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Ukraine
Schlechte Aussichten für "Partei der Regionen"

Die Flucht des abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch nach Russland hat das Image seiner früheren Partei, der Partei der Regionen, stark beschädigt. Viele Ostukrainer trauen ihr nicht mehr. Schlechte Aussichten also für die anstehenden Präsidentenwahlen am 25. Mai.

Von Florian Kellermann | 28.04.2014
    Ein Demonstrant am Platz der Unabhängigkeit in Kiew am 16. Dezember 2013.
    Um bei der Präsidentenwahl eine Chance zu haben, müsste die Partei der Regionen den russischsprachigen Osten und Süden des Landes wieder nahezu geschlossen hinter sich bringen. (picture-alliance / dpa / Nikitin Maxim)
    Samstag Abend in Donezk, vier junge Frauen haben sich schick gemacht. Auf der Terrasse eines Restaurants stoßen sie mit Krimsekt an - sie wollen die Welt für ein paar Stunden vergessen, vor allem die Politik, sagt Katarina, die als Buchhalterin arbeitet:
    "Was die Ukraine will, was Russland will - ich sage es Ihnen ehrlich, uns ist das eigentlich ziemlich egal. Wir wollen in Ruhe arbeiten und leben, das ist alles. Das wollen doch alle Menschen, oder nicht - in Frieden leben. Irgendjemand mag davon profitieren, dass sich die Staaten bekriegen, wir nicht. Wir wissen auch nicht, wer das ist, wir wissen eigentlich so gut wie gar nichts über die Hintergründe des Konflikts."
    Die anderen drei Frauen stimmen zu, es fällt ihnen schwer, sich auf eine Seite des Konflikts zu schlagen. Das liegt auch daran, dass sich die Hälfte der Menschen im Bezirk Donezk sowohl als Russen als auch als Ukrainer fühlen, wie Umfragen zeigen.
    An den Präsidentenwahlen am 25. Mai wollen die Frauen trotzdem teilnehmen, ihre Bürgerpflicht nennen sie das. Aber wen wählen? Beim letzten Mal haben sie für Viktor Janukowitsch gestimmt, der aus dem Bezirk Donezk stammt. Doch er hat sie enttäuscht, weil er korrupt war und nach Russland floh, als sich die Proteste in Kiew zuspitzten. Und Michail Dobkin, der neue Kandidat der "Partei der Regionen", zu der Janukowitsch gehörte?
    In Donezk fühlen sich die Menschen als Russen und Ukrainer
    "Wir kennen ihn nicht, nein, für ihn wollen wir nicht stimmen."
    Das Image der Partei, die im Osten alle Stadt- und Bezirksräte dominiert, hat mitgelitten, viele in Donezk trauen ihr nicht mehr.
    Ganz so verzweifelt wie kurz nach Janukowitschs Flucht ist die Stimmung in der "Partei der Regionen" aber nicht mehr. Denn die separatistische Bewegung in der Ostukraine hat Themen auf die Tagesordnung gesetzt, zu denen sie etwas zu sagen hat. Sie kann sich als gemäßigte Vertretung ostukrainischer Interessen darstellen - und gehe im Parlament wieder in die Offensive, sagt Alexej Hranowskyj, Verwaltungsleiter der Partei in Donezk:
    "Unsere Abgeordnete arbeiten an einem Gesetz über lokale und regionale Volksabstimmungen. Dann kann jeder Bezirk darüber entscheiden, ob er eine Autonome Republik werden will, mit eigenem Parlament und eigener Regierung - innerhalb der Ukraine natürlich. Warum demonstrieren die Menschen? Weil die Regierung in Kiew den Ostukrainern nicht zuhört. Wir sind von Haus aus mehr Russen als Ukrainer."
    So ein Gesetz werde den Separatisten den Wind aus den Segeln nehmen, meint Hranowskyj. Ihre Proteste würden sich nach und nach auflösen. Was Hranowskyj nicht sagt: Für die Gründung von Autonomen Republiken innerhalb der Ukraine müsste erst einmal die Verfassung geändert werden.
    Zeichen für den Widerstand gegen Kiew
    Der Stadtrat von Donezk, in dem es nur Abgeordnete der Partei der Regionen gibt, hat schon ein Zeichen gesetzt für den Widerstand gegen Kiew. Er hat einen Platz nach den Polizisten der Spezialeinheit Berkut benannt, die im Februar bei den Protesten auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz umkamen. In der Hauptstadt und im Westen des Landes gelten die Berkut-Polizisten als Handlanger von Ex-Präsident Janukowitsch - die Regierung löste die Spezialeinheit schon im Februar auf.
    Die Partei der Regionen verurteilt auch den Anti-Terror-Einsatz der Regierung, der gegen die Separatisten im Osten gerichtet ist. Und wie die Rebellen spricht Alexej Hranowskyj von Neo-Faschismus, den die Regierung propagiere. Einer der wenigen Unterschiede zu den Separatisten bleibt das Bekenntnis zur Ukraine:
    "Wenn sich der Bezirk von der Ukraine löst, bleiben wir allein, Russland wird uns nicht aufnehmen. Bei uns leben viele Rentner, sie verbrauchen mehr als unser Bezirk erwirtschaftet. Das wird sich Russland nicht leisten wollen. Und eine von niemandem anerkannte Republik wollen wir wohl auch nicht werden, da könnten wir uns ebenso wenig entwickeln wie Transnistrien."
    Doch, um bei der Präsidentenwahl eine Chance zu haben, müsste die Partei der Regionen den russischsprachigen Osten und Süden des Landes wieder nahezu geschlossen hinter sich bringen. Das werde schwer, meinen Beobachter, dafür habe sie zu viel Vertrauen eingebüßt. Es fehlt ihr auch an Politikern von Format. Ihr designierter Kandidat Michail Dobkin ist im Land bisher vor allem durch ein Video bekannt geworden: Darin flucht er - damals Bürgermeister von Charkiw - fünf Minuten lang, weil ihm der Text einer Ansprache nicht passt.
    Wahrscheinlich werden also am 25. Mai, wenn die Wahl stattfindet, viel weniger Bürger im Osten zu den Urnen gehen als früher. Für Russland wird das ein weiterer Grund sein, die Legitimität der Wahl anzuzweifeln - und damit des neuen Präsidenten.