EU-Gipfel
Ukraine erhält zinslosen Kredit - eingefrorene Russland-Gelder bleiben zunächst außen vor

Beim EU-Gipfeltreffen in Brüssel ist in der Nacht eine Einigung über weitere Finanzhilfen für die Ukraine erzielt worden. Kiew erhält demnach von der Europäischen Union in den kommenden beiden Jahren zinslose Kredite in Höhe von 90 Milliarden Euro. Die Reaktionen reichen von Lob bis hin zu scharfer Kritik.

    Eine große Gruppe Politikerinnen und Politiker versammelt sich in einem Sitzungssaal an einem großen, runden Tisch.
    Die 27-Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in Brüssel (Michael Kappeler / dpa / Michael Kappeler)
    Bundeskanzler Merz und EU-Ratspräsident Costa informierten in der Nacht über die Einigung. Demnach soll das Darlehen über den EU-Haushalt abgesichert werden. Damit werden die in Europa eingefrorenen russischen Zentralbankgelder nicht zur Finanzierung herangezogen - anders als Merz das angestrebt hatte.
    Stattdessen lautet die Kompromiss-Formel nun, dass diese Mittel weiter eingefroren bleiben und später für den Fall angetastet werden können, dass Russland der Ukraine für die erlittenen Kriegsschäden keine Entschädigung leistet. Gegen deren Verwendung hatte es wegen rechtlicher und finanzieller Bedenken Widerstände vor allem in Belgien gegeben, wo der Großteil des Vermögens lagert.

    Merz: "Klares Signal an Putin"

    Bundeskanzler Merz sprach von einem großen Erfolg, obwohl die Lösung nicht seinen ursprünglichen Plänen entspricht. Merz sagte, es gebe nun ein "klares Signal" an den russischen Präsidenten Putin, dass der Krieg sich nicht lohnen werde. Zwar gehe die EU jetzt mit dem Reparationsdarlehen "in Vorleistung", dieses werde aber nach wie vor durch russische Vermögenswerte abgesichert.
    Bundesfinanzminister Klingbeil äußerte sich ebenfalls positiv. Er sagte, Russland müsse am Ende für die Zerstörung durch den Angriffskrieg bezahlen. Zudem sei die Finanzierung der Verteidigung der Ukraine für die nächsten zwei Jahre abgesichert.

    Dröge spricht von vertaner Chance

    Grünen-Fraktionschefin Dröge betrachtet den Kompromiss als vertane Chance. Sie sagte im ARD-Morgenmagazin: "Wenn es jetzt nicht gelingt, gerade in dieser brisanten und so entscheidenden Zeit für die Ukraine, hier eine europäische Geschlossenheit hinzubekommen, wann dann?" Dröge betonte, offenkundig traue man sich nicht, Russland in die Verantwortung zu nehmen.
    Die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, von Storch, sprach von einer Luftnummer. Für die Kredite stehe am Ende der deutsche Steuerzahler gerade.

    Ischinger kritisiert, wie Kompromiss entstand

    Der kommissarische Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Ischinger, beklagte die Art und Weise, wie der Kompromiss innerhalb der EU zustande gekommen ist. Er sagte im Deutschlandfunk, die EU mache den Eindruck, als sei sie Getriebene und suche nach Ersatzlösungen. Der Preis sei die Glaubwürdigkeit der EU als handlungsfähiger Akteur. Ischinger führte aus, dass es besser gewesen wäre, wenn die EU-Vertreter einen gemeinsamen Vorschlag zunächst hinter verschlossenen Türen ausgearbeitet hätten.

    Selenskyj: "Bedeutende Unterstützung"

    Der ukrainische Präsident Selenskyj dankte den EU-Staats- und Regierungschefs. Er sprach von einer "bedeutenden Unterstützung", die die Widerstandsfähigkeit der Ukraine stärke. Es sei wichtig, dass die russischen Vermögenswerte eingefroren blieben und dass die Ukraine nun für die kommenden Jahre finanzielle Garantien erhalten habe.

    Russland: "Vernunft hat gesiegt"

    Russland bewertete den Kompromiss der EU-Länder positiv, verbunden mit scharfer Kritik an den Akteuren. Chefunterhändler Dmitrijew schrieb bei Telegram, Gesetz und gesunder Menschenverstand hätten vorerst gesiegt. Der Beschluss sei ein Schlag gegen die, wie er es formulierte, "Kriegstreiber", zu denen er unter anderem EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und Merz zählt. Die ganze Welt habe zugesehen, wie man daran gescheitert sei, andere zu einem Rechtsbruch zu zwingen.

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    Diese Nachricht wurde am 19.12.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.