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TTIP-Handelsabkommen
"So wird das nichts"

Er glaube nicht, dass es in den Verhandlungen mit den USA über das Handelsabkommen TTIP noch zu einem Abschluss komme, sagte der Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Europas, Achim Post, im DLF. Es reiche nicht, wenn sich US-Präsident Barack Obama dafür einsetze, "aber seine Verhandlungsführer nichts dafür tun".

Achim Post im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 16.07.2016
    Post steht lächelnd vor einer weißen Wand und scheint mit jemandem zu sprechen.
    Achim Post, Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Europas. (dpa/ Heinl)
    Jürgen Zurheide: Das große Zerren um den Freihandel, es geht weiter. In Brüssel ist bis gestern verhandelt worden, und am Ende haben die Verhandlungspartner, also die Amerikaner auf der einen Seite, die Europäer auf der anderen Seite gesagt, ja, wenn wir denn wollen, können wir das bis Ende des Jahres schaffen. Unter der Woche kamen andere Nachrichten, zumindest aus der sozialdemokratischen Partei in Deutschland, die da lauten, TTIP ist tot, ein totes Pferd kann man nicht weiter reiten. Wir wollen heute Morgen fragen, was denn da richtig ist, und dazu begrüße ich am Telefon Achim Post von der SPD im Bundestag und sage erst mal, guten Morgen, Herr Post!
    Achim Post: Schönen guten Morgen, ich grüße Sie!
    Zurheide: Wenn ich gerade darüber gesprochen habe, dass in Brüssel gesagt wird, na ja, bis Ende des Jahres können wir das schaffen, dann kann man ja fragen, die SPD ist zwar dagegen, aber das ist ungefähr so wichtig, als wenn in China ein Sack Reis umfällt. Oder bin ich da jetzt zu böse?
    Auch die Nationalstaaten müssen zustimmen
    Post: Nein, Sie sind nicht böse, aber die Realität ist, glaube ich, ein bisschen anders. Es ist zwar so, dass die Grundlagen der Handelspolitik der Europäischen Union eindeutig in Brüssel entschieden werden, seit 2009 mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages. Aber das wird ein gemischtes Abkommen, das heißt, auch die Nationalstaaten müssen zustimmen, also auch der Deutsche Bundestag und der Bundesrat. Und da glaube ich schon, dass die SPD ein gewichtiges Wort mitzureden hat.
    Zurheide: Die CDU, Ihr Koalitionspartner in Berlin, hat ja auch schon geschimpft, es sei unverantwortlich, dass Sie da jetzt schon die Reißleine ziehen, man könne doch gar nicht wissen, was am Ende dabei herauskommt. Ist das nicht nicht ganz unrichtig immerhin?
    Post: Sagen wir mal so, es ist erst mal legitim, dass die CDU eine eigene Position dazu hat. Die ist aber nicht neu. In der SPD ist es ja so, dass wir, seitdem die Verhandlungen laufen, sehr vernünftig, wie ich finde, Vor- und Nachteile abwägen. Und nachdem jetzt diese 14. Verhandlungsrunde in Brüssel zu Ende gegangen ist, wieder ohne Fortschritte, muss ich schon sagen, glaube ich, ist es nicht verfrüht, wenn man feststellt, so wird das nichts. Weil es nicht ausreicht, das ist für mich ganz wichtig, wenn Präsident Obama, den ich ansonsten sehr schätze, auf der Hannover-Messe sagt, na, das schaffen wir schon alles, aber seine Verhandlungsführer nichts dafür tun, dass wir es schaffen.
    Zurheide: Was ist ihre hauptinhaltliche Kritik gerade nach der jüngsten Verhandlungsrunde, wo Sie sagen, da sei noch nichts bei herausgekommen? Wissen Sie überhaupt, was die da in Brüssel verhandelt haben, ist das transparent für Sie?
    "Es würde eine Menge Vorteile bieten"
    Post: Es ist relativ transparent. Ich habe mit den beiden Berichterstattern, sowohl aus dem Europaparlament, Bernd Lange, als auch im Bundestag von unserer Fraktion, Dirk Biese, länger geredet, und die kommen beide zum selben Urteil. Und das sind beides keine Leute, die grundsätzlich gegen Handelsabkommen sind, so wie ich selbst auch nicht. Es wäre schön, wenn man das hinkriegen könnte, weil es eine Menge Vorteile bieten würde. Aber das geht natürlich nur zu bestimmten Bedingungen, also die Inhalte müssen stimmen. Zurzeit stimmen die Inhalte eben nicht. Ich kann gleich ein paar Beispiele nennen, wenn Sie möchten.
    Zurheide: Welche wären das? Bitte.
    Post: Das Wichtigste ist nach wie vor der Investitionsschutz, weil nach wie vor sind die USA überhaupt nicht bereit, ganz anders als zum Beispiel Kanada bei diesem CETA-Abkommen, auf private Schiedsgerichte zu verzichten. Wir wollen, auch die Europäische Union will einen echten Handels- und Investitionsgerichtshof mit Richtern, die benannt werden von den Nationalstaaten, und keine private Parallelgesetzgebung, wo keiner weiß, was passiert und wer am Schluss entscheidet.
    Zurheide: Wenn Sie von Richtern sprechen, dann meinen Sie auch unabhängige Richter und nicht irgendwelche Anwälte, die für die Zeit dieses Verfahrens dann in eine Richterrolle schlüpfen?
    "Eine Menge Punkte sind demokratisch nicht zu legitimieren"
    Post: Genauso ist das. Das ist der Hauptpunkt, also auch für viele Unternehmen, nicht nur für Parteien und Nichtregierungsorganisationen und Kritiker dieses Abkommens. Die bisherigen Verfahren sind intransparent. Viele Formulierungen, die es bisher in dem TTIP-Vertrag gibt, sind schwammig, sodass Investoren die Gelegenheit haben, das System für ungerechtfertigte Klagen zu missbrauchen. Da gibt es eine Menge Punkte, wo man eigentlich sagen kann, das ist demokratisch nicht zu legitimieren.
    Zurheide: Jetzt kann man natürlich fragen, all das ist noch nicht ausverhandelt, und wir alle wissen, die Dynamik von solchen Verhandlungen läuft in der Regel so ab, dass man lange seine eigene Position behält, um dann ganz zum Schluss möglicherweise doch noch zusammenzukommen. Warum glauben Sie nicht, dass das hier passieren könnte?
    "Selbst bei Zollfragen so gut wie keine Fortschritte"
    Post: Auf Pfingstwunder, ehrlich gesagt, warte ich ungern, und das würde jetzt einem Pfingstwunder gleichen. Wenn man so verhandelt – ich meine, wir hatten die 14. Verhandlungsrunde jetzt in Brüssel zwischen der EU und den USA, es gibt ja auch viele informelle Gespräche –, und bei keinem der wichtigen Bereiche, ich nehme mal Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz, Umweltstandards. Selbst bei Zollfragen, die eigentlich relativ einfach zu klären sind, gibt es so gut wie keine Fortschritte. Ich nehme mal als ein Beispiel: Wenn ein VW-Bus oder ein Daimler Sprinter in die USA exportiert wird und die Amerikaner werten das als landwirtschaftliches Fahrzeug – nicht, weil sie denken, es sei ein solches, sondern weil sie dann nicht zweieinhalb, sondern 25 Prozent Zoll nehmen können –, und wenn man sich nicht mal da einigen kann, ist es verdammt schwierig, sich bei Arbeitnehmerrechten zu einigen.
    Zurheide: Warum im Übrigen, Sie haben es auch gerade angesprochen, ist CETA für Sie so viel besser? Auch da gibt es ja immer noch erhebliche Kritik, oder?
    Post: CETA – ob es jetzt besser ist, weiß ich nicht, aber man kann erkennen, deutlich erkennen, dass mit der Übernahme der Regierung durch Herrn Trudeau es ein hohes Interesse gibt, die Verhandlungen zum Erfolg zu führen. Da ist eine ganz andere Dynamik drin in diesem Verhandlungen. Obwohl das ja schon längst ausverhandelt war. Ich hätte persönlich nie gedacht, dass die neue Regierung da noch mal rangeht und sagt, wir wollen dieses Abkommen. Ich glaube, der Hintergrund ist relativ einfach: Kanada möchte raus aus der Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten. 75 Prozent des gesamten Außenhandels Kanadas spielen sich zurzeit mit den USA ab, lediglich elf Prozent mit der EU und sieben Prozent mit China. Wenn man diese Zahlen hört, weiß man, es gibt ein hohes Eigeninteresse der Kanadier, mit der Europäischen Union auf einen Nenner zu kommen.
    Zurheide: Es gibt noch einen anderen Punkt, der mich einigermaßen überrascht hat. Es ist ja so, zum Beispiel bei CETA, wenn das Abkommen erst mal von Europa akzeptiert wird, danach können dann die nationalen Parlamente noch nein sagen. Trotzdem gilt das erstmal alles für drei Jahre. Das ist ja auch etwas seltsam, oder? Das ist jetzt noch zurückhaltend ausgedrückt.
    "Handelspolitik ist nun mal in der Kompetenz der Europäischen Union"
    Post: Da muss man zwischen den rechtlichen Einschätzungen und den politischen unterscheiden. Politisch gebe ich Ihnen recht. Rechtlich ist es so, die Handelspolitik ist nun mal in der Kompetenz der Europäischen Union, und da können wir als Nationalstaat, auch als nationales Parlament dann nicht einfach sagen, na ja, eigentlich sind wir zwar dafür, dass solche wichtige Fragen in der EU-Kompetenz liegen, aber wenn uns das Ergebnis nicht passt, dann wollen wir doch was anderes. Hier, glaube ich, ist es so: Es gibt auch da ja eine klare Abfolge. Es liegen seit einigen Tagen ja erst die Übersetzungen in alle Amtssprachen der EU vor. Der CETA-Vertrag umfasst 1.600 Seiten. Zurzeit sind jetzt alle nationalen Regierungen, nationalen Parlamenten dabei, sich das genau anzugucken, ich würde mal sagen, auf Herz und Nieren zu prüfen, und am Schluss muss entschieden werden. Die Entscheidung ist bisher vorgesehen für den 27. Oktober, also die Unterzeichnung des Abkommens. Und davor gibt es mehrere Beratungsebenen, wo auch die Bundesrepublik Deutschland und der Bundestag klar sagen können, was wir gut finden und was wir nicht gut finden.
    Zurheide: Achim Post war das zu den verschiedenen internationalen Handelsabkommen. Ich bedanke mich für das Gespräch, Danke schön, Wiederhören!
    Post: Schönen Dank, bis dann, tschüs!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.