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Ukraine
Kiew hat den Separatistengebieten den Strom abgedreht

Seit einigen Wochen werden bereits keine Waren mehr in die sogenannte "Volksrepublik Lugansk" im Osten der Ukraine geliefert, jetzt hat die Regierung in Kiew auch die Stromlieferungen gestoppt. Die Separatisten brüsten sich, das mache sie noch unabhängiger.

Von Florian Kellermann | 25.04.2017
    Die Menschen überqueren eine zerstörte Brücke in die Ukraine-kontrollierten Gebiet an einem Kontrollpunkt, der von pro-russischen Rebellen in Stanytsia Luhanska, Region Lugansk, am 7. März 2017 bewacht wird.
    Die absterbenden Wirtschaftsbeziehungen entfremdeten die Menschen in den Separatistengebieten immer mehr von der Ukraine. (AFP / Aleksey Filippov)
    Kurz vor Mitternacht gingen in Luhansk die Lichter aus. Die ukrainischen Energiebetriebe für die Region Luhansk, kurz LEOn hatten wie angekündigt den Strom abgestellt. Der LEO-Generaldirektor Wolodymyr Hryzaj: "Endlich ist die Regierung auf unsere schon lange geäußerte Bitte eingegangen. Zweieinhalb Jahre lang haben wir darauf hingewiesen, dass wir für den Strom, den wir in die Separatistengebiete liefern, kein Geld bekommen. Trotzdem hat uns die Regierung verpflichtet, die Regionen weiterhin zu versorgen. Das ist jetzt vorbei."
    In Luhansk haben von Russland gelenkte Separatisten das Sagen. Sie hätten das Geld, das die Bürger für ihren Strom bezahlten, abgeschöpft, so der Vorwurf. Umgerechnet 170 Millionen Euro seien nie bei den Energiebetrieben in der Ukraine angekommen. Deshalb sei es gerechtfertigt gewesen, den Strom abzuschalten, so der Generaldirektor.
    Separatisten waren auf Stopp der Stromlieferungen vorbereitet
    Die Luhansker sind Versorgungsengpässe gewöhnt: 2014, als dort heftig gekämpft wurde, gab es monatelang keinen Strom und kein fließendes Wasser. Heute Nacht jedoch hätten die meisten Menschen kaum etwas bemerkt von der Maßnahme der Ukraine, teilten die offiziellen Medien der sogenannten "Luhansker Volksrepublik" mit. Schon nach einer Stunde sei die Versorgung in weiten Teilen der Hauptstadt und der Region wieder hergestellt worden.
    Das Oberhaupt der "Volksrepublik" Ihor Plotnitzkij hatte die Menschen schon im Vorfeld beruhigt: "Wir werden dieses Problem lösen, weil wir es schon vorhergesehen haben. Wir werden unseren Strom aus anderen Quellen bekommen, für die Bevölkerung und für die Industrie. Nur vorübergehend kann es zu Engpässen kommen. Positiv ist, dass wir noch unabhängiger werden von der Ukraine, die so kaum noch Druck auf uns ausüben kann."
    Die Katastrophe blieb aus, weil die Separatisten in den vergangenen Jahren intensiv an einer alternativen Stromversorgung gearbeitet hatten. Das Gebiet Luhansk wird nun aus dem Gebiet Donezk und vor allem aus Russland versorgt. Die neue Leitung Richtung Osten sei erst im Februar fertig gestellt worden, sagt Andrij Dichtjarenko, Chefredakteur einer Internetzeitung für den Bezirk Luhansk: "Es gibt Fotos davon, wie die neuen Leitungen selbst im tiefen Winter verlegt wurden. Wohl deshalb hat sich die Ukraine erst jetzt entschlossen, den Strom abzustellen. Ich glaube nicht, dass sich die beiden Seiten abgesprochen haben. Aber die Ukraine hat mit der Abschaltung des Stroms gewartet, damit es in den Separatistengebieten nicht zu einer humanitären Katastrophe kommt."
    "Viele Bewohner fühlen sich von der Ukraine im Stich gelassen."
    Ob abgesprochen oder nicht: Kiew und die Separatisten arbeiten Hand in Hand bei der wirtschaftlichen Trennung des Donezbecken vom Rest der Ukraine. So war es schon bei der Warenblockade, die im März in Kraft trat: Die Ukraine lässt seitdem keinen Güterverkehr mehr über die Frontlinie. Zuvor hatten die die Separatisten alle Unternehmen auf dem Gebiet, das sie kontrollieren, zu ihrem Eigentum erklärt.
    Die absterbenden Wirtschaftsbeziehungen entfremdeten die Menschen in den Separatistengebieten immer mehr von der Ukraine, meinen einige Beobachter. Das treffe aber nicht auf alle Luhansker zu, sagt Andrij Dichtjarenko: "Ja, viele Bewohner des Donezbecken fühlen sich von der Ukraine im Stich gelassen und werfen der Regierung vor, sie sage sich schon von den Gebieten im Osten los. Trotzdem fühlen sich weiterhin viele als ukrainische Bürger. Es gibt Märkte und Läden, wo man Lebensmittel aus der Ukraine kaufen kann, die an der Warenblockade vorbeigeschmuggelt wurden."
    Für die müssen die Luhansker aber inzwischen mit russischen Rubel bezahlen. Die Machthaber der "Volksrepublik" hatten im Februar beschlossen, den Rubel als offizielle Währung einzuführen.