Die Krimtataren beraten heute, wie sie sich zur russischen Annexion der Halbinsel verhalten sollen. Die Mehrheit von ihnen lehnt es ab, dass die Russische Föderation die Krim in ihren Staat eingliedert. Dennoch sollten die Mitglieder der Minderheit russische Pässe beantragten, riet Refat Tschubarow, das Oberhaupt ihrer Interessenvertretung Medschlis, schon im Vorfeld. Nur so würden sie die gleichen Rechte bekommen wie auch die anderen Krimbewohner. Gleichzeitig sollten die Krimtataren ihre ukrainische Staatsbürgerschaft jedoch nicht aufgeben, so Tschubarow.
Auch die Volksabstimmung vom 16. März erkennen die Krimtataren nicht an. Bei ihr soll sich nach offiziellen Angaben eine überwältigende Mehrheit der Krimbewohner für den Anschluss an Russland ausgesprochen haben. Die Krimtataren zweifeln insbesondere die offizielle Wahlbeteiligung von rund 80 Prozent an. Tatsächlich habe deutlich weniger als die Hälfte abgestimmt, sagen sie. Die Nationalversammlung, der Qurultay, wird deshalb heute voraussichtlich beschließen, selbst eine Volksabstimmung auf der Krim zu organisieren. Sie soll beweisen, dass die Moskau-treue Krimregierung das Referendum vom 16. März manipulierte.
Die Versammlung wird außerdem das Problem der illegalen Landnahme ansprechen. Die Krimtataren wollen von Russland eine Zusage, dass sie die Grundstücke, die sie in den vergangenen Jahren besetzt haben, behalten dürfen. Zinedin Ibraimow, Mitglied in der Krimtataren-Vertretung Medschlis:
"Diejenigen, die Land besetzt haben, werden es nur verlassen, wenn sie eine Alternative angeboten bekommen - ein entsprechendes Stück Land an einer anderen Stelle. Darüber können wir Gespräche führen. Aber auf die Knie zwingen lassen wir uns nicht von der neuen Krim-Regierung [...]. Wir haben nicht mehr das Jahr 1944, als die Sowjetunion uns von hier deportiert hat. Wir sind stärker und werden uns wehren."
Rechtsblock setzt Regierung in Kiew unter Druck
Die Regierung in Kiew richtet ihre Aufmerksamkeit derzeit indes mehr auf den Süden und den Osten des ukrainischen Festlands. Das Risiko sei hoch, dass Russland auch diese Gebiete militärisch besetzen wolle, sagte der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates Andrij Parubij. Inzwischen seien rund 100.000 russische Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Westliche Quellen sprachen bisher von 30.000 Soldaten. Es gehe Moskau darum, die Ukraine weiter zu destabilisieren, so Parubij - und die für den 25. Mai angesetzte Präsidentenwahl zu verhindern.
Darauf deutete auch der gestrige Auftritt des ukrainischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch hin, der sich in Russland aufhält. Er forderte, statt der Wahl sollten vielmehr Volksentscheide in allen Teilen der Ukraine stattfinden: Alle Regionen sollten sich entscheiden, ob sie in der Ukraine bleiben oder sich Russland anschließen wollen.
Auch im Inland steht die ukrainische Regierung unter Druck. Die rechtsgerichtete paramilitärische Vereinigung "Rechter Sektor" verlangt weiter den Rücktritt von Innenminister Arsenij Awakow. Grund ist die Erschießung ihres Aktivisten Alexander Musitschko in der Nacht auf Dienstag, als die Polizei ihn festnehmen wollte. Die Polizei gab an, nicht sie habe die tödlichen Schüsse abgegeben, sie stammten aus Musitschkos Waffe.
Der Rechte Sektor spielte eine wichtige Rolle bei den gewaltsamen Protesten gegen den ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Januar und Februar. Durch seine jüngste Blockade des Parlaments spaltet er nun die sogenannte Maidan-Bewegung. Die dort ebenfalls engagierte Journalistin Tatjana Tschornowol:
"Ich habe den Leuten vom Rechten Sektor zu erklären versucht, dass sie mit der Blockade des Parlaments nur Russland den Rücken stärken. Moskau kommt noch auf den Gedanken zu behaupten, dass Russland nicht nur die Menschen auf der Krim, sondern auch in Kiew schützen muss. Die Existenz der Ukraine als Staat steht jetzt auf dem Spiel."