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Umstrittene Einlagengarantie
Absicherung mit Unsicherheiten

Vor genau zehn Jahren, am 5. Oktober 2008, gaben Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr damaliger Finanzminister Steinbrück ein umstrittenes Versprechen: Finanzkrise hin oder her - die Spareinlagen der Deutschen seien sicher. Doch waren sie das wirklich?

Von Uwe Lueb | 05.10.2018
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) garantieren 5. Oktober 2008 die Sicherheit der Spareinlagen.
    Umstrittene Garantie: Bundeskanzlerin Merkel und Bundesfinanzminister Steinbrück versprechen den Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. (picture-alliance / dpa / Rainer Jensen)
    Herbst 2008: Die Finanzkrise hält die Welt in Atem. Mitte September bricht die amerikanische Bank Lehman Brothers zusammen. Andere Banken sind bedroht, auch deutsche - und damit das Geld der Sparer. Drei Wochen nach der Lehman-Pleite wenden sich Bundeskanzlerin Merkel und der damalige Finanzminister Steinbrück von der SPD gemeinsam an die Öffentlichkeit - am 5. Oktober, einem Sonntag:
    "Wir sagen den Sparerinnen und Sparer, dass ihre Einlagen sicher sind. Dafür steht die Bundesregierung ein." - "Ich möchte gerne unterstreichen, dass die Sparerinnen und Sparer in Deutschland nicht befürchten müssen, einen Euro ihrer Einlagen zu verlieren."
    Kettenreaktion soll verhindert werden
    Doch es geht nicht nur um das Wohl der Sparer, sondern darum, eine unkontrollierte Kettenreaktion zu vermeiden. Was, wenn Millionen Menschen plötzlich ihr Geld abheben? Banken würden zusammenbrechen wie Kartenhäuser. Das gesamte System wäre aus den Fugen.
    All das sagt Steinbrück auch - etwas verklausuliert: "Das ist ein wichtiges Signal damit es zu einer Beruhigung kommt. Und nicht zu Reaktionen, die unverhältnismäßig wären und die uns die derzeitige Krisenbewältigung noch schwieriger machen."
    Heute - zehn Jahre danach - hat sich die Lage längst beruhigt. Dennoch bewerten Politiker die Entscheidung von damals unterschiedlich. Rundherum richtig, sagt der neue Unionsfraktionschef Brinkhaus, weil: "Vertrauen ist ganz, ganz wichtig. Die beiden haben dadurch Vertrauen geschaffen und sehr viel dadurch stabilisiert."
    Ein kaum einlösbares Versprechen?
    Der FDP-Abgeordnete Fricke, damals im Haushaltsausschuss des Bundestages, wägt dagegen ab: "Der reine Haushälter in mir sagt: Das ist eben falsch, denn das ist nur ein Versprechen. Der Politiker, der die Ängste sieht, der in Verantwortung ist, dass Angst nicht eintritt in unsere Gesellschaft, muss sagen: Es war richtig."
    Entschiedener urteilt der grüne Finanzpolitiker Schick. Er sieht in dem Versprechen von Merkel und Steinbrück schlicht ein Zeichen der Hilflosigkeit.
    "Denn sie haben ein Versprechen abgegeben, dass sie im Zweifel nicht hätten einhalten können. Denn die Spareinlagen sind so groß, dass der Bundeshaushalt letztlich nicht ausgereicht hätte um die letztlich abzusichern, wenn es zu einer wirklichen Kernschmelze gekommen wäre."
    Eine solche "Kernschmelze", wie er es nennt, wäre aber ohne das Versprechen womöglich tatsächlich passiert - also der Zusammenbruch des Bankensystems.
    Wie unhaltbar das Versprechen womöglich gewesen wäre - es war ein voller Erfolg: Denn kaum jemand hebt sein Geld vom Konto ab, um es unters Kopfkissen zu legen. Mehr noch: In den Monaten danach steigen die Einlagen deutscher Sparer sogar an. Die Bundesregierung kann sich also in Ruhe um Krisenbewältigung kümmern und vorsorgen.
    Für Brinkhaus hat sie geliefert: "Wir haben ja zusammen mit unseren europäischen Kollegen fast 50 Gesetze auf den Weg gebracht, damit sich so etwas nicht nochmal wiederholt. Wir haben neue Behörden geschaffen, wir haben neue Aufseher geschaffen."
    Steuer-Milliarden für Commerzbank-Rettung
    Fricke verlangt dagegen mehr Vorsorge. Denn sollte es doch noch einmal zu einer Bankenkrise kommen, dürften nicht wieder die Steuerzahler haften müssen. An denen sei letztlich nämlich mehr hängengeblieben als nötig, kritisiert Schick. Er spricht von Fehlern, die nicht mehr zu korrigieren seien:
    "Dass der Bund mit Konditionen bei der Commerzbank eingestiegen ist, die viel zu günstig für die Alt-Aktionäre waren und schlecht für den Steuerzahler. Dieser Fehler ist gemacht worden. Und deswegen wird uns die Commerzbank-Rettung Millarden kosten. Andere Länder haben ihre Länder besser gerettet und sind mit einem Plus rausgekommen. In Deutschland wird es dagegen bei einem Milliarden-Minus bleiben."
    Und es bleiben Gefahren, mahnt Fricke - Stichwort Staatsverschuldung. Wachsen einem Staat seine Schulden über den Kopf, bedroht das auch wieder Banken. Das Drama könnte von vorn beginnen.
    "Italien ist hier der berühmte Elefant im Porzellan-Laden, der im Moment durch die Regierung laut trötet, sich aber zum Glück wirtschaftlich noch nicht so weit bewegt hat, dass das Porzellan kapput geht. Aber da liegt eine ganz große Gefahr."