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Uhren sollen mit Strontium statt Cäsium genauer ticken

Die Atomuhren sind in Sachen Zeit das Maß der Dinge: Bei ihnen wird die Sekunde durch das Verhalten von Cäsiumatomen gegenüber Mikrowellen bestimmt. In Zukunft sollen diese aber von den optischen Uhren abgelöst werden. Sie funktionieren mit Licht und sollen noch präziser sein.

Von Frank Grotelüschen | 10.07.2013
    Die Atomuhr. Das Maß aller Dinge – zumindest was die Zeit angeht: Seit 1967 ist die Sekunde festgelegt durch das Verhalten von Cäsiumatomen gegenüber Mikrowellen.

    "In einer Atomuhr bestrahlt man Cäsiumatome mit Mikrowellen. Dabei absorbieren die Atome nur eine bestimmte Frequenz der Mikrowellen, und das lässt sich präzise messen. Ein bestimmter Bruchteil dieser Frequenz definiert dann im Internationalen Einheitensystem die Sekunde. Und da Cäsiumatome überall auf der Welt identisch sind, kann man überall auf der Welt hochgenaue Atomuhren bauen."

    Die Verfahren dafür sind höchst raffiniert, sagt Jérôme Lodewyck von der französischen Forschungsorganisation CNRS in Paris. So werden die Cäsiumatome wie bei einem Springbrunnen nach oben geschossen und exakt am Scheitelpunkt mit Mikrowellen bestrahlt. Dort verharren die Atome, bevor sie wieder fallen, einen Augenblick lang in Ruhe – was die Messung deutlich präziser macht. Solche Fontänen-Atomuhren sind die besten ihrer Art. Sie erreichen einen Genauigkeit von drei mal zehn hoch minus 16 Sekunden. Anders gesagt: Sie gehen in 14 Milliarden Jahren – das ist in etwa das Alter des Universums – nur um eine Sekunde falsch. Doch Jérôme Lodewyck und seine Kollegen hätten es gern noch viel genauer:

    "Statt mit Mikrowellen arbeiten wir mit Licht. Licht nämlich hat deutlich höhere Frequenzen als Mikrowellen, rund 40.000 mal. Das ergibt eine höhere Auflösung, und damit lässt sich die Zeit noch deutlich genauer messen."

    Diese sogenannten optischen Uhren arbeiten nicht mit Cäsium-, sondern mit Strontiumatomen. Einige Prototypen gibt es bereits, etwa in Braunschweig an der PTB. Doch ticken sie wirklich genauer als Atomuhren? Das lässt sich erst durch einen direkten Vergleich beantworten – einen Vergleich, den nun erstmals das Team von Lodewyck angestellt hat. Es schickte zwei Strontium-Prototypen ins Rennen und ließ sie mittels raffinierter Messtechnik gegen drei Cäsium-Uhren antreten. Das Ergebnis:

    "Wir haben gezeigt, dass die optischen Uhren tatsächlich so genau sind wie angenommen."

    In Zahlen: Die bisherigen Prototypen gehen tatsächlich rund dreimal genauer als die besten Cäsiumuhren. Und das, glauben die Experten, dürfte sich durch diverse technische Tricks sogar noch deutlich steigern lassen. Im Prinzip könnten optische Uhren 100- bis 1000mal genauer sein als die heutigen Atomuhren. Doch bis die internationalen Behörden die Sekunde neu definieren werden, dürfte noch einige Zeit vergehen, sagt Jérôme Lodewyck. Denn:

    "Die offizielle Zeit wird nicht nur durch eine Atomuhr vorgegeben, sondern durch eine Kombination von vielen Atomuhren rund um den Globus. Und so soll es künftig auch bei den optischen Uhren sein. Allerdings wissen wir noch nicht so genau, wie man optische Uhren, die auf verschiedenen Kontinenten stehen, miteinander synchronisiert. Mit Satelliten, wie man das heute bei den Atomuhren macht, wird diese Synchronisierung nicht funktionieren. Das nämlich wäre zu ungenau."

    Es gibt also noch technische Hürden zu nehmen. Und deshalb dürften noch mindestens zehn Jahre vergehen, bis das zuständige Gremium, die internationale Generalkonferenz für Maß und Gewicht, über eine Neudefinierung der Sekunde befinden kann.