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Umstrittener Besuch in Berlin
Der rote Teppich für Al-Sisi ist ausgerollt

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi trifft sich heute in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck. Der Besuch ist umstritten, schließlich regiert Al-Sisi sein Land mit eiserner Faust, Oppositionelle werden verfolgt und verhaftet.

Von Klaus Remme | 03.06.2015
    Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi während eines Treffens der Arabischen Union.
    Nicht überall in Berlin gern gesehen: Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi. (AFP / Mohamed El-Shaded)
    Natürlich hätte die Bundesregierung diesen Gast nicht einladen müssen. Eine ablehnende Begründung hätte etwa so lauten können: Angesichts der systematischen Verfolgung oppositioneller Gruppen mit Massenverhaftungen, Verurteilungen zu langen Haftstrafen und einer unfassbaren Anzahl von Todesurteilen gibt es derzeit keine Grundlage für eine Begegnung. Norbert Lammert, als Bundestagspräsident zweithöchster Repräsentant Deutschlands formulierte es so und verweigerte einen Termin mit Al-Sisi. Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour applaudiert:
    "Ich bin sehr froh, dass mein Parlamentspräsident sich nicht mir Sisi treffen will. Lammert hat das als Repräsentant des Hohen Hauses und der Vertreterinnen und Vertreter des deutschen Volkes genau richtig gemacht."
    Das sehen wahrlich nicht alle so. Selbst in den Reihen der Opposition gibt es Politiker ohne Berührungsängste, etwa in der Linkspartei. Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen will die Entscheidung Lammerts eigentlich nicht kommentieren, sagte dem Deutschlandfunk dann aber doch soviel:
    "Wenn es die Gelegenheit auch für einen kritischen Dialog gibt, dann sollte man den nutzen. Sprachlosigkeit ist keine Strategie, aber der Präsident wird seine Gründe haben, und das muss er vor sich selber auch verantworten."
    Opposition fordert von Kanzlerin kritischen Dialog mit Al-Sisi
    Der Gast aus Kairo kann sich nicht beklagen. Der rote Teppich ist ausgerollt. Al-Sisi wird heute vom Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin, dem Bundesaußen- und Bundeswirtschaftsminister empfangen. Mit Al-Sisi kommt ein Mann, der das Land nach den chaotischen Wirren der letzten Jahre mit eiserner Faust und per Dekret regiert. Seit der Amtsenthebung des gewählten Präsidenten Mursi, dem die Todesstrafe droht, zählen Nicht-Regierungsorganisationen über 40.000 politische Häftlinge, Amnesty International zufolge sind seit 2013 124 Häftlinge durch Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen. In Scheinprozessen wurden über 700 Todesurteile gesprochen. Angela Merkel muss dies offen ansprechen, fordern Opposition und Menschenrechtsorganisationen. Die Grünen werfen der Bundeskanzlerin vor, ihr Versprechen zu brechen, den Präsidenten erst nach der Durchführung freier Wahlen zu empfangen. Niels Annen von der SPD hält den Besuch dennoch für richtig:
    "Ich hätte mir in der Tat gewünscht, dass der Besuch nach einer erfolgten Parlamentswahl stattgefunden hätte, aber die Zeiten sind nicht so, der Nahe Osten ist in Aufruf. Und Ägypten ist ein wichtiges Land und wir können es uns nicht leisten, monatelang sprachunfähig zu bleiben."
    Auch Wirtschaftskontakte geplant
    Ein Argument entlang der Linie von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der schon bei seinem Besuch in Kairo vor wenigen Wochen deutlich machte: Es gibt keine Alternative zum Dialog. Nahost-Konflikt, Libyen, Jemen, IS - Ägypten ist bei all diesen Themen einer der Schlüsselstaaten. Omid Nouripour von den Grünen lässt das Argument der Sprachlosigkeit nicht gelten:
    "Es geht nicht darum, dass man miteinander nicht redet. Ich bin außenpolitischer Sprecher meiner Fraktion, ich rede die ganze Zeit zum Beispiel mit Diplomaten. Aber es ist ein fatales Signal an die Zivilgesellschaft Ägyptens, erst zu sagen, Parlamentswahlen sind wichtig für die Legitimierung der neuen Regierung, um dann am Ende zu sagen: dann halt nicht."
    Auch Wirtschaftskontakte kommen in den nächsten beiden Tagen nicht zu kurz. Al-Sisi plant Energie- und Infrastrukturprojekte zur wirtschaftlichen Belebung des Landes. Deutsche Unternehmen, Siemens, Daimler, Thyssen Krupp, wären gerne mit von der Partie.