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Twitter-Debatte
Die Schweiz als Großmacht?

Im Sommerloch greift die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) eine ältere Debatte der Schweiz auf. Angeblich liebäugeln die Eidgenossen damit, Nachbarprovinzen und –bundesländer in ihr Staatsgebiet zu integrieren. In den sozialen Medien wird die Großmachtsphantasie heftig diskutiert.

    Die Fahne der Schweiz weht vor blauem Himmel
    Die Schweizer können sich vorstellen, neue Gebiete ihrer Nachbarländer als neue Kantone aufzunehmen. (picture alliance / dpa)
    Laut Schwäbischer Zeitung befürworten angeblich 86 Prozent ihrer Leser einen Schweiz-Beitritt. Die Baden-Württemberger fühlen sich offenkundig bei den Eidgenossen besser aufgehoben als in Deutschland. Der Schweiz-Beitritt ist auch in anderen Grenzregionen wie die italienische Lombardei, das österreichische Vorarlberg oder das französische Elsass populär. Gründe dafür sind häufig die wirtschaftliche Stärke der Gebiete und der Frust auf die EU.
    Tatsächlich gibt es in der Schweiz bisweilen ernsthafte Bestrebungen, das eigene Staatsgebiet um zum Land passende und EU-müde Nachbarregionen zu erweitern. Schon vor vier Jahren forderte die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) den Bundesrat auf, die Verfassung zu ändern, um Nachbarregionen als neue Kantone aufnehmen zu können, sollten die Menschen dieser Gebiete den Wunsch dazu äußern.
    NZZ stößt Debatte auf Twitter an
    Nun hat die NZZ diese Bestrebungen aufgegriffen und ihre Leser auf Twitter gefragt: "Gefällt Ihnen der Gedanke einer Großschweiz?" Die Reaktionen waren vielfältig:
    Gefällt Ihnen der Gedanke einer Grossschweiz? Wir haben die originellsten Leserantworten aus dem DACH-Raum gesammelt http://t.co/WCnTqxFrJc— Neue Zürcher Zeitung (@NZZ) August 11, 2014
    Denn die Schweiz wird in den Grenzregionen der Nachbarländer meist als Modellstaat verklärt und dient als Kontrastmittel für die Kritik am eigenen Land. Und die Beitrittsphantasien haben für die Schweizer sogar sinnstiftenden Charakter, denn den Eidgenossen geht ein gewisses Sendungsbewusstsein nicht ab. Die SVP begründete ihren Vorstoß von vor vier Jahren unter anderem damit, dass die geforderte Verfassungsänderung ein "politisches Zeichen" sei, mit dem proaktiv für eine "Erweiterung des Schweizer Souveränitätsmodells" geworben werden soll.
    Aber wären die Schweizerinnen und Schweizer tatsächlich bereit, abtrünnige Provinzen aufzunehmen? Mit Blick auf die Geschichte des Landes sind Zweifel angebracht: Die Schweiz wäre heute viel grösser, hätte nicht ständig eine Konfession oder eine Sprachgruppe einen zusätzlichen Kanton verhindert. Bei einer konsequenten Aufnahmepolitik würde Vorarlberg heute ebenso zur Schweiz gehören wie das Veltlin.
    Zuwanderung bremsen
    Und völlig widersprüchlich verhalten sich die mögliche Aufnahme von Nachbarregionen und der Entscheid der Schweizer, die Zuwanderung zu begrenzen, zueinander. Denn die Erweiterung der Schweiz würde zu einer Bevölkerung von rund 40 Millionen Menschen führen, die sich auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt frei bewegen könnten.
    (tzi/tön)