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Türkei nach dem Putschversuch
Mogherini kritisiert "inakzeptable Entscheidungen"

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat die türkische Regierung für ihr Vorgehen nach dem Putschversuch kritisiert. Sie forderte, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu respektieren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan teilte unterdessen mit, er behalte sich vor, den zunächst auf drei Monate befristeten Ausnahmezustand zu verlängern.

22.07.2016
    Zu sehen ist die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini vor blauem Hintergrund.
    Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. (picture-alliance / dpa / Andrej Cukic)
    In einer gemeinsamen Erklärung mit EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn teilte Mogherini mit, die Europäische Union beobachte die Entwicklungen in der Türkei "sehr genau und mit Sorge". Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan habe in Reaktion auf den versuchten Umsturz "inakzeptable Entscheidungen" zur Kontrolle des Erziehungswesens, der Justiz und der Medien getroffen. "Wir fordern die türkischen Behörden auf, unter allen Umständen die Rechtstaatlichkeit, die Menschenrechte und die grundlegenden Freiheiten einschließlich des Rechts auf ein gerechtes Gerichtsverfahren zu respektieren."
    Amnesty: Lage in der Türkei "beunruhigend"
    Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) äußerte sich besorgt: "Die Türkei entfernt sich immer weiter von den europäischen Mindeststandards, auf die sie sich als Mitglied des Europarats ausdrücklich verpflichtet hat", sagte der CDU-Politiker der "Schwäbischen Zeitung". Man müsse damit rechnen, dass die seit Monaten zu beobachtende Einschränkung von Grundrechten fortgesetzt werde. Besorgniserregend seien vor allem die Massenverhaftungen und Amtsenthebungen, "die erkennbar lange vorbereitet gewesen sein müssen", so Lammert.
    Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach ebenfalls von einer beunruhigenden Lage in der Türkei. Die Verhängung des Ausnahmezustands könnte den Weg für weitere Abstriche bei den Menschenrechten ebnen.
    Erdogan will das Militär umstrukturieren
    Erdogan hatte den Ausnahmezustand am vergangenen Mittwoch als Reaktion auf den gescheiterten Putschversuch für drei Monate verhängt. Nun erklärte er, der Ausnahmezustand werde verlängert, wenn sich dies als nötig erweisen sollte. Dafür gebe es keine Hindernisse. Zugleich versicherte der Staatschef, dass der Ausnahmezustand das Leben der Bürger nicht über Gebühr beeinträchtigen werde. "Der Ausnahmezustand ist keine Ausgangssperre", sagte Erdogan. Die Menschen könnten weiter auf die Straßen gehen, ihre Angelegenheiten regeln und ein Alltagsleben führen.
    Erdogan will außerdem das Militär umstrukturieren. Man müsse aus dem Putschversuch Lehren ziehen. "Wir können es uns nicht leisten, selbstzufrieden zu sein," sagte er. Der Präsident räumte ein, dass es vor dem Putschversuch vom Freitagabend vergangener Woche "erhebliche Lücken und Schwächen" im Geheimdienst gegeben habe. Dies könne man weder leugnen noch verheimlichen. "Ich habe das der Spitze des nationalen Geheimdienstes gesagt", fügte er hinzu.
    Gülen-Bewegung wird als Terrororganisation gesehen
    Außerdem kündigte der Staatschef an, die Bewegung des islamischen Klerikers Fetullah Gülen, den er für den versuchten Putsch verantwortlich macht, wie eine Terrororganisation zu behandeln. Sie werde als "weitere separatistische Terrororganisation" gesehen. "Wir werden sie weiter bekämpfen, egal, wo sie sind. Diese Leute haben die staatlichen Institutionen dieses Landes unterwandert und sie lehnten sich gegen den Staat auf", sagte Erdogan.
    Den Tag des niedergeschlagenen Putsches am 15. Juli erklärte der Staatschef zum "Gedenktag für Märtyrer". Bei dem Umsturzversuch waren mehr als 260 Menschen getötet worden. Gestern hatte die türkische Regierung angekündigt, auch die Europäische Menschenrechtskonvention in Teilen auszusetzen.
    (cvo/kis)