, Putins Verlustkomplex, den Verlust des Sowjetimperiums, ernst zu nehmen. Wie dies angesichts der Tatsache gehen soll, dass viele osteuropäische Länder nach 40 Jahren Sowjetherrschaft ihr Heil unter allen Umständen im Westen suchen und eine Bedrohung durch Russland sehr ernst nehmen, ließ Kissinger offen.
    Trumps Wahlkampf sei einzigartig gewesen, und er habe vermocht, die Globalisierungsverlierer anzusprechen. Denen habe man sonst zu wenig Aufmerksamkeit zugewandt. Trumps einfachen Rezepten im Wahlkampf – Abschottung, wirtschaftlicher Nationalismus und Kappung von Bündnisverpflichtungen – stimmt Kissinger nicht zu. Es gehe jetzt darum, die Globalisierungsskeptiker unter Trumps Wählern einzubinden und mitzunehmen.
    "Die Kunst ist es, jetzt eine nachhaltige politische Strategie zu entwickeln. Trump muss auf die Globalisierungsverlierer zugehen. Aber er kann dies verbinden mit den traditionellen Mitteln und Zielen amerikanischer Außenpolitik. Denn, bei aller Kritik: Seit dem Zweiten Weltkrieg sind Freiheit und Frieden zu einem großen Teil von den USA bewahrt worden. Und das muss beibehalten werden. Unter anderen Bedingungen und in einem anderen Kontext, und vielleicht etwas zurückhaltender als in der Vergangenheit."
    Besorgniserregende Personalentscheidungen Trumps
    Ob Trump die internationale Rolle und Verantwortung der USA komplett loswerden, oder ob er eine graduelle Neujustierung will, in der die Verbündeten mehr Verantwortung übernehmen, ist noch nicht klar. Seine bisherigen außen- und sicherheitspolitischen Personalentscheidungen sind jedenfalls besorgniserregend. Die Töne, die er im Wahlkampf von sich gegeben hat, sollten dazu führen, dass die Europäer größere Anstrengungen unternehmen, auf eigenen Füßen zu stehen.