Dienstag, 19. März 2024

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Umfrage zum Homeschooling
Weiterbildung für Lehrkräfte soll "digitales ABC vermitteln"

Laut einer Umfrage waren 42 Prozent der Eltern nicht zufrieden mit der Arbeit der Lehrkräfte beim Homeschooling in der Coronakrise. Die Qualität hänge bislang sehr stark von den einzelnen Lehrkräften ab, sagte Lena-Sophie Müller vom Netzwerk D21 im Dlf. Teils fehlten Digitalkompetenzen.

Lena-Sophie Müller im Gespräch mit Matthis Jungblut | 13.08.2020
Schüler beim Unterricht zu Hause mit seiner per Video zugeschalteten Lehrerin
Schüler beim Unterricht zu Hause mit seiner per Video zugeschalteten Lehrerin (Imago / Westend61)
Das Homeschooling in der Coronakrise hat offenbar nicht zur vollen Zufriedenheit funktioniert. Laut einer aktuellen Umfrage gaben 54 Prozent der befragten Eltern an, dass die Lehrerinnen und Lehrer den Unterricht auf eigene Initiative digital gestaltet haben. Aber 42 Prozent zeigten sich unzufrieden und bemängelten, dass die Lehrkraft mit digitalen Anwendungen überfordert war.
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Coronakrise halbierte Lernzeit der Schüler
Der durch die Coronakrise bedingte Unterrichtsausfall konnte nicht annähernd durch Homeschooling aufgefangen werden – so das Ergebnis einer Studie des ifo-Instituts für Bildungsökonomik. Wie könnten die Defizite ausgeglichen werden?
Das zeigen die Vorabergebnisse des E-Government Monitors 2020, die von der Initiative D21, einem gemeinnützigen Netzwerk für digitale Gesellschaft, vorgestellt wurden.
Neben Mängeln bei der technischen Ausstattung gebe es auch Verbesserungsbedarf bei der Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer, sagte die Geschäftsführerin von D21, Lena-Sophie Müller.

Matthis Jungblut: Ein Drittel der Eltern war unzufrieden mit dem Homeschooling. Was waren denn da die zentralen Gründe?
Lena-Sophie Müller: Schulen haben aktuell einfach noch keine gute Ausstattung, um digitalen Unterricht durchzuführen. Das führte dazu, dass die Qualität und inwiefern Schüler unterstützt werden können, sehr stark von den einzelnen Lehrkräften abhing. Und da sehen wir in der Befragung, dass zwar 54 Prozent sagen, sie sind da zufrieden gewesen, aber 42 Prozent sagen auch, sie waren da nicht sehr zufrieden mit der Arbeit der Lehrkräfte.
Das bringt uns dazu, dass wir sagen, das Aus- und Weiterbildungssystem für Lehrkräfte muss dringend ein digitales ABC vermitteln. Das heißt, Lehrkräfte müssen befähigt werden, die notwendigen Digitalkompetenzen zu haben, damit wir zeitgemäße Bildung auch auf digitalem Wege in Deutschland anbieten können.
"Lehrkräfte dürfen dabei nicht alleingelassen werden"
Jungblut: Muss es da nicht auch mehr Vorgaben von oben geben, damit die Lehrer da nicht alleingelassen werden?
Müller: Das ist ein wichtiger Punkt, die Lehrkräfte dürfen dabei nicht alleingelassen werden, das darf nicht dem Zufall überlassen werden. Deswegen brauchen wir bestimmte Standards. Dafür muss die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte genauer auch mal angeschaut werden, ob sie wirklich für das Leben 2020 dann auch vorbereitet und up to date ist.
Man hat das ja auch gesehen in unserer Studie, dass die Lernmaterialien größtenteils, wenn überhaupt, per E-Mail übermittelt wurden und dass also nicht auf neue Möglichkeiten kollaborativer, interaktiver Formate zurückgegriffen wurde, sehr wenig Videokonferenzen nur eingesetzt wurden, was natürlich aber eigentlich eine Beziehung zwischen den Schülerinnen und Schülern und der Lehrkraft, die ja so wichtig ist, um die Inhalte zu vermitteln, ermöglicht hätte.
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Bundeselternrat: "Noch so ein Schuljahr können wir uns nicht erlauben"
Trotz Hygienekonzepten werde es im neuen Schuljahr zu regelmäßigen Lockdowns kommen - der Unterricht müsse dennoch weitergehen, sagte der Vorsitzende des Bundeselternrats, Stephan Wassmuth, im Dlf.
Jungblut: Vier von fünf Schülern, da lief der Unterricht über E-Mails, ich denke mal, da wurden dann zum Beispiel Arbeitsblätter verschickt. Sieht so ein digitaler Unterricht aus, wie Sie es sich vorstellen?
Müller: Nein. Da muss ich natürlich auch noch mal sagen, dass die Corona-Pandemie eine Extremsituation ist und auch für viele überraschend kam. Die Lehrkräfte und die Schulen waren im Vorteil, die vorher schon angefangen haben, digitale Infrastruktur aufzubauen, Routine zu entwickeln, also auch im Vorfeld schon mal mit digitalen Arbeitsblättern zum Beispiel gearbeitet haben, wo auch für die Schülerinnen und Schüler das nicht etwas völlig Neues war. Und die, die das nicht hatten, die standen jetzt erst mal vor großen Herausforderungen.
Ich will da ein praktisches Beispiel geben: Wenn Sie Arbeitsblätter einscannen oder fotografieren und den Schülerinnen und Schülern zukommen lassen, die zwar ein Smartphone haben, um sich das anzugucken. Dann kann sich jeder aber auch gut vorstellen, dass so ein Smartphone nicht gut geeignet ist, um ein fotografiertes Arbeitsblatt oder ein eingescanntes Arbeitsblatt in irgendeiner Art und Weise zu bearbeiten oder es auszudrucken. Viele haben gar keinen Drucker zu Hause. Von daher sehen zwar nicht das Hauptproblem bei den Geräten der Schülerinnen und Schüler, weil da sind zumindest Geräte, womit man sich die Sachen anschauen kann. Wir stellen aber fest, dass es kein rundes Gesamtpaket ist, wo gute digitale Bildung stattfinden kann.
Das Problem mit den Lehrplattformen
Jungblut: Kommen wir mal zu den Lehrplattformen. Nur ein Drittel der Schülerinnen und Schüler hat das genutzt. Aber wenn man sich mal anschaut, wie kompliziert das Ganze zum Beispiel beim Datenschutz ist, aber auch welche Anbieterflut da auf Schulen und Lehrer zugekommen ist, muss man sich da eigentlich nicht wundern.
Müller: Das ist richtig. Und das ist auch ein Problem, was wir nicht bei den Lehrkräften oder bei den Schulen sehen, sondern das ist ganz klar eine Aufgabe der Politik, der Kultusministerien, die hier klare Vorgaben und auch klare Leitplanken geben müssen, in denen die Lehrkräfte sich dann auch recht sicher bewegen können, indem sie eine Sicherheit haben, welche Anwendung sie eigentlich nutzen dürfen. Da kann es nicht nur sein, dass es Listen gibt, wo bestimmte Dinge verboten werden, sondern da muss es vor allem auch Lösungswege geben, Angebote gemacht werden, die dann zu nutzen sind, mit denen man dann den Unterricht digital gestalten kann.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Jungblut: Viel wurde im Vorfeld auch darüber gesprochen, dass längst nicht jeder ein digitales Endgerät auch zu Hause hat, mit dem er dann Homeschooling betreiben kann. In der Befragung gibt jetzt aber nur jeder Siebte an, keinen Zugang zu einem Tablet oder Smartphone zu haben. Hat Sie das überrascht?
Müller: Das hat uns nicht so sehr überrascht, aber ein Stück weit tatsächlich schon, weil in der öffentlichen Diskussion wir auch viel eben über die Geräte gesprochen haben und gehört haben, dass das ein Problem ist. Letztlich, wenn man mit Lehrkräften oder mit Experten im Bereich digitaler Bildung spricht, wird immer gesagt, es ist der Gesamtprozess, der betrachtet werden muss - wie das Arbeitsmaterial zu den Schülern kommt, wie es bearbeitet wird, wie es zurück an die Lehrkräfte geht, wie die verschiedenen Unterrichtsformen auch eine Interaktion, einen Austausch miteinander ermöglichen. Deswegen liegt es nicht nur am Gerät, sondern auch an den Digitalkompetenzen der Schülerinnen und Schüler, der Eltern und der Lehrkräfte. Und es liegt letztlich auch an dem Inhalt und in welcher Form dieser Inhalt bearbeitbar zur Verfügung gestellt wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.