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Tschechien
Regierung mit Verfallsdatum

Tschechien hat nach monatelangem Machtpoker zwischen Präsident Milos Zeman und Ministerpräsident Bohuslav Sobotka eine neue Regierung. Beobachter rechnen jedoch nur mit einer kurzen Lebensdauer der Mitte-links-Koalition, da die Parteien weder ideologisch noch inhaltlich übereinstimmen.

Von Stefan Heinlein | 29.01.2014
    Milos Zeman übergibt Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) die Ernennungsurkunden
    Bereits am 17.1.2014 hatte Präsident Milos Zeman (r.) Bohuslav Sobotka zum Ministerpräsidenten ernannt (dpa/picture alliance/Bohuslav Sobotka )
    Das Schaulaufen auf der Prager Burg ist zu Ende. Der Reihe nach mussten die Ministerkandidaten zum Rapport beim Präsidenten. In Einzelgesprächen prüfte Milos Zeman die künftigen Ressortchefs auf Herz und Nieren:
    "Der Präsident muss die Vorschläge des Ministerpräsidenten nicht automatisch abnicken. Ich habe deshalb die Minister auf ihre fachliche Qualifikation geprüft."
    Während einige der Kandidaten mit kleinen Geschenken versuchten, den Präsidenten milde zu stimmen, absolvierten andere die mündliche Prüfung mit ironischer Distanz. Der künftige Verteidigungsminister Martin Stropnicky galt im Vorfeld als einer der Wackelkandidaten.
    "Der Herr Präsident hat mich gefragt, wie viele Panzer wir besitzen. Ich habe die Zahl gewusst und deshalb eine Eins bekommen. Wir haben ganz nett geplaudert."
    Der Demokratie geschadet
    Doch vielen Tschechen bleibt inzwischen das Lachen im Halse stecken. Eine wachsende Mehrheit hat genug von den präsidialen Ränkespielen. Sie kritisieren die wochenlange Verzögerungstaktik von Milos Zeman. Er habe damit versucht, seinen Einfluss auf die Tagespolitik zu stärken, so der Verfassungsjurist Jan Wintr:
    "Die bisherige Übergangsregierung hatte nicht den Rückhalt des Parlamentes, sondern war allein abhängig vom Präsidenten. Milos Zeman hat diesen Zustand immer wieder bewusst verlängert und damit der Demokratie in Tschechien geschadet."
    Doch im knallharten Machtpoker mit dem Präsidenten hatte Bohuslav Sobotka am Ende die besseren Karten. Seine Drohung einer Klage vor dem Verfassungsgericht zeigte Wirkung. Drei Monate nach der Wahl kann die Mitte-links-Koalition aus Sozialdemokraten, der Protestpartei ANO und den Christdemokraten mit ihrer Arbeit beginnen. Nach den schweren innenpolitischen Turbulenzen der letzten Monate kehrt Tschechien damit zurück auf die internationale Bühne, so der Ministerpräsident:
    "Zweifellos haben wir in den vergangenen Jahren in Europa keine Rolle gespielt. Das Ziel meiner Regierung ist die Rückkehr an den europäischen Verhandlungstisch. Dort geht es auch um unsere eigene Zukunft."
    Mühsame Koalitionsverhandlungen
    Doch während die neuen sanften Töne für Brüssel von allen drei Koalitionsparteien angestimmt werden, könnte es daheim in Prag schon bald zu Missklängen kommen. Schon während der mühsamen Koalitionsverhandlungen zeigten sich erste Risse. Viele Streitpunkte wurden lediglich vertagt, erklärt der Politikwissenschaftler Tomas Lebeda:
    "Die Parteien sind weder ideologisch noch inhaltlich auf einer Linie. Die Sozialdemokraten sind sehr weit links, die Christdemokraten dagegen eine stark konservative Kraft und die Protestpartei ANO hat kein klares Profil. Das ist sehr problematisch."
    Die meisten Beobachter rechnen deshalb nur mit einer kurzen Lebensdauer der neuen Mitte-links-Regierung. Die politische Instabilität gehört zur Geschichte der jungen tschechischen Demokratie. Seit der Samtenen Revolution '89 überstand bisher nur eine Regierung die volle Legislaturperiode. Präsident Milos Zeman könnte deshalb schon bald erneut die Zügel der Macht in Tschechien übernehmen.