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Ukraine
Russland unterstützt den Bruderstaat

Russland stellt sich klar hinter die Regierung in der Ukraine. Moskau investiert viel Geld, um seinen Einfluss in den ehemaligen Sowjetrepubliken aufrechtzuerhalten oder zurückzugewinnen. Dahinter stecken geostrategische Interessen.

Von Gesine Dornblüth | 23.01.2014
    Zehntausende Regierungsgegner in der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zum sechsten Mal in Folge bei einer großen Sonntagskundgebung gegen die prorussische Führung protestiert.
    Das politische Establishment in Moskau macht westeuropäische Politiker für die Eskalation in Kiew verantwortlich. (AFP PHOTO/GENYA SAVILOV)
    Das offizielle Moskau stellt sich eindeutig auf die Seite der Regierung der Ukraine und der Sicherheitskräfte. Das russische Staatsfernsehen zeigt ausführlich die brennenden Barrikaden in Kiew, Randalierer, die Molotowcocktails auf die Sicherheitskräfte werfen, und spricht von "Extremisten". Die auf Videos dokumentierte Gewalt der Sondereinheit Berkut gegen friedliche Demonstranten zeigen die staatlichen Kanäle hingegen nicht.
    Das politische Establishment macht darüber hinaus westeuropäische Politiker für die Eskalation in Kiew verantwortlich. Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag:
    "Mitglieder einiger europäischer Regierungen sind ohne Einladung von offizieller Seite auf den Maidan gestürmt, haben an Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen, in einem Land, zu dem sie diplomatische Beziehungen unterhalten. Das ist einfach unanständig. Und genau das heizt die Situation an."
    Die Staatsduma verabschiedete gestern eine Erklärung, in der sie den Westen aufruft, sich nicht weiter in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einzumischen. Michail Jemeljanow, Abgeordneter der nur formal oppositionellen Partei "Gerechtes Russland":
    "Wir werden gerade Zeugen dessen, wie gewisse politische Kräfte im Westen verantwortungslos die Gewalt der Protestierenden unterstützen, ohne über die Folgen nachzudenken. Diese politischen Kräfte führen ein politisches Experiment in der Ukraine durch, ohne die Interessen des ukrainischen Volkes zu berücksichtigen. Sie stützen sich auf faschistische, extremistische Kräfte in der Ukraine. Das desavouiert die Erklärungen westlicher Politiker, die von einem demokratischen Weg der Ukraine sprechen und von einer Implementierung demokratischer Werte."
    Russland sicherte Ukraine milliardenschwere Finanzhilfen zu
    Präsident Putin hat sich in den vergangenen Tagen nicht zur Krise in der Ukraine geäußert. Er hat aber längst klar gemacht, wie seine Haltung zu dem Nachbarstaat ist. Bei seiner Jahrespressekonferenz im Dezember sagte er:
    "Ich sage Ihnen ganz ernst und ohne Ironie: Wir sprechen oft vom Bruderstaat oder dem Brudervolk. Die Ukraine befindet sich derzeit in einer schwierigen Situation, wirtschaftlich, sozial und politisch. Wenn wir die Ukraine wirklich als Brudervolk betrachten, dann müssen wir uns auch dementsprechend verhalten und das ukrainische Volk in dieser schwierigen Situation unterstützen."
    Wenige Tage zuvor hatte Russland der Ukraine Finanzhilfen in Milliardenhöhe zugesichert. Bei einem Besuch Janukowitschs in Russland gab Putin bekannt, dass Russland 15 Milliarden US-Dollar in ukrainische Staatsanleihen investieren werde. Zum Vergleich: Die EU hatte der Ukraine im Rahmen der Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen weniger als eine Milliarde in Aussicht gestellt. Zum anderen versprach Putin einen, eventuell aber nur vorübergehenden, Preisnachlass für russisches Gas. Zudem wurden rund ein Dutzend Abkommen und Memoranden unterzeichnet: unter anderem über die Aufhebung von Handelsbeschränkungen, gemeinsamen Flugzeugbau, gemeinsame Infrastrukturprojekte.
    Einmal mehr bestätigte sich im Dezember: Russland ist bereit, enorm viel Geld auszugeben, um seinen Einfluss in den ehemaligen Bruderrepubliken aufrechtzuerhalten oder zurückzugewinnen. So geschieht es in Weißrussland, das unter Sanktionen der EU leidet. Erst Ende des Jahres erhielt es einen erneuten Kredit aus Russland in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar.
    Niedrige Gaspreise für Armenien
    Und so geschieht es auch in Armenien. Die Südkaukasusrepublik hatte, wie die Ukraine, mit einer engeren EU-Anbindung geliebäugelt, auch sie ist Mitglied der Östlichen Partnerschaft der EU, doch im Herbst gab Präsident Sersch Sargsyan bekannt, man wolle sich stattdessen Moskau zuwenden. Niedrige Gaspreise und Investitionen aus Russland sind auch in Armenien der Lohn.
    Hinter Russlands Vorgehen stecken geostrategische Interessen. Russlands Ziel ist es, eine Eurasische Union aufzubauen. Präsident Putin ist überzeugt, dass die bipolare Weltordnung der Vergangenheit angehört und sich neue Machtzentren bilden. Die Eurasische Union mit Russland an der Spitze soll eines dieser Machtzentren werden, und die Ukraine ist dabei fest eingeplant. Glaubt man Außenminister Lawrow, hat das mit einem Tauziehen um die Ukraine nichts zu tun. Russland sei gesprächsbereit:
    "Wir sind bereit, mit der EU über Maßnahmen zu diskutieren, die es erlauben, die gegenwärtige Politik, die Trennlinien vertieft, zu beenden; eine Politik, die die Ukraine und die anderen Mitglieder der sogenannten östlichen Partnerschaft vor die Wahl stellt: 'Entweder mit uns oder gegen uns'. Das ist nicht unsere Mentalität."