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Trumps "Kriegserklärung" per Tweet
"Es passt ins Bild, sich als starker Mann zu gerieren"

Die "großmäulige Politik" Donald Trumps diene vor allem den Interessen der eigenen Wählerschaft, meint Rüdiger Lentz, Direktor des Aspen Institute Deutschland. Im internationalen Gefüge sei sie jedoch "hoch explosiv", sagte er im Dlf. Er hält einen Militärschlag der USA in Syrien noch immer für möglich.

Rüdiger Lentz im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 12.04.2018
    US-Präsident Donald Trump spricht mit erhobener Hand
    US-Präsident Donald Trump mit führenden Funktionären im Weißen Haus (imago/Mediapunch)
    Tobias Armbrüster: Am Telefon ist jetzt Rüdiger Lentz. Er ist Direktor des Aspen Institute Deutschland. Das ist ein Think Tank in Berlin, der vor allem die amerikanische Politik im Fokus hat. Schönen guten Tag, Herr Lentz.
    Rüdiger Lentz: Guten Tag, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Lentz, müssen wir heute im Jahr 2018 froh sein, dass es zu Zeiten des echten Kalten Kriegs Twitter noch nicht gegeben hat?
    Lentz: Das ist mit Sicherheit eine Überlegung wert. Der Kalte Krieg war, wenn wir die heutigen Entwicklungen ansehen, sehr viel stabiler. Wir hatten auf beiden Seiten kalkulierbare Großmächte, die sich zwar waffenstarrend gegenüberstanden, aber offensichtlich zumindest auf der Basis der Rationalität versucht haben, miteinander umzugehen, und genau das ist jetzt nicht mehr der Fall.
    Armbrüster: Erkennen Sie denn irgendeine Strategie bei Donald Trump in diesen Tagen?
    Lentz: Ich glaube, die Frage stellen sich viele, und keiner hat darauf eine schlüssige Antwort. Man hat eher den Eindruck, das ist keine Strategie, in Amerika würde man sagen, das ist eine Politik des big mouth, eine großmäulige Politik, die sehr stark den Interessen der eigenen Wählerschaft dient, die nach innen gerichtet ist nach dem Motto America first, wir lassen uns nicht vorführen, wir sind stark. Aber im internationalen Gefüge und in der internationalen Politik ist natürlich diese eskalationsbereite und zum Teil auch irrationale Politik hoch explosiv, hoch gefährlich, und genau das ist, was wir alle befürchten.
    Beitrag zu einer Konflikteskalation
    Armbrüster: Sie führt allerdings auch, das muss man sagen, immer wieder zu Erfolgen. Donald Trump hat es erlebt, zum Beispiel mit der Androhung von Strafzöllen, dass dann auf einmal, wenn er da große Worte riskiert, die Leute, seine Gegner doch plötzlich gesprächsbereit werden. Könnte das nicht auch hier im Fall Syrien der Fall sein?
    Lentz: Der Fall liegt insofern etwas anders: Er hat es hier mit zwei Gegnern zu tun. Einerseits dem Assad-Regime, dem er völlig zurecht Völkermord vorwirft und den Einsatz von Giftgas, und andererseits mit Russland, die direkt involviert sind in der Region und Assad stützen. Insofern trägt er hier direkt zu einer Konflikteskalation bei, die möglicherweise außer Kontrolle geraten kann.
    Wen will er damit beeindrucken? Will er Russland zwingen, sich auf seine Seite zu schlagen und Assad aufzugeben? Ich glaube, das wird er nicht erreichen, und von daher ist es eine Strategie, die schon von Anfang an zum Misserfolg verurteilt ist. – Oder will er Assad beeindrucken? Dann ist die Frage, wie kann er ihn beeindrucken. Indem er einen Flugplatz angreift? Das hat er im letzten Jahr getan und wir haben es eben gehört: Danach erfolgte nichts und es hat sich nichts geändert. Man muss sich also die Frage stellen: Ist das eine Strategie? Und die Antwort kann nur lauten: Nein!
    Armbrüster: Was glauben Sie denn dann, was könnte in den kommenden Stunden oder Tagen passieren?
    Lentz: Nun, wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass heute Nachmittag wohl noch mal ein nochmaliges Treffen mit seinen militärischen oberen Rängen, den Generälen und auch General Mattis und dem Verteidigungsminister stattfinden soll. Ich denke, da werden andere Optionen auch noch erwogen. Man kann ja nicht nur über Raketenangriffe nachdenken; man kann auch über das Ausschalten von Kommunikationszentren nachdenken. Man kann über Angriffe auf Einrichtungen der zivilen Versorgung nachdenken, die wichtig sind für die Aufrechterhaltung der zivilen Versorgung in Syrien, und damit das Regime Assad stärken oder aufrecht erhalten. Aber alles das sind Optionen, die eskalationsfähig sind und die Eskalation mit sich bringen können. Er hat eine Drohung ausgesprochen und jetzt ist die Frage, kann er sie zurückziehen ohne Gesichtsverlust, und ich glaube, das ist genau das, was uns und die Amerikaner in den nächsten Stunden beschäftigen wird.
    Armbrüster: Das ist genau der Punkt. Sie meinen, folgen muss auf jeden Fall jetzt irgendwas. Einen Rückzieher machen, das wäre eigentlich für ihn unmöglich?
    Lentz: Wenn man an den Wahlkampf denkt, dann weiß man, dass Trump natürlich Obama zum Beispiel seine Red-Flag-Politik und die dann nicht eingehaltene Drohung immer vorgeworfen hat, und insofern, glaube ich, sieht er sich jetzt genau mit derselben Frage konfrontiert: Was tut er jetzt? – Und da wir wissen, dass er risikobereit ist und bis zu einem bestimmten Grade auch unkalkulierbar ist, ist in der Frage möglicherweise dann doch ein Militärschlag das Nächstliegende und das, was in den nächsten Stunden passieren kann.
    Drehen an der Eskalationsschraube
    Armbrüster: Sie haben das Treffen heute Nachmittag in Washington erwähnt. Was sagt uns diese ganze Episode? Was sagen uns die vergangenen Tage über die politischen Berater, mit denen sich Donald Trump inzwischen umgibt?
    Lentz: Nun, er braucht sie auf der einen Seite, und er tut es natürlich, weil er weiß, dass das auch nach außen hin ihm zumindest die Aura gibt, ich bin niemand, der ganz allein entscheidet. Aber letztlich ist er es, der allein entscheidet, und insofern ist die Frage nicht zu stellen, ob die Berater ihn davon abhalten können, sondern die Frage ist zu stellen, ob er nicht letztendlich dann doch an der Eskalationsschraube weiterdreht und das Ganze in einem Militärschlag gegen Syrien endet.
    Armbrüster: Inwiefern wird er in dieser ganzen Sache getrieben von der amerikanischen Innenpolitik? Da steht er ja zurzeit auch massiv unter Druck.
    Lentz: Nun, Amerika hat in solchen Krisensituationen natürlich immer auch in der Vergangenheit – denken Sie an die Kuba-Krise; auch das war eine Eskalationsspirale bis zu einem bestimmten Punkt, wo damals sowjetische Aktionen und die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Kuba zu einer Gegenreaktion Kennedys geführt hat - klassisches Beispiel, wenn auch anders gelagert. Die Frage ist, Amerika ist natürlich herausgefordert, einerseits durch die russische Beteiligung am Syrien-Konflikt, auch durch die russische Rolle dort, und dann auch durch die Menschenrechtsverletzungen und durch den Massenmord, der ja auch international von allen gebrandmarkt wird. Da sieht sich ja Trump nicht alleine in seiner Verurteilung. Nur die Frage ist: Welche Mittel bleiben dem Westen, welche Mittel bleiben Amerika, dort einzugreifen, ohne größeres Unheil und eine Eskalation des Konflikts zu riskieren beziehungsweise zu vermeiden.
    Armbrüster: Das heißt, Sie sehen das Ganze als tatsächlich isoliert außenpolitische Angelegenheit? Mit seinen innenpolitischen Schwierigkeiten – ich nenne als Stichwort die Affäre rund um Stormy Daniels – hat das Ganze nichts zu tun?
    Lentz: Naheliegend könnte es schon sein. Es passt einfach jetzt ins Bild, sich als starker Mann zu gerieren, wenn er gleichzeitig juristisch und was seine engsten Berater anbetrifft und seinen Rechtsanwalt anbetrifft unter Druck gerät. Das ist das berühmte Beispiel, das hat es auch vor Jahrzehnten oder vor Jahren schon gegeben, als Clinton einmal eine Fabrik im Sudan hat bombardieren lassen, als er gerade in Schwierigkeiten mit Monica Lewinsky war. Das ist nicht auszuschließen und ich denke mal, es liegt nahe zu vermuten, dass es da auch eine Verbindung gibt.
    Keine westliche Strategie gegenüber Syrien
    Armbrüster: Was glauben Sie, was können die Verbündeten der USA in dieser Situation machen, Deutschland, Großbritannien, Frankreich? Haben die irgendwas zu sagen?
    Lentz: Reden wir zunächst einmal von Frankreich und Großbritannien, die sich ja beide schon geäußert haben und sich auch bereit erklärt haben, eventuell mitzuwirken. Bei Frau May liegt auch hier der Gedanke nahe, dass man ablenken will von innenpolitischen Schwierigkeiten. Bei Macron ist es die Frage, welche Rolle spielt Frankreich auf der internationalen und globalen Bühne. Und bei den Deutschen muss man dazu sagen, dass sie sich bisher zurückgehalten haben. Das ist sicherlich auch richtig und gut so. Aber insgesamt muss man leider bedauernd feststellen, dass es keine westliche Strategie gegenüber Syrien gibt, und das schließt die Europäer leider auch mit ein.
    Armbrüster: … sagt hier bei uns im Deutschlandfunk Rüdiger Lentz, der Direktor des Aspen Institute in Berlin. Vielen Dank, Herr Lentz, für Ihre Zeit an diesem Donnerstagmittag.
    Lentz: Danke schön! Gleichfalls.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.