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Umweltbundesamt
"Verzicht auf fossile Energieträger nach wie vor das A und O"

Bei der Begrenzung der globalen Erderwärmung auf 1,5 Grad ist nach Einschätzung des Umweltbundesamtes der Verzicht auf fossile Energieträger wie Kohle vorrangig. Sollte es notwendig sein, etwa Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen, müsse es wirklich sicher entsorgt werden, sagte Vize-UBA-Präsident Michael Angrick im Dlf.

Michael Angrick im Gespräch mit Jule Reimer | 25.02.2019
Das Papenburger Moor
Moore haben nach Angaben des Umweltbundesamtes großen Einfluss auf die Treibhausgas-Emissionen (picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen)
Jule Reimer: Ein halbes Grad Celsius klingt wenig. Aber was Risiken und Schäden angeht, wird es einen erheblichen Unterschied machen, ob die mittlere Temperatur auf der Erde bis Ende des Jahrhunderts um 1,5 oder zwei Grad ansteigen wird. Für 1,5 Grad müssten die menschlichen Emissionen von Kohle, Öl und Gas bis zum Jahr 2050 auf netto null gedreht werden, mahnt das Umweltbundesamt.
Am Telefon ist jetzt Michael Angrick, dessen Vizepräsident. Herr Angrick, netto hieße, kann sein, dass wir noch Kohle, Öl und Gas nutzen, aber dann müssen wir es irgendwie der Atmosphäre direkt wieder entziehen, oder erst gar nicht aufsteigen lassen?
Michael Angrick: Na ja. Zunächst mal müssen wir es so weit wie möglich wirklich runterfahren. Da führt kein Weg dran vorbei. Wir müssen unsere Wirtschafts- und unsere Lebensweise entsprechend ausrichten. Die Dekarbonisierung, der Verzicht auf den Einsatz von Kohle, von fossilen Energieträgern ist nach wie vor das A und O.
Unterirdische Speicher "müssen wirklich sicher sein"
Reimer: Entnehmen heißt?
Angrick: Entnehmen heißt dann tatsächlich: Wenn es notwendig ist, etwas aus der Atmosphäre zu entnehmen, dann muss es wirklich sicher entsorgt werden, sprich es gibt unterirdische Speicher, die allerdings wirklich sicher sein müssen, denn so was muss dann langfristig gebunden sein. Sonst ist das letztendlich eine Milchmädchenrechnung, die man dort aufmachen würde.
Reimer: Sie sagen jetzt, nachhaltige Landnutzung ist eine mögliche Maßnahme. Was heißt das konkret?
Angrick: Ja, die ist in der Tat eine Möglichkeit. Wenn Sie zum Beispiel an Moore denken, die einen sehr großen Einfluss auf die Treibhausgas-Emissionen insbesondere haben. Wenn hier wieder mehr gewässert würde, die Moore in ihre Funktion zurückgesetzt würden, Moorschutz und Moorrenaturierung, dann wäre das in der Tat ein guter Beitrag, ebenso wie natürlich auch eine Wiederaufforstung, unabhängig von dem, was Sie gerade aus Kanada berichtet haben.
Reimer: Wie kommt diese Problematik in Kanada zustande?
Angrick: Die Problematik in Kanada kommt zustande, dass es nach den derzeitigen Berechnungsmethodiken in der Tat so ist, dass es sogenannte Natural Disturbances gibt, dass man natürliche Störungen rausrechnen kann. Das schlägt natürlich bei großen Ländern wie Kanada sehr deutlich zu Buche, zeigt aber letztendlich auch, wie verletzlich inzwischen unsere Erde geworden ist, dass so große Feuer, wie sie im letzten Jahr beispielsweise in weiten Teilen der Welt zu verzeichnen waren, nicht mehr einfach so wegzudiskutieren sind. Es wird sich mit Sicherheit an dieser Stelle etwas bei den Berechnungsmethoden ändern müssen. Das wird wahrscheinlich geschehen im Zusammenhang mit den Diskussionen über die Ausfüllung des Paris-Abkommens, bei der wir ja jetzt dabei sind, konkrete Maßnahmen zu diskutieren und umzusetzen. Da muss jedes Land vorlegen, was es wirklich im Einzelnen machen will, und dann auch Berechnungsmethoden dazu entsprechend anpassen.
"Landwirtschaft ist ein Problem"
Reimer: Aufforstung ist nicht gleich Aufforstung. Welche Landwirtschaft hilft?
Angrick: Na ja. Landwirtschaft ist ein Problem. Was nicht hilft ist, wenn man in großen Flächen jetzt anfangen würde, Holz hochzuziehen, das man dann verfeuert, und dann dieses CO2, was bei der Verfeuerung freigesetzt wird, irgendwo verpressen wollen würde. Das ist eine Methode, die diskutiert wird. Die steht eindeutig in Flächenkonkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln auf landwirtschaftlichen Nutzflächen. Bei den Nutzflächen, die landwirtschaftlich genutzt werden, ist Ökolandbau höchst wahrscheinlich ein sinnvollerer Weg als der normale Landbau, aber das gibt eine ganze Reihe. Das ist ein sehr großes Feld. Das ist ein ganzes Ökosystem, was da letztendlich dranhängt: Bodenqualität, Wasserqualität. All das muss man dann zusammen sich anschauen.
Reimer: Ohne CO2-Entnahme wird es wahrscheinlich nicht gehen für das 1,5 Grad Ziel. Michael Angrick, Vizepräsident des Umweltbundesamtes, vielen Dank für das Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.