Donnerstag, 28. März 2024

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Tsipras in Nordmazedonien
"Es geht um mehr als nur Symbolik"

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras reist zu seinem Amtskollegen nach Nordmazedonien. Dabei stehe die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit im Fokus, sagte der Journalist Jannis Papadimitriou im Dlf. Eine Entwicklung, die während des Namensstreits undenkbar gewesen wäre.

Jannis Papadimitriou im Gespräch mit Frederik Rother | 02.04.2019
Prespes, Griechenland: Alexis Tsipras (rechts), griechischer Ministerpräsident, und Zoran Zaev, sein mazedonischer Amtskollege, jubeln nach der Unterzeichnung eines bilateralen Abkommens. Mit der Vereinbarung soll der Namensstreit zwischen den zwei Nachbarländern beigelegt werden. Die an Mazedonien grenzende griechische Provinz trägt den gleichen Namen.
Der griechische Premierminister Alexis Tsipras (rechts) mit seinem mazedonischen Amtskollegen Zoran Zaev bei der Unterzeichnung des Abkommens, mit dem der Namensstreit beigelegt werden soll (Yorgos Karahalis/AP/dpa)
Frederik Rother: Griechenlands Premier Alexis Tsipras reist zum ersten Mal nach der Namensänderung nach Nord Mazedonien. Warum kommt Tsipras gerade jetzt nach Skopje?
Jannis Papadimitriou: Na ja, natürlich will Premier Tsipras erst einmal ein Signal setzen: 'Schaut her, es funktioniert!' lautete die Botschaft. Aber es geht um mehr als nur um Symbolik. Tsipras und Zaev wollen über eine Zusammenarbeit im Bereich Verteidigungs- und Sicherheitspolitik sprechen, bis vor wenigen Wochen noch undenkbar. Und in diesem Zusammenhang könnte Griechenland schon einiges leisten. Etwa bei der Ausbildung von Armeeoffizieren aus Skopje oder auch bei der Überwachung des Luftraums dort. Und dann geht es natürlich um wirtschaftliche Zusammenarbeit. Tsipras kommt mit einer für griechische Verhältnisse riesigen Delegation nach Skopje, da könnte vielleicht das eine oder andere Projekt rausspringen.
"Die Frage ist: Hält sich Nordmazedonien an das Abkommen?"
Rother: Seit wenigen Wochen heißt Mazedonien offiziell Nordmazedonien. Damit wurde ein jahrzehntelanger Konflikt beigelegt. Wie sind denn die Beziehungen beider Länder inzwischen?
Papadimitriou: Es gibt eine gewisse Normalität, zumal in Athen die konservative Opposition versichert, sie werde das Abkommen auch nach einem Regierungswechsel nicht in Frage stellen, das ist wichtig. Denn eigentlich ist Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis gegen das Abkommen. Ursprünglich hatte man auch den Eindruck, er wollte das Thema gehörig ausschlachten, denn in Athen wird spätestens im Herbst ein neues Parlament gewählt. Mittlerweile gibt er sich moderat und die wichtigste Frage lautet nun aus griechischer Sicht, ob die andere Seite am Abkommen festhält. Das heißt, ob der Name Mazedonien durch Nordmazedonien ersetzt wird, nicht nur auf dem Staatswappen, sondern auch auf allen amtlichen Dokumenten.
Rother: Sie haben es kurz erwähnt, es gab in Griechenland viel Protest gegen das Namensabkommen mit Nordmazedonien. Wie wird in Griechenland über Tsipras' Besuch beim Nachbarn berichtet und diskutiert?
Papadimitriou: Regierungsnahe Medien sehen natürlich eine neue Zeit in den bilateralen Beziehungen, aber auch neutrale Beobachter sprechen von einem historischen Besuch. Wirtschaftskontakte gab es eigentlich immer zwischen beiden Ländern. Schon heute ist Griechenland für Nordmazedonien der zweitgrößte Handelspartner, Deutschland ist auf Platz eins. Also die Wirtschaft hat eigentlich schon geliefert. Aber dass Griechenland eine Botschaft in Skopje eröffnet, dass eine Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich zustande kommt, das ist natürlich einen ganz neue Dimension.
"Die Sorge vor mazedonischen Gebietsansprüchen ist noch da"
Rother: Eine große Angst vieler Griechinnen und Griechen war ja, dass Mazedonien, zumindest mit dem alten Namen, Gebietsansprüche auf die gleichnamige griechische Provinz erheben könnte. Sind diese Sorgen und ist auch der Widerstand gegen das Abkommen inzwischen verschwunden?
Papadimitriou: Verschwunden würde ich nicht sagen. Freilich geht man nicht davon aus, dass in Skopje Regierungschef Zaev Ansprüche gegen Griechenland stellt, aber man fragt sich, was passiert nach einem möglichen Regierungswechsel? Wenn in Skopje wieder mal eine ultrakonservative Regierung an die Macht kommt, hat man die Ewiggestrigen dann weiterhin im Griff? Würde die EU in diesem Fall ihren Einfluss geltend machen oder einfach wegschauen? Also eine gewisse Sorge ist immer noch da, aber sie ist mit Sicherheit nicht so stark wie in den 90er Jahren, als Millionen Griechen auf die Straße gegangen sind, um gegen einen Kompromiss im Namensstreit zu protestieren.
Rother: Ich habe gelesen, dass es in der nordgriechischen Provinz Mazedonien nach wie vor Stimmen gibt, die Angst haben, dass Mazedonien Gebietsansprüche stellt, dass es dort Widerstand gibt gegen das Abkommen. Könnte das nochmal übergreifen auf den Rest Griechenlands?
Papadimitriou: Das kann ich mir nicht vorstellen. Es gibt zwar immer noch Lokalpatrioten, die sich dagegen stemmen, zum Beispiel Michalis Zorpidis, der Chef der dortigen Handelskammer, der Handelskammer von Thessaloniki. Er hat seine Teilnahme an der Wirtschaftsdelegation von Tsipras mit der Begründung abgelehnt, der Name Mazedonien sei heilig, er würde alles dagegen tun, dass das Nachbarland diesen Namen führt. Aber ich denke, das ist eher die Meinung einer Minderheit im Moment und sie wird nicht auf das ganze Land übergreifen.
Reger Austausch zwischen beiden Ländern
Rother: Wenn wir noch mal kurz nach vorne schauen, welche gemeinsamen Ziele verfolgen Griechenland und Nordmazedonien jetzt?
Papadimitriou: Nun, man darf nicht vergessen, dass es bei allen Schwierigkeiten in den letzten Jahren auch einen regen Geschäftsverkehr zwischen beiden Ländern gab. Viele Menschen aus Nordmazedonien verbringen ihren Urlaub im Nachbarland, unter ihnen übrigens auch Regierungschef Zaev. Manche studieren in Thessaloniki, in der Hauptstadt der griechischen Region Makedonien. Viele Griechen fahren am Wochenende nach Skopje zum Tanken oder Einkaufen, also man hat nicht wirklich das Gefühl, auf feindlichem Boden zu stehen. Es wäre spannend zu sehen, was passiert, wenn irgendwann eine Euro-Region an der Grenze oder am Dreiländereck entsteht, Albanien ist auch nicht weit. Aber das ist natürlich noch Zukunftsmusik.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.