Es ist sehr ruhig auf der Intensivstation für Frühgeborene. Im gedämpften Licht sieht man vier kleine Brutkästen, mit einem durchsichtigen Deckel und runden Öffnungen, durch die man ins Innere greifen kann. Die Inkubatoren stehen erhöht, sodass ein Erwachsener sich nicht bücken muss, um das kleine Wesen darin zu berühren und zu pflegen. Hinter jedem Bett: Maschinen, Monitore, Schläuche, Ventile – für den Laien unverständliche Technik, für die Säuglinge lebensnotwendige Technik. Der zerbrechliche Körper, nicht größer als die Hand eines Erwachsenen, trägt die kleinste Blutdruck-Manschette der Welt, Sensoren um die Körpertemperatur zu messen, eine winzige Atemhilfe, Hightech im Miniaturformat. Selbst eine Blutabnahme erfordert besondere Instrumente: Besitzt ein Kind nur 60 ml Blut, dann zählt jeder Tropfen, erklärt Bianca Rösner, die die Station leitet:
"Das machen wir, wenn es irgendwie möglich ist, immer zu zweit, die Kinder kriegen vorher immer eine Zuckerlösung auf die Zunge, damit sie den Schmerz nicht so spüren und einer hält die Hand oder den Arm, je nachdem wo wir Blut abnehmen und wir haben spezielle Röhrchen, wo nur ganz kleine Mengen reinpassen und wir haben auch ein spezielles Labor, was diese kleinen Mengen auch untersuchen kann, das ist ganz ganz wichtig."
Neben der Technik ist aber noch etwas sehr wichtig: die Eltern. Manchmal zeigt man der frischgebackenen Mutter erst einmal ein Foto von ihrem Kind, um sie auf die Situation vorzubereiten, manchmal braucht ein Vater Zeit, um sich zu trauen, das fragile Wesen zu wickeln.
Die Eltern sind ein wichtiger Bezugspartner
"Für uns ist es ganz wichtig, dass die Eltern ein ganz wichtiger Bezugspartner für die Kinder sind, wir versuchen, die Eltern von Anfang an in die Pflege mit zu integrieren, die dürfen ganz viel machen, die dürfen ihre Kinder wickeln, die dürfen Temperatur messen, die dürfen ihre Kinder streicheln, natürlich, sie dürfen ihr Kinder eincremen und ganz ganz wichtig, sie dürfen mit ihren Kindern kuscheln, also sie dürfen das Kangurooing machen, so oft und so lange sie das möchten."
Für die Eltern ist eine Geburt Monate vor dem errechneten Geburtstermin ein Schock, die folgenden Wochen befinden sie sich im Ausnahmezustand. Denn ihnen und dem Kind fehlen wichtige Wochen der Schwangerschaft, erklärt Professor Christoph Bührer, Direktor der Klinik für Neonatologie der Charité in Berlin.
"Wenn ein Kind sehr viel zu früh geboren wird, dann ist das eine nicht ungefährliche Situation: Wenn die Kinder sehr viel zu früh geboren werden, dann können sie sterben, sie können schwer krank werden, sie können Narben zurückbehalten, in der Lunge, im Gehirn im Bauch, die alle nicht gut sind für die weitere Entwicklung. Und davor haben die Eltern Angst – und zwar zu Recht. Das ist kein Kinderspiel."
Es gibt einen Bereich, wo man das abwägen muss
Die medizinische Versorgung von Babys, die mehrere Wochen zu früh auf die Welt kommen, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr verbessert: Die Chancen zu überleben sind gestiegen, das Risiko für lebenslange Schäden ist gesunken. Doch je jünger das Baby, desto mehr zählt jede Woche, sogar jeder Tag, wenn es um seine Chancen geht. Und trotz aller Fortschritte, die bisher geschehen sind und die noch geschehen werden: Es gibt eine Grenze, sagt Christoph Bührer. Aber die liegt in jedem Fall woanders.
"Es gibt eine Grauzone. Es gibt eben keine scharfe Grenze, sondern es gibt Fälle, wo das ganz klar ist: Das Kind ist zu klein. Also 20. Wochen, da ist ein Kind einfach zu klein, da braucht man gar nicht zu entscheiden, da hat die Natur das schon so festgelegt. Während umgekehrt ein Kind so 25, 26 Wochen, das hat heute so gute Chancen, da stellt sich die Frage eigentlich auch nicht. Und es gibt einen Bereich, wo man das abwägen muss."
Für diese Kinder müssen Eltern und Ärzte dann eine schwere Entscheidung treffen.
"Bei 23 Wochen muss man gemeinsam überlegen, unter Würdigung aller Umstände, die speziellen Umstände dieser Schwangerschaft, dieses Kindes, dieser Eltern, ob es das Richtige ist für das Kind, nun alles zu machen, was man im Prinzip machen kann, das Kind auf Teufel komm raus zu retten. Oder ob es vielleicht besser ist, das Kind lebt, aber nur kurze Zeit, und dann im Beisein der Eltern verstirbt.
Manchmal ist es das, was die Natur vorgesehen hat
Um eine solche Entscheidung zu treffen, muss der Arzt die Eltern aufklären: Wie groß sind die Chancen, dass das Kind überlebt? Wie groß ist das Risiko, dass das Kind schwer krank überlebt, vielleicht immer wieder in seinem Leben operiert werden muss, krank sein wird. Wie wird sein Leben aussehen, was bedeutet das für die Eltern? Die müssen am Ende die Entscheidung treffen.
"Wenn ein Kind stirbt, ist das für alle Beteiligten was Schreckliches. Für die Eltern, für die Ärzte, für die Schwestern. Aber manchmal ist es das, was die Natur vorgesehen hat. Aber das heißt nicht, dass wir das Kind aufgeben. Das heißt nur: Das, was wir dann machen, hat ein anderes Ziel. Wir begleiten das Kind auf seinem Weg und wenn der Weg nur kurz ist, wenn der Weg nur eine Stunde ist oder einen Tag oder eine Woche."
Zwei Tage später: Ein Kind konnten die Eltern mit nach Hause nehmen, drei Monate nach seiner Geburt.
Der kleine Junge, der Probleme mit der Atmung hat, kämpft immer noch.