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Umrüstung bei Diesel-Modellen
Halter ohne Update können gegen Stilllegungsbescheid vorgehen

Nach dem Diesel-Skandal hat sich der Volkswagen-Konzern verpflichtet, die Fahrzeuge mit manipulierter Abgasreinigung umzurüsten – aber nicht alle Käufer wollen das. Den ersten Update-Verweigerern flattern nun Stilllegungsbescheide ins Haus. Dürfen sie ihren Diesel nun nicht mehr fahren?

Von Alexander Budde | 30.10.2017
    Abgase strömen aus dem Auspuff eines Fahrzeuges mit Dieselmotor, aufgenommen bei Saarbrücken (Saarland) am 03.08.2017.
    Nach dem Diesel-Skandal: Zehn Prozent der Halter haben noch nicht umgerüstet (dpa/Daniel Karmann)
    Das Schreiben vom 19. Oktober hat es in sich: Das Straßenverkehrsamt in Euskirchen teilt darin dem Halter eines VW-Amarok mit, dass ihm wegen der illegalen Abschalteinrichtung und wegen mangelnder Nachrüstung der weitere Betrieb ab sofort untersagt sei.
    Volkswagen, der Hersteller des Pickup-Models, ist amtlich verpflichtet, sämtliche Fahrzeuge mit manipulierter Abgasreinigung wieder in einen gesetzeskonformen Zustand zu bringen. VW hat die Kunden aufgerufen, zu diesem Zweck ein Software-Update in den Vertragswerkstätten aufspielen zu lassen.
    Software-Update verweigert
    Sein Mandant weigere sich aus gutem Grund, sagt jedoch Rechtsanwalt Ralf Sauer. Der Halter klagt vor dem Landgericht Köln gegen VW und Händler auf Rückabwicklung, weil ihm das Auto in arglistiger Täuschung mit Mängeln verkauft worden sei.
    "Hätte er dieses Software-Update aufgrund dieses Versuchs der Erzwingung aufspielen lassen, hätten wir natürlich in dem Zivilprozess durchaus Beweisprobleme gehabt. Und das wiederum führt nach unserer Auffassung dazu, dass diese Erzwingung – insbesondere dann, wenn jemand gegen Volkswagen beziehungsweise gegen Händler klagt – unverhältnismäßig ist."
    Die Kanzlei Stoll & Sauer vertritt nach eigenen Angaben mehr als 35.000 Geschädigte im Abgasskandal und führt bundesweit mehr als 4000 Gerichtsverfahren gegen den Wolfsburger Autobauer selbst und seine Händler. Sauer beantragte am vergangenen Mittwoch, den Sofortvollzug auszusetzen und legte vorsorglich Klage gegen die Verfügung beim Landgericht ein. Mit Erfolg, wie er berichtet:
    "Dem Antrag wurde innerhalb von nur anderthalb Stunden stattgegeben. Und es wurde nicht nur aufschiebende Wirkung hergestellt, sondern der ganze Verwaltungsakt wurde in Bausch und Bogen sofort zurückgenommen. Das heißt, das Fahrzeug darf wieder am Straßenverkehr teilnehmen. Das zeigt uns, dass die Behörde selbst weiß, dass eine Stilllegung rechtswidrig wäre."
    Das Amt in Euskirchen begründet sein Vorgehen mit "verwaltungsrechtlichen Bedenken", die nun weiter geprüft würden.
    vzbv: Behörden massiv überfordert
    Für Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband, kurz vzbv, ist die Entscheidung zunächst einmal begrüßenswert, da der Kläger im konkreten Fall nicht dazu gezwungen werde, sein Beweismaterial zu vernichten.
    Dies bedeute jedoch nicht, dass sich betroffene Fahrzeughalter nun pauschal dem umstrittenen Software-Update entziehen könnten. Ihnen drohe weiterhin die Betriebsuntersagung, weil das Kraftfahrtbundesamt einen verpflichtenden Rückruf angeordnet habe.
    Mehr als zwei Jahre sind seit der Aufdeckung des Betrugs vergangen, bemerkt Jungbluth, wenig sei in der Zeit getan worden, um das Vertrauen der Geschädigten wieder herzustellen.
    "Die Straßenverkehrsbehörden genauso wie das Kraftfahrtbundesamt sind massiv überfordert. Eine sinnvolle Einrichtung wäre eine Schlichtungsstelle für Neuwagenkäufe. Und das Kraftfahrtbundesamt muss zu einem Dienstleister werden – auch für Verbraucher. Das heißt, viel mehr Informationen bereitstellen auf der Website und auch proaktiv einen andern Umgang mit Verbrauchern pflegen."
    Interpretationssache Gutachten
    Volkswagen teilt in einer schriftlichen Erklärung mit, dass die betroffenen Fahrzeuge nach der amtlich genehmigten Umrüstung die bestehenden Abgasgrenzwerte erfüllten, dass sie sicher und fahrbereit seien. Das Unternehmen verweist dabei auf unabhängige Studien sowie Testverfahren im Labor wie auf der Straße.
    Klägeranwalt Sauer bezweifelt das. Er verweist seinerseits auf die Aussagen von Sachverständigen vor deutschen Landgerichten, wonach als Folge des Software-Updates zu befürchten sei, dass sich etwa der Partikelfilter zusetze und früher ausgetauscht werden müsse; dass die Abgasrückführung leide – was zu kürzeren Service-Intervallen führe; dass sich der Kraftstoffverbrauch erhöhen könne oder dass andere Mängel auftreten:
    "Wir sind der Meinung, das ist ein Placebo! Nach dem, was zum Beispiel in Österreich bei einem Sachverständigengutachten ermittelt wurde, handelt es sich bei diesem Software-Update auch nur wieder um eine neue Abschalteinrichtung, nunmehr eben so, dass eine Vielzahl von kleinen Abschaltvorrichtungen mit entsprechenden ‚Thermofenstern‘ und Ähnliches eingeführt wird. Im Ergebnis dürfte der Stickoxidausstoß über die normale Nutzung des Fahrzeugs kaum verändert werden."
    Und wie ist es eigentlich um die Rechte der Halter von all den anderen Dieselmodellen deutscher und ausländischer Hersteller bestellt? Diese Frage drängt sich für vzbv-Sprecherin Jungbluth gerade ebenso auf:
    Verbraucher in Zwangslagen
    "Da sind die Verbraucher dann nicht in der Situation, dass ihnen gleich die Betriebszulassung entzogen wird, wenn sie sich dem nicht beugen – jedoch haben da auch die Hersteller schon teilweise andere Methoden gefunden und drohen an, wenn man ein Update nicht aufspielt, dass man dann auch das Recht verliert, alle weiteren Updates überhaupt noch geliefert zu bekommen. Das heißt, dass sich die Verbraucher alle in sehr unterschiedlichen Zwangslagen befinden."
    Die Zweifel mehren sich, dass die freiwillige Nachrüstung per Software-Update wirklich dazu geeignet ist, drohende Fahrverbote für schmutzige Dieselautos in deutschen Städten abzuwenden. Sollte am Ende doch nur die Nachrüstung mit zusätzlichen Bauteilen [*] nötig sein, dürften sich Fragen wie die nach der Kostenübernahme und Garantie mit neuer Dringlichkeit stellen.

    [*] Aufgrund eines Sachfehlers wurde an dieser Stelle im Manuskript eine Kürzung vorgenommen: Bei den zusätzlichen Bauteilen handelt es sich, anders als vorab geschrieben stand, um Katalysatoren mit Harnstoffeinspritzung.