Donnerstag, 28. März 2024

Kraftwerke gehen vom Netz
Umweltschützer feiern Ende der Kernkraft

Die Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke hat noch einmal Menschen mit unterschiedlichen Haltungen zur Kernenergie auf die Straße gebracht. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace feierte den Ausstieg aus der Atomenergie am Brandenburger Tor in Berlin. Auch einige Kernkraft-Befürworter demonstrierten.

15.04.2023
    Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied des Deutschen Bundestages und ehemaliger Umweltminister, steht neben einer Aktivistin vor einer Dinosaurier-Figur und der roten Sonne, teil des Anti-Atomkraft-Logos, bei einer Aktion der Umweltorganisation Greenpeace vor dem Brandenburger Tor.
    An der Demonstration vor dem Brandenburger Tor beteiligte sich auch der frühere Umweltminister Trittin. (Christoph Soeder / dpa)
    In Berlin versammelten sich nach Angaben von Greenpeace 200 bis 300 Atomkraft-Gegner am Brandenburger Tor, wo die Organisation einen symbolisch zur Strecke gebrachten "Atomdino" aufgestellt hatte. Der Chef von Greenpeace Deutschland, Kaiser, feierte die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland als "riesigen Erfolg" von 40 Jahren Anti-Atom-Bewegung. Aktionen gab es auch auf dem Odeonsplatz in München, am Akw in Neckarwestheim und an der Brennelemente-Fabrik in Lingen.
    Am Brandenburger Tor protestierten auch einige Menschen gegen die Abschaltung der Kernkraftwerke. Der Verein Nuklearia hatte in einem Aufruf angekündigt, ein positives Zeichen für Atomkraft setzen zu wollen.

    Kraftwerke werden bis Mitternacht heruntergefahren

    Der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland wird heute vollendet. Die Leistung der letzten drei noch verbliebenen Meiler wird langsam heruntergefahren. Anschließend werden die Generatoren vom Strom genommen und die Reaktoren abgeschaltet.
    "Isar 2" in Bayern, "Neckarwestheim 2" in Baden-Württemberg und "Emsland" in Niedersachsen sind die letzten drei Atomkraftwerke, die heute vom Netz genommen werden. Im AKW "Emsland" wird es vermutlich am längsten dauern. Hier wird der Reaktor voraussichtlich erst kurz vor Mitternacht abgeschaltet.
    Der Ausstieg aus der Atomkraft hätte eigentlich schon zum Jahreswechsel erfolgen sollen. Wegen der russischen Invasion der Ukraine und der dadurch ausgelösten Energiekrise wurde der Betrieb der drei Meiler jedoch verlängert. Beschlossen hatte den Atomausstieg die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel nach der Atomkatastrophe von 2011 im japanischen Fukushima.

    Lemke (Grüne): Energieversorgung in Deutschland "im internationalen Vergleich sehr stabil"

    Bundesumweltministerin Lemke betonte, die Energiesicherheit hierzulande sei auch im nächsten Winter garantiert. Sie könne die Sorgen und Ängste diesbezüglich nachvollziehen, sagte die Grünen-Politikerin im Deutschlandfunk. Im internationalen Vergleich habe Deutschland jedoch eine sehr stabile Energieversorgung. Darüber hinaus würden erneuerbare Energieformen weiter ausgebaut.
    Greenpeace-Vorstand Kaiser bezeichnete das Ende der Nutzung der Kernenergie in Deutschland als guten Tag für den Klimaschutz. Zugleich forderte er eine sichere Entsorgung des über Jahrzehnte angesammelten Atommülls.

    Anhaltende Kritik

    FDP und Union halten das Abschalten der Meiler dagegen für falsch. Sie befürchten, dass die Energieversorgung im Winter gefährdet sein könnte. Der CDU-Vorsitzende Merz sagte dem NDR, es könne nicht sein, dass Deutschland drei Kernkraftwerke vom Netz nehme, die die sichersten der Welt seien. CSU-Chef Söder sprach von einem traurigen Kapitel deutscher Energiepolitik. Die AfD-Co-Vorsitzende Weidel forderte, die Koalition solle die Abschaltung stoppen und auf die Bürger in Deutschland hören.
    Aus der FDP hieß es, die Kernkraftwerke sollten betriebsbereit gehalten werden. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Stockmeier sagte im Deutschlandfunk, der Krieg in der Ukraine schaffe eine neue Situation, in der weitere Stromkapazitäten möglicherweise gebraucht würden.

    Ende einer mehr als 60-jährigen Ära

    Mit der Abschaltung der drei letzten Atomkraftwerkeenden mehr als sechs Jahrzehnte Nutzung der Atomenergie zur Stromerzeugung in Deutschland. Das erste Kernkraftwerk in der Bundesrepublik hatte 1960 und das erste in der DDR 1966 den Betrieb aufgenommen.
    Mehr über die Anfänge der Atomkraft erfahren Sie hier. Außerdem haben wir eine Chronik der Anti-Atomkraft-Bewegung zusammengestellt.
    Diese Nachricht wurde am 15.04.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.