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Übergriffe in Köln
"Ein Beispiel, wie Integration nicht laufen kann"

Köln kommt nicht zur Ruhe: Nach den Angriffen auf Frauen in der Silvesternacht haben nun mehrere Gewalttäter Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit angegriffen und verletzt. Die Vorfälle am Hauptbahnhof hätten für eine Verunsicherung bis in tiefste bürgerliche Kreise gesorgt, sagte der Chefredakteur des "Kölner Stadt-Anzeigers", Peter Pauls, im DLF.

Peter Pauls im Gespräch mit Thielko Grieß |
    Polizisten stehen am Abend mit dem Rücken zur Kamera vor dem Kölner Hauptbahnhof.
    Polizisten vor dem Kölner Hauptbahnhof. Nach den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht hat die Polizei ihre Präsenz verstärkt. (dpa / Maja Hitij)
    Peter Pauls, Chefredakteur des "Kölner Stadtanzeigers" sagte im Deutschlandfunk, es sei schon am 3. Januar recht schnell klar geworden, "dass dies eine Art Beispiel dafür sein kann, wie Integration nicht laufen kann". Pauls kritisierte "eine völlige Absenz von politischen Initiativen". "Das wird weitgehend sich selbst überlassen", sagte Peter Pauls im DLF. Beim Thema Flüchtlinge werde derzeit mit einer "Wucht, Wut und Emotion" diskutiert, die einer Auseinandersetzung mit dem Thema nicht förderlich seien.
    Die Diskussion über strengere Gesetze sei so lange eine "reine Chimäre, so lange es nicht gelingt, überhaupt einen Täter dingfest zu machen." NRW-Innenminister Ralf Jäger müsse jetzt zeigen, dass er der richtig Mann sei. Auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hätte zwei Mal eine etwas unglückliche Figur gemacht. Pauls erklärte dies mit ihrer mangelnden Erfahrung. "Eine Armlänge Abstand zu wahren, ist gerade im Kölner Karneval eine sehr untaugliche Empfehlung", sagte Pauls. Zudem habe sie sich - vermutlich dem Rat des mittlerweile zurückgetretenen Polizeipräsidenten Wolfgang Albers folgend - auch zu früh festgelegt, dass Flüchtlinge nicht beteiligt gewesen seien. Sie könne noch ein bisschen zulegen, so Pauls.
    Zur Kritik an der Berichterstattung der Medien sagte Pauls: "Als Medium müsse man versuchen, in diesen Tagen glaubwürdig zu sein. Wir erkennen, dass die Vorfälle am Bahnhof wie überhaupt die ganze Flüchtlingsbewegung für eine Verunsicherung bis in tiefste bürgerliche Kreise gesorgt haben und hier auch hohe Zweifel an den Medien geäußert werden." Pauls unterstrich, die Zeitung werde so transparent wie möglich berichten. Aber: "Wir werden nur berichten, was wir wissen."

    Das Interview in vollständiger Länge:
    Thielko Grieß: In der vergangenen Nacht hat es einen Angriff auf Ausländer gegeben in der Kölner Innenstadt. Köln kommt nicht zur Ruhe nach den Angriffen von Silvester, dem Verhalten der Polizei, den Berichten von Opfern.
    Peter Pauls ist bei mir, Chefredakteur des "Kölner Stadtanzeigers", einer der großen Tageszeitungen, die hier in Köln erscheinen. Herr Pauls, Redakteure Ihrer Zeitung und auch Kollegen der "Kölnischen Rundschau" haben als erste zu berichten begonnen über die Ereignisse von Silvester. Ab wann ist Ihnen klar geworden, das ist nichts Kleines, das ist etwas, was den Beginn dieses Jahres politisch deutschlandweit prägen wird?
    Peter Pauls: Guten Morgen, Herr Grieß! - Das wurde mir klar, als ich am, ich glaube, das war der 3. Januar, Sonntagsdienst hatte und die Meldungen bei uns einliefen, ich mit den Online-Kollegen gesprochen habe, wir die Fallschilderungen bekamen. Und wir kennen alle die Lokalität. Das ist keine Amüsiermeile wie die Reeperbahn in Hamburg, sondern da am Dom ist Köln Köln. Und wenn da eine Form der Rechtlosigkeit, wie wir sie erlebt haben, sich ereignet, dann ist das für eine Kölner Zeitung ohnehin ein ganz zentrales Thema, und das ist eigentlich auch recht rasch klar geworden, dass das eine Art Beispiel dafür sein kann, wie Integration nicht laufen kann.
    Grieß: Oder vielleicht gar nicht erst angefangen worden ist?
    Pauls: Das kann man sicher so sehen, denn wir haben eine, ich will nicht sagen, Tatenlosigkeit. Wir haben hunderttausende freiwilliger Helfer. Wir haben auch Behördenmitarbeiter, die rund um die Uhr arbeiten. Aber aus meiner Sicht haben wir eigentlich eine völlige Absenz außer einigen wolkigen Sprüchen von politischen Programmen, von politischen Initiativen. Das wird weitgehend sich selbst überlassen.
    Grieß: Sexuelle Angriffe, darum geht es, all das vermengt mit Flüchtlingspolitik. Das sind zwei heikle Felder, über die jetzt zu schreiben ist in Ihrem Fall. Wie schwerfällt es Ihnen, da gelegentlich auch die treffenden Formulierungen zu finden?
    "Wir werden nur das berichten, was wir wissen"
    Pauls: Wir sind natürlich im Widerstreit mit dem deutschen Pressecodex. Das muss man immer anführen. Der Codex verbietet es eigentlich oder untersagt es, Nationalitäten in Zusammenhang mit Kriminalität zu nennen. Es sei denn, es ist notwendig, um ein Gesamtbild herzustellen, und das haben wir nach kurzem Überlegen in diesem Fall konstatiert.
    Wir hätten uns ansonsten auch über die ganzen Berichte der Opfer hinweggesetzt. Und vor allem als Medium müssen Sie versuchen, in diesen Tagen glaubwürdig zu sein.
    Wir erkennen - Sie sprachen gerade Gewalt an im öffentlichen Raum -, wir erkennen aber, dass die Vorfälle vom Bahnhof wie überhaupt die ganzen Flüchtlingsbewegungen für eine Verunsicherung bis in tiefste bürgerliche Kreise hinein gesorgt haben und hier auch hohe Zweifel an den Medien geäußert werden. Deshalb war für uns klar, wir werden berichten. Wir werden es aber so transparent wie möglich machen und wir werden nur das berichten, was wir wissen.
    Grieß: Es wird deutschlandweit hier und da Kritik geübt an der Berichterstattung der Medien. Nehmen wir ruhig diesen großen Bericht. Sehen Sie auch Fehler in der Qualität, Mängel in der Qualität?
    Pauls: Es ist vom ehemaligen Innenminister Friedrich von einem Schweigekartell gesprochen worden. Das ist ein furchtbarer Quatsch. Alle Regionalzeitungen, die ich kenne, haben berichtet. Wir haben am Montag bereits eine Vielzahl von Anfragen beantwortet. Alle Zeitungen, denen das DPA-Angebot nicht reichte, haben sich bei uns gemeldet, und das waren sehr viele. Ansonsten ist das ein Gelände, über das man immer streiten kann. Die alternative "taz" hat ja eine andere Meinung dazu. Sie meint, man dürfte keine Täterherkunft nennen.
    Streitdiskussion ist ja gut in diesem Land. Ich erkenne nur gerade, dass beim Thema Flüchtlinge dieser Streit anfängt, Bereiche zu tangieren, die einer Auseinandersetzung nicht förderlich sind.
    Grieß: Und das bedeutet welche Bereiche?
    Pauls: Na ja. Es wird mit einer Wucht und mit einer Wut und einer Emotion diskutiert. Wir erleben das selber in der Redaktion, dass ein Satz einerseits als Beleg dafür genommen wird, dass wir Flüchtlingsfreunde seien, unerträgliche verstehende Haltungen einnehmen würden, und auf der anderen Seite genau der gleiche Satz als Beleg dafür dient, dass wir gegen Flüchtlinge eingestellt seien.
    Grieß: All diese Ereignisse sind heute Vormittag Thema im Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages, der in Düsseldorf tagen wird. Welche Konsequenzen erwarten Sie von der nordrhein-westfälischen Politik?
    "Herr Jäger, der Innenminister in Nordrhein-Westfalen muss zeigen, dass er der geeignete Mann ist"
    Pauls: Nun, es wird in diesem Land über strengere Gesetze diskutiert, und das ist solange eine reine Schimäre, wie es nicht gelingt, überhaupt irgendeinen Täter dingfest zu machen, zum Beispiel an einem solchen Abend. Es ist eine haltlose Debatte, wenn wir nicht an so zentralen Stellen wie dem Kölner Hauptbahnhof für ein Mindestmaß an Ordnung sorgen können.
    Was bedeutet das für die Innenpolitik? Herr Jäger, der Innenminister in Nordrhein-Westfalen muss zeigen, dass er der geeignete Mann ist. Es gibt Zweifel, die daran geäußert werden. Und wenn er das zu sein glaubt und das Parlament glaubt es auch, dann wird er sich intensiv um eine vernünftige Strategie für den öffentlichen Raum kümmern müssen.
    "Frau Rekers hat zweimal eine etwas unglückliche Figur abgegeben"
    Grieß: Wie bewerten Sie das Verhalten und die Äußerungen der neu gewählten Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker?
    Pauls: Frau Rekers hat zweimal eine etwas unglückliche Figur abgegeben. Ich will das mit ihrer mangelnden Erfahrung in Verbindung bringen. Eine Armlänge Abstand zu wahren, ist gerade im Kölner Karneval eine sehr untaugliche Empfehlung. Sie hat sich auch, vermutlich dem Rat des Polizeipräsidenten folgend, relativ früh festgelegt, dass Flüchtlinge nicht an diesen Geschichten am Silvesterabend beteiligt gewesen seien. Sie kann noch ein bisschen zulegen, die Frau Reker.
    Grieß: Danke schön sage ich an dieser Stelle. Peter Pauls, Chefredakteur des "Kölner Stadtanzeigers", bei uns hier im Deutschlandfunk im Studio.
    Pauls: Ich danke Ihnen, Herr Grieß.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.