Türkei
Das Ende der PKK: Frieden für die Kurden?

Die PKK folgt dem Appell ihres Gründers Abdullah Öcalan: Kurdische Kämpferinnen und Kämpfer der verbotenen Arbeiterpartei haben die ersten Waffen niedergelegt. Was heißt das für die Kurden in der Türkei, in Syrien und im Irak?

    Eine Straßenszene in Diyarbakir in der Türkei: Eine ältere mutmaßliche Kurdin mit weißem Kopftuch und einem orange Tuch in den Händen tanzt neben anderen ähnlich  gekleideten Frauen und blickt erwartungsvoll nach vorn.
    Aussicht auf Frieden? Im kurdisch geprägten Diyarbakir im Südosten der Türkei verfolgten Menschen im Februar den vorgelesenen Aufruf Abdullah Öcalans an die PKK, die Waffen niederzulegen. (imago / ZUMA Press Wire / Mehmet Masum Suer)
    Es könnte das Ende eines vier Jahrzehnte dauernden Konflikts sein, der Zehntausende Menschen das Leben gekostet hat: Die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, hat ihre Auflösung angekündigt. Am 11. Juli 2025 legten kurdische Kämpferinnen und Kämpfer nun auch die ersten Waffen nieder und verbrannten sie symbolisch. Die PKK reagierte mit dem Schritt auf einen Aufruf ihres Gründers Abdullah Öcalan, der seit 1999 in der Türkei inhaftiert ist.
    Seit den 1980er-Jahren hatte die PKK für einen kurdischen Staat oder ein Autonomiegebiet im Südosten der Türkei gekämpft. Die türkische Armee reagierte mit Härte. Bis in die jüngste Zeit hinein griff sie kurdische Stellungen auch jenseits der türkischen Grenzen an, in Syrien und im Irak. In der Türkei, der EU und in den USA ist die PKK als Terrororganisation eingestuft.

    Überblick

    Ist das tatsächlich das Ende des bewaffneten Kampfes?

    Die selbst erklärte Auflösung der PKK ist ein weiterer Schritt zur Beruhigung des Konfliktes. Nach dem Aufruf Abdullah Öcalans vom 27. Februar 2025 galt eine Waffenruhe mit der Türkei.
    Öcalan hatte die PKK 1978 in der Türkei gegründet - hauptsächlich als Reaktion auf die politische, soziale und kulturelle Unterdrückung der Kurden in dem Land. Seit den 1980er-Jahren kämpfte sie mit Waffengewalt und Anschlägen für einen kurdischen Staat oder ein Autonomiegebiet im Südosten der Türkei.
    Inzwischen ist die PKK von der Forderung eines unabhängigen Staates abgerückt. Die Organisation hat ihr Hauptquartier in den irakischen Kandil-Bergen. Ob alle Gruppierungen innerhalb der PKK der Entscheidung folgen werden, ist noch ungewiss. Gerade die kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) im Norden und Osten Syriens betonten nach Öcalans Appell, ihre Truppen seien davon unberührt. Unklar ist auch, ob Öcalan aus der Haft entlassen wird.
    Dem Aufruf Öcalans zur Auflösung der PKK war eine Initiative des ultranationalistischen Regierungspartners von Erdogan, der MHP, vorausgegangen. Ihr Chef, Devlet Bahceli, bisher eigentlich ausgesprochener Gegner einer Aussöhnung mit der PKK, hatte im Oktober eine Freilassung Öcalans ins Spiel gebracht, sollte die PKK ihre Waffen niederlegen und sich auflösen.
    Bisher ist Öcalan allerdings nicht aus dem Gefängnis entlassen worden. Erdogan hat das entschieden abgelehnt, genauso wie etwaige Amnestien für im Zusammenhang mit Terrorismus Inhaftierte. Zuletzt deutete der türkische Staatschef aber eine Amnestie für kurdische Häftlinge in türkischen Gefängnissen an.

    Wie stehen die Chancen auf einen echten Friedensprozess?

    Heute leben schätzungsweise 14 Millionen Kurden in der Türkei. Seitdem sie in den vergangenen Jahren unter der Erdogan-Regierung mehr kulturelle Rechte bekommen haben wollen die meisten keinen Krieg mehr mit dem türkischen Militär. Einen autonomen kurdischen Staat befürworteten laut einer Umfrage schon 2020 nur noch gut 17 Prozent der Befragten.
    Nach Ansicht des Politologen Ismail Küpeli hat sich die kurdische Seite nach Öcalans Aufruf einen „großen Schritt“ in Richtung Friedensprozess bewegt. Bis heute gehe allerdings die türkische Regierung repressiv gegen die kurdische Opposition vor, die Verhaftungen kurdischer Politiker dauerten an, genauso wie Angriffe im Norden Syriens auf die dortigen kurdischen Kräfte. Es sei offen, ob die türkische Seite für einen „wirklichen Friedensprozess“ bereit sei, sagt Küpeli. Der letzte scheiterte 2015, nachdem zwei Jahre zuvor eine Waffenruhe ausgerufen worden war.
    Für die Regierung in Ankara wäre eine komplette Entwaffnung und Auflösung der PKK eine historische Errungenschaft. In den Kampf gegen Stellungen der PKK im Irak, in Syrien und der Türkei flossen in den vergangenen Jahren horrende Summen. 
    Innenpolitisch sehen Beobachter den Friedensprozess auch als Vehikel zur weiteren Spaltung der Opposition. Der prokurdischen Dem-Partei etwa wurde unterstellt, sich in ihrer Kritik an der Verhaftung und Absetzung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu zugunsten des Friedensprozesses zurückgehalten zu haben. Die Dem-Partei selbst - Vermittlerin zwischen türkischer Regierung und PKK-Gründer Öcalan - bestreitet das. 
    Eine nicht unwesentliche Rolle dürfte auch Präsident Erdogans angestrebte Verfassungsänderung spielen, um erneut als Präsident kandidieren zu können. Dafür ist er auf zusätzliche Stimmen im Parlament angewiesen - etwa jene der Dem-Partei.

    Welche Bedeutung hat die Entwicklung für die Region?

    Analysten zufolge ist Frieden mit der PKK im Interesse der Türkei und auch Syriens nach dem Sturz des Diktators Assad. Im Norden des Nachbarlandes verteidigt die von den USA gestützte SDF die mühsam errungene kurdische Autonomie gegen die Türkei – und gegen die neuen islamistischen Machthaber in Damaskus.
    Durch den Gaza-Krieg, der Schwächung des Iran und des Umsturzes in Syrien ist in der Region ein Machtvakuum entstanden, das sowohl die Kurden als auch die Türkei mitgestalten wollen.
    Der türkische Staatschef Erdogan hat bereits von einem neuen Bündnis aus Türken, Arabern und Kurden unter Führung der Türkei gesprochen, dessen Einfluss von Zentralasien bis zum Mittelmeer reichen soll. Allerdings nehmen die Spannungen mit Israel bereits zu, und auch die arabischen Staaten werden sich nicht ohne Weiteres der Türkei unterordnen.

    Welche Rolle spielen Öcalan und die PKK für die Kurden?

    Abdullah Öcalan war für Kurden lange ein Idol, weil er gegen ihre Unterdrückung aufbegehrte. Er gründete 1978 die PKK als marxistische Organisation – mit dem Ziel eines unabhängigen kurdischen Staates im Südosten der Türkei.
    1984 begann die PKK den bewaffneten Kampf gegen die Türkei. Sie verübte zum Beispiel Anschläge auf Polizeistationen und touristische Ziele. Das türkische Militär schlug hart zurück, zeitweise herrschte im Südosten der Türkei Krieg. Mehr als 40.000 Menschen wurden im Lauf der Jahre getötet.
    Später rückte Öcalan vom Ziel eines kurdischen Staates ab und forderte Autonomie für die Kurden. 1999 wurde er in Kenia festgenommen und in der Türkei auf der Insel Imrali im Marmarameer inhaftiert. Dort sitzt er eine lebenslange Freiheitsstrafe ab. Auch heute noch gilt er vielen als Identifikationsfigur, als Symbol für die Rechte der Kurden. Sein Wort hat Gewicht, auch bei Kurden, die nichts mit der PKK zu tun haben.

    Wo liegen die Wurzeln des Kurdenkonflikts?

    Mit mehr als 30 Millionen Menschen weltweit sind die Kurden eines der größten Völker ohne eigenen Nationalstaat. Vermutlich seit mehreren tausend Jahren leben Kurden in den Grenzregionen der Türkei, Iraks, Syriens und Irans. Historisch organisiert in Großfamilien, Clans und Stämmen, von denen viele seit ihrem Bestehen untereinander konkurrieren.
    Eine einheitliche kurdische Sprache gibt es nicht, auch keine einheitliche Religion. Die meisten sind Sunniten, andere Schiiten oder auch Aleviten. Daneben gibt es jesidische und assyrisch-christliche und jüdische Kurden.
    Eine einheitliche Nationalbewegung konnten die so unterschiedlichen kurdischen Gruppen nicht hervorbringen. Als das Osmanische Reich, ein Vielvölkerstaat, zerfiel, wurde 1923 der türkische Nationalstaat gegründet. Die Kurden wurden als Gefahr für die nationale Idee stigmatisiert und unterdrückt, auch in Syrien, im Irak und Iran. Die Folge waren Aufstände, Kriege und Vertreibungen.
    Die Auswirkungen der ungelösten Kurdenfrage reichen bis nach Europa und Deutschland. Von den mehr als 60.000 Asylbewerbern aus der Türkei waren 2023 die meisten Kurden.

    bth, jk