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Umweltschutz aus Sparsamkeit

China bläst mehr Treibhausgase in die Luft als jedes andere Land der Erde. Das liegt vor allem an der gigantischen Industrie und dem Bauboom im Land. Die meisten Chinesen leben äußerst energiesparend.

Von Markus Rimmele | 07.11.2013
    Herr Tian und Frau Cao sind bestimmt nicht daran schuld, dass China der weltgrößte Klimasünder ist. Die beiden sind Nachbarn in einer Shanghaier Hochhaussiedlung.

    "Ich fahre schon mein ganzes Leben lang mit dem Fahrrad," erzählt Herr Tian, 66 Jahre alt. "Ich hatte ein Fahrrad auf dem Land, und als ich in die Stadt zog, habe ich es eingetauscht gegen ein neues. Heute, wenn ich faul bin, fahre ich mit dem Bus. Der ist zwar voll, aber billig."

    "In meiner Familie und den meisten Familien, die ich kenne, hat niemand einen Wäschetrockner," sagt Frau Cao, 63. "Selbst unsere Waschmaschine benutzen wir nur sparsam. Für Bettzeug und große Sachen. Das andere waschen wir mit der Hand und hängen es zum Trocknen raus. Wir sind nicht abhängig von Maschinen."

    Wie Herr Tian und Frau Cao lebt die Masse der chinesischen Großstadtbevölkerung. Energiesparend. Die Bilder der Dauerstaus mögen täuschen. Pro Kopf gerechnet fahren Chinesen um ein Vielfaches weniger Auto als Deutsche oder gar Amerikaner. Das Gleiche gilt für Flugreisen und vieles mehr. Ganz Südchina, etwa 800 Millionen Menschen, leben – staatlich verordnet - sogar ohne Heizung, trotz Minusgraden im Winter.

    "China wird niemals den amerikanischen Lebensstil übernehmen," sagt Jiang Dahe, Umweltwissenschaftler an der Shanghaier Tongji-Universität. "Es gibt einfach Grenzen. Die Bevölkerung ist zu groß. Wir haben nicht genug Öl oder Kohle. Eine Heizung zu haben, wäre schön, aber es ist nicht notwendig."

    Die Landbevölkerung, etwa die Hälfte der 1,3 Milliarden Chinesen, lebt auf noch kleinerem Energiefuß als die Städter. Trotzdem liegt China beim CO2-Ausstoß pro Kopf schon etwa gleichauf mit dem EU-Durchschnitt. Das liegt vor allem an der gigantischen Industrie und dem Bauboom im Land. Zur Energieerzeugung wird vor allem Kohle verfeuert. Viele Fabriken arbeiten noch ineffizient, Energie wird verschwendet. Noch vor wenigen Jahren war der Klimawandel auch in China ein Thema. Seit der Weltfinanzkrise ist von Regierung und Medien aber weniger zu hören. Das Wirtschaftswachstum steht im Vordergrund. Und: Chinas täglich sichtbare Umweltkatastrophe hat den eher abstrakten Klimawandel zur Seite gedrängt.

    "In den Medien dreht sich jetzt alles um die Luftverschmutzung," sagt Song Hui von der Shanghaier Umwelt-NGO Aifen. "Die Bevölkerung kennt sich jetzt sehr gut mit Feinstaubwerten aus. Wenn wir aber mit anderen Kampagnen und Themen daherkommen, bekommen wir viel weniger Aufmerksamkeit."

    Und dann sind da noch die verseuchten Flüsse, die belasteten Böden, die verunreinigten Lebensmittel. Klimaschützer dringen mit ihrer Botschaft nur schwer durch. Große Kampagnen gibt es kaum. Der Spielraum unabhängiger Nichtregierungsorganisationen ist wegen der Überwachung durch Peking ohnehin klein. Die Regierung hat Ziele zur Energieeffizienz und zum Ausbau der Erneuerbaren Energien gesetzt. Das Wirtschaftswachstum frisst die Erfolge allerdings schnell auf.

    Herr Tian und Frau Cao sparen Energie nicht, weil sie ans Klima denken, sondern aus finanziellen Gründen und aus Gewohnheit. Wer zu Geld kommt, will davon nichts mehr wissen. Bei der neuen städtischen Mittelschicht hat der verschwenderische Lebensstil des Westens Einzug gehalten. Frau Cao kann darüber nur den Kopf schütteln.

    "Die jungen Leute mit guten Jobs haben Autos und tauschen die andauernd aus. So wie ihre Telefone. Das geht so schnell. Und die wollen sich auch immer mit anderen vergleichen."