Klaus Remme: Es geht nicht komplizierter in der internationalen Politik: Die Suche nach einer politischen Lösung für das Kosovo scheint ausweglos. Serbien will eine Unabhängigkeit der Provinz um jeden Preis vermeiden. Und für die immer ungeduldiger werdenden Albaner im Kosovo ist genau diese Unabhängigkeit das einzig akzeptable Ergebnis. Russland unterstützt Serbien, die USA unterstützen die Kosovo-Albaner. Der finnische Unterhändler Ahtisaari hat monatelang verhandelt und eine Lösung vorgeschlagen, doch die von ihm propagierte überwachte Unabhängigkeit konnte im UN-Sicherheitsrat nicht gegen Moskau durchgesetzt werden. Deshalb soll nun fernab von Vetorechten eine Troika aus Vertretern Russlands, den Vereinigten Staaten und der EU verhandeln.
Vor der Sendung habe ich mit Angela Kane gesprochen. Sie ist Beigeordnete UN-Generalsekretärin in New York. Woran genau ist Ahtisaari letztlich gescheitert? Das war meine erste Frage.
Angela Kane: Ich glaube nicht, dass er gescheitert ist. Herr Ahtisaari, der ja, wie Sie wissen, langjährige Erfahrung hat nicht nur als Präsident von Finnland, sondern auch innerhalb der UNO und langjährige Verhandlungserfahrungen, wurde vom Generalsekretär beauftragt, vom früheren Generalsekretär Kofi Annan, beauftragt, um eine Lösung herbeizuführen. Und er hat ja ein sehr umfangreiches Dokument abgeliefert nach vielen wochenlangen, monatelangen Gesprächen mit beiden Seiten sowohl in Belgrad wie auch in Pristina, was einen Vorschlag macht, wie man die Situation Kosovo lösen könnte. Und diesen Vorschlag hat er eingereicht an den Generalsekretär, der den Vorschlag weitergeleitet hat an den Sicherheitsrat mit seiner Unterstützung. Das heißt, er hat gesagt, dieses Dokument, was Herr Ahtisaari und auch sein Mitverhandler Albert Rohan vorgelegt haben, ist ein Dokument, was wirklich sehr ausführlich ist, man sieht, dass das monatelange Arbeit dran war, und das unterstütze ich sehr. Und daran ist es letztendlich, liegt es jetzt. Denn der Sicherheitsrat hat dieses Dokument nicht angenommen, sondern, wie Sie wissen, sind Einwände gekommen, dass man sagt, man muss das jetzt anders handhaben, das kann doch nicht die Endlösung sein, Belgrad hat es abgelehnt.
Remme: Ich wollte auch gar nicht so sehr behaupten, dass Ahtisaari eine persönliche Niederlage erlitten hat. Sondern es ist ja unbestritten, dass seine Bemühungen nicht die Lösung gezeitigt haben, zumindest jetzt noch nicht, die er beabsichtigt hatte. Was kann die Troika, die jetzt verhandeln will, erreichen, was innerhalb des UN-Rahmens offenbar nicht möglich ist?
Kane: Die Troika, wie Sie wissen, besteht aus Amerika, die EU und Russland. Das heißt also, dass man im Grunde genommen den Kreis der Verhandler, wenn man so will, erweitert. Und dadurch, dass Russland mit am Tisch sitzt, ist schon die Möglichkeit gegeben, dass sie sofort einbezogen werden, obwohl, das muss man auch sehen, Ahtisaari hat auch mit der Kontaktgruppe während seiner Verhandlungen sehr engen Kontakt gehabt. Es ist also nicht so, dass das plötzlich aus blauem Himmel kam. Aber ich glaube schon, dass jetzt die Möglichkeit besteht, dass man sich noch mal zusammensetzt und sagt, gut, was kann man jetzt noch erreichen, was über die Verhandlung von Ahtisaari hinausgeht? Was kann man noch zusätzlich, wie kann man das weiterhin lösen?. Denn momentan ist es ja einfach, sitzt es, hängt es fest, man kommt nicht weiter.
Remme: Und es liegt an den Russen, die ja nicht einmal das, was Ahtisaari erreicht hat oder vorgeschlagen hat, als Geschäfts- oder als Gesprächsgrundlage nehmen wollen.
Kane: Nein, und worum es sich auch noch handelt, das ist, dass die Zeitspanne noch nicht entschlossen ist. Im Grunde genommen lag der Vorschlag vor von 4 Monaten, 120 Tagen, aber die Russen möchten gerne, dass es offen gehalten wird der Termin, das heißt, dass kein Endtermin genannt wird.
Remme: Frau Kane, ist hier das Kosovo ein Spielball der Großmächte geworden, einer wider Erwarten Konkurrenz zwischen Russland und den USA?
Kane: So möchte ich das eigentlich nicht bezeichnen. Ich glaube, dass es nicht nur auch an Russland liegt. Und das hat sich sehr deutlich auch gezeigt im Sicherheitsrat. Denn was im Grunde genommen der Sicherheitsrat beschließen müsste in dem 1244, die Resolution, in der man diese Kosovo-Angabe gemacht hat, dass also die UNMIK, dass die UNO praktisch, für Kosovo verantwortlich ist und das ja auch als selbständig leitet, dass man das einseitig vom Sicherheitsrat beschließt, dass die Grenzen eines Landes, eines Mitgliedstaates der UNO von dem Sicherheitsrat unisono praktisch geändert werden. Und das stößt nicht nur bei Russland, das stößt auch bei anderen Ländern auf Widerstand.
Remme: Beobachter bezeichnen die Atmosphäre in der Provinz selbst als zunehmend explosiv. Was glauben Sie, wie viel Zeit bleibt der internationalen Gemeinschaft im Kosovo?
Kane: Ich glaube nicht, dass die internationale Gemeinschaft sich drängen lassen sollte. Denn es ist sicher, dass die Situation nicht sehr einfach ist auch für die jetzigen politischen Leiter, die Regierung, wenn man so will, von Kosovo, um die Leute, die ja deutlich eine Erwartung hatten, dass sie innerhalb von wenigen Monaten praktisch unabhängig sein würden, dass das sich jetzt nicht verwirklicht. Im Kosovo selbst sollten auch Wahlen stattfinden. Diese Wahlen haben nicht stattgefunden. Die hat man hinausgezögert unter dem Motto "Es dauert noch eine Weile, es ist jetzt verfrüht, um Wahlen abzuhalten". Und es ist sicherlich nicht einfach, um die Gefühle in Schach zu halten. Aber auf der anderen Seite glaube ich schon, dass die Regierung von Kosovo, dass die Kosovo-Albaner, dass die versuchen, dafür Verständnis zu gewinnen, dass man dieses nicht über den Stab brechen kann. Und unsere große Sorge ist eben, wir möchten gern, dass es ein Verhandlungsprozess bleibt und nicht, dass jetzt unilateral praktisch die Unabhängigkeit von Kosovo von anderen Staaten möglicherweise anerkannt wird.
Remme: Das ist eine Möglichkeit, die im Raume steht durch Andeutungen, wie sie zum Beispiel US-Präsident Bush vor einiger Zeit getan hat. Für wie wahrscheinlich halten Sie diese Möglichkeit?
Kane: Ich kann jetzt nicht spekulieren, wie die politischen Absichten von US-Präsident Bush sind. Aber ich hoffe, dass das nicht der Fall sein wird. Denn im Grunde genommen führt das zu einer Situation, die einfach für uns auch von der UNO her eine sehr unerfreuliche sein würde und auch für die Europäische Union.
Remme: Was heißt das konkret, was heißt das konkret, Frau Kane? Was befürchten Sie für diese Situation?
Kane: Ich meine, was heißt das? Im Grunde genommen ist es ja so, dass Kosovo jetzt schon mehr oder weniger unabhängig, wenn man so sagen will, von der UNO geführt wird. Aber im Grunde genommen ist es so, dass die Unabhängigkeit nicht anerkannt ist. Das heißt also, im Grunde genommen ist es immer noch Teil von Serbien. Wenn jetzt eine unilaterale Unabhängigkeitserklärung entweder von Seiten Kosovos, oder aber dass das erkannt wird von anderen, denn die Unabhängigkeits-, die unilaterale Unabhängigkeitserklärung müsste ja erst mal vorausgehen. Was heißt denn das? Im Grunde genommen ist es so, dass die einzige Legitimität, wenn man so will, ja auch dann von der UNO kommen müsste, dass man dann praktisch UNO-Mitglied ist. Aber die ganzen ausländischen Zusammenhänge, zum Beispiel die ganzen Außenbeziehungen laufen ja alle über die UNO, laufen alle über UNMIK. Ob das jetzt das Telefon ist, ob das das Bankensystem ist. Alles, die Schilder für die Autoschilder zum Beispiel, alles läuft über die UNO. Das kann man nicht einfach so sagen, also jetzt sind wir unabhängig, und jetzt übernehmen wir das selbst. Wo bleibt denn die internationale Gemeinschaft dann?
Remme: Frau Kane, im Rückblick, war es ein Fehler, die Kosovo-Albaner nach dem Krieg '99 nicht sofort in die Unabhängigkeit zu entlassen?
Kane: Man kann, wissen Sie, ich meine, Sie müssen das auch sehen nicht nur als Kosovo, sondern man muss das auch im allgemeinen Staatenzusammenhang sehen. Man kann nicht sagen, jetzt ist eine Provinz, sagen wir mal, von einem unabhängigen Staat hat sich dagegen gestemmt. Das gibt, das setzt ein Beispiel für viele andere, die das eventuell auch nachmachen würden, möchte ich mal so sagen. Das muss ein normaler verhandelter Prozess sein. Und man muss versuchen, einen Weg zu finden, um eine Lösung herbeizuführen auf dem Verhandlungswege. Aber nicht die Sache über den Stab brechen und unilaterale Maßnahmen treffen. So geht das nicht.
Remme: Immerhin wäre es seinerzeit zumindest mit den Parteien, die im Moment Einsprüche erheben, nämlich Serbien und Moskau, vermutlich einfacher gewesen.
Kane: Ja, aber ich meine, hinterher ist man immer schlauer, als man vorher ist. Und ob das dann unbedingt die richtige Lösung gewesen wäre, weiß man momentan auch nicht. Ich meine, jetzt im Nachhinein erscheint es vielleicht eine einfachere Lösung, aber ob das die richtige Lösung gewesen wäre, ist, steht auch dahin.
Remme: Sehen Sie die Gefahr, dass erneut ein Krieg um das Kosovo geführt wird?
Kane: Nein, die sehe ich, die sehe ich nicht. Denn im Grunde genommen sind wir jetzt von '99 bis 2007 sehr viel weiter gekommen. Und ich glaube nicht, dass es zu einer erneuten Kriegshandlung kommen wird.
Remme: Ahtisaari hat gearbeitet. Er hat etwas vorgelegt, das allgemein im Deutschen überwachte Unabhängigkeit genannt wird. Welche Alternativen sehen Sie denn zu diesem Konstrukt?
Kane: Ich glaube nicht, dass es momentan eine andere Alternative gibt. Ich glaube, dass die Erwartungen immer sehr hoch gespannt waren in Kosovo selbst. Und ich weiß nicht, ob die Realität durchgedrungen ist zu den Leuten, die dort leben. Aber im Grunde genommen, wie ich bereits sagte, besteht nicht nur auf Seiten der Russen, sondern auch auf Seiten anderer Mitgliedstaaten große Bedenken, um jetzt unilateral vom Sicherheitsrat die Grenzen eines Staates zu ändern.
Remme: Abschließend, Frau Kane, wäre es, wenn das so ist, nicht ehrlicher, jetzt zu sagen, es gibt zurzeit keine politische Lösung für die Provinz?
Kane: Ich glaube, dass die Realität doch schon durchgesickert ist. Schließlich, das Ahtisaari-Papier liegt vor seit Ende letzen Jahres. Man hat das etwas hinausgezögert, weil man erst noch ein bisschen abwarten wollte, was passiert. Aber auf der anderen Seite: Inzwischen sind wir fast im August, acht, neun Monate später. Ich glaube, dass die Erwartung schon heruntergeschraubt worden ist. Und das ist meiner Ansicht nach auch wichtig. Aber irgendeine Zeitperspektive muss schon drin sein, dass man nicht sagt, das kann jetzt noch Jahre weitergehen. Open-ended, wie die Russen sagen, aber nicht auf Jahre hinaus. Man muss schon eine Zeitperspektive einbauen.
Remme: Vom Hauptquartier der Vereinten Nationen war das Angela Kane, Beigeordnete UN-Generalsekretärin.
Vor der Sendung habe ich mit Angela Kane gesprochen. Sie ist Beigeordnete UN-Generalsekretärin in New York. Woran genau ist Ahtisaari letztlich gescheitert? Das war meine erste Frage.
Angela Kane: Ich glaube nicht, dass er gescheitert ist. Herr Ahtisaari, der ja, wie Sie wissen, langjährige Erfahrung hat nicht nur als Präsident von Finnland, sondern auch innerhalb der UNO und langjährige Verhandlungserfahrungen, wurde vom Generalsekretär beauftragt, vom früheren Generalsekretär Kofi Annan, beauftragt, um eine Lösung herbeizuführen. Und er hat ja ein sehr umfangreiches Dokument abgeliefert nach vielen wochenlangen, monatelangen Gesprächen mit beiden Seiten sowohl in Belgrad wie auch in Pristina, was einen Vorschlag macht, wie man die Situation Kosovo lösen könnte. Und diesen Vorschlag hat er eingereicht an den Generalsekretär, der den Vorschlag weitergeleitet hat an den Sicherheitsrat mit seiner Unterstützung. Das heißt, er hat gesagt, dieses Dokument, was Herr Ahtisaari und auch sein Mitverhandler Albert Rohan vorgelegt haben, ist ein Dokument, was wirklich sehr ausführlich ist, man sieht, dass das monatelange Arbeit dran war, und das unterstütze ich sehr. Und daran ist es letztendlich, liegt es jetzt. Denn der Sicherheitsrat hat dieses Dokument nicht angenommen, sondern, wie Sie wissen, sind Einwände gekommen, dass man sagt, man muss das jetzt anders handhaben, das kann doch nicht die Endlösung sein, Belgrad hat es abgelehnt.
Remme: Ich wollte auch gar nicht so sehr behaupten, dass Ahtisaari eine persönliche Niederlage erlitten hat. Sondern es ist ja unbestritten, dass seine Bemühungen nicht die Lösung gezeitigt haben, zumindest jetzt noch nicht, die er beabsichtigt hatte. Was kann die Troika, die jetzt verhandeln will, erreichen, was innerhalb des UN-Rahmens offenbar nicht möglich ist?
Kane: Die Troika, wie Sie wissen, besteht aus Amerika, die EU und Russland. Das heißt also, dass man im Grunde genommen den Kreis der Verhandler, wenn man so will, erweitert. Und dadurch, dass Russland mit am Tisch sitzt, ist schon die Möglichkeit gegeben, dass sie sofort einbezogen werden, obwohl, das muss man auch sehen, Ahtisaari hat auch mit der Kontaktgruppe während seiner Verhandlungen sehr engen Kontakt gehabt. Es ist also nicht so, dass das plötzlich aus blauem Himmel kam. Aber ich glaube schon, dass jetzt die Möglichkeit besteht, dass man sich noch mal zusammensetzt und sagt, gut, was kann man jetzt noch erreichen, was über die Verhandlung von Ahtisaari hinausgeht? Was kann man noch zusätzlich, wie kann man das weiterhin lösen?. Denn momentan ist es ja einfach, sitzt es, hängt es fest, man kommt nicht weiter.
Remme: Und es liegt an den Russen, die ja nicht einmal das, was Ahtisaari erreicht hat oder vorgeschlagen hat, als Geschäfts- oder als Gesprächsgrundlage nehmen wollen.
Kane: Nein, und worum es sich auch noch handelt, das ist, dass die Zeitspanne noch nicht entschlossen ist. Im Grunde genommen lag der Vorschlag vor von 4 Monaten, 120 Tagen, aber die Russen möchten gerne, dass es offen gehalten wird der Termin, das heißt, dass kein Endtermin genannt wird.
Remme: Frau Kane, ist hier das Kosovo ein Spielball der Großmächte geworden, einer wider Erwarten Konkurrenz zwischen Russland und den USA?
Kane: So möchte ich das eigentlich nicht bezeichnen. Ich glaube, dass es nicht nur auch an Russland liegt. Und das hat sich sehr deutlich auch gezeigt im Sicherheitsrat. Denn was im Grunde genommen der Sicherheitsrat beschließen müsste in dem 1244, die Resolution, in der man diese Kosovo-Angabe gemacht hat, dass also die UNMIK, dass die UNO praktisch, für Kosovo verantwortlich ist und das ja auch als selbständig leitet, dass man das einseitig vom Sicherheitsrat beschließt, dass die Grenzen eines Landes, eines Mitgliedstaates der UNO von dem Sicherheitsrat unisono praktisch geändert werden. Und das stößt nicht nur bei Russland, das stößt auch bei anderen Ländern auf Widerstand.
Remme: Beobachter bezeichnen die Atmosphäre in der Provinz selbst als zunehmend explosiv. Was glauben Sie, wie viel Zeit bleibt der internationalen Gemeinschaft im Kosovo?
Kane: Ich glaube nicht, dass die internationale Gemeinschaft sich drängen lassen sollte. Denn es ist sicher, dass die Situation nicht sehr einfach ist auch für die jetzigen politischen Leiter, die Regierung, wenn man so will, von Kosovo, um die Leute, die ja deutlich eine Erwartung hatten, dass sie innerhalb von wenigen Monaten praktisch unabhängig sein würden, dass das sich jetzt nicht verwirklicht. Im Kosovo selbst sollten auch Wahlen stattfinden. Diese Wahlen haben nicht stattgefunden. Die hat man hinausgezögert unter dem Motto "Es dauert noch eine Weile, es ist jetzt verfrüht, um Wahlen abzuhalten". Und es ist sicherlich nicht einfach, um die Gefühle in Schach zu halten. Aber auf der anderen Seite glaube ich schon, dass die Regierung von Kosovo, dass die Kosovo-Albaner, dass die versuchen, dafür Verständnis zu gewinnen, dass man dieses nicht über den Stab brechen kann. Und unsere große Sorge ist eben, wir möchten gern, dass es ein Verhandlungsprozess bleibt und nicht, dass jetzt unilateral praktisch die Unabhängigkeit von Kosovo von anderen Staaten möglicherweise anerkannt wird.
Remme: Das ist eine Möglichkeit, die im Raume steht durch Andeutungen, wie sie zum Beispiel US-Präsident Bush vor einiger Zeit getan hat. Für wie wahrscheinlich halten Sie diese Möglichkeit?
Kane: Ich kann jetzt nicht spekulieren, wie die politischen Absichten von US-Präsident Bush sind. Aber ich hoffe, dass das nicht der Fall sein wird. Denn im Grunde genommen führt das zu einer Situation, die einfach für uns auch von der UNO her eine sehr unerfreuliche sein würde und auch für die Europäische Union.
Remme: Was heißt das konkret, was heißt das konkret, Frau Kane? Was befürchten Sie für diese Situation?
Kane: Ich meine, was heißt das? Im Grunde genommen ist es ja so, dass Kosovo jetzt schon mehr oder weniger unabhängig, wenn man so sagen will, von der UNO geführt wird. Aber im Grunde genommen ist es so, dass die Unabhängigkeit nicht anerkannt ist. Das heißt also, im Grunde genommen ist es immer noch Teil von Serbien. Wenn jetzt eine unilaterale Unabhängigkeitserklärung entweder von Seiten Kosovos, oder aber dass das erkannt wird von anderen, denn die Unabhängigkeits-, die unilaterale Unabhängigkeitserklärung müsste ja erst mal vorausgehen. Was heißt denn das? Im Grunde genommen ist es so, dass die einzige Legitimität, wenn man so will, ja auch dann von der UNO kommen müsste, dass man dann praktisch UNO-Mitglied ist. Aber die ganzen ausländischen Zusammenhänge, zum Beispiel die ganzen Außenbeziehungen laufen ja alle über die UNO, laufen alle über UNMIK. Ob das jetzt das Telefon ist, ob das das Bankensystem ist. Alles, die Schilder für die Autoschilder zum Beispiel, alles läuft über die UNO. Das kann man nicht einfach so sagen, also jetzt sind wir unabhängig, und jetzt übernehmen wir das selbst. Wo bleibt denn die internationale Gemeinschaft dann?
Remme: Frau Kane, im Rückblick, war es ein Fehler, die Kosovo-Albaner nach dem Krieg '99 nicht sofort in die Unabhängigkeit zu entlassen?
Kane: Man kann, wissen Sie, ich meine, Sie müssen das auch sehen nicht nur als Kosovo, sondern man muss das auch im allgemeinen Staatenzusammenhang sehen. Man kann nicht sagen, jetzt ist eine Provinz, sagen wir mal, von einem unabhängigen Staat hat sich dagegen gestemmt. Das gibt, das setzt ein Beispiel für viele andere, die das eventuell auch nachmachen würden, möchte ich mal so sagen. Das muss ein normaler verhandelter Prozess sein. Und man muss versuchen, einen Weg zu finden, um eine Lösung herbeizuführen auf dem Verhandlungswege. Aber nicht die Sache über den Stab brechen und unilaterale Maßnahmen treffen. So geht das nicht.
Remme: Immerhin wäre es seinerzeit zumindest mit den Parteien, die im Moment Einsprüche erheben, nämlich Serbien und Moskau, vermutlich einfacher gewesen.
Kane: Ja, aber ich meine, hinterher ist man immer schlauer, als man vorher ist. Und ob das dann unbedingt die richtige Lösung gewesen wäre, weiß man momentan auch nicht. Ich meine, jetzt im Nachhinein erscheint es vielleicht eine einfachere Lösung, aber ob das die richtige Lösung gewesen wäre, ist, steht auch dahin.
Remme: Sehen Sie die Gefahr, dass erneut ein Krieg um das Kosovo geführt wird?
Kane: Nein, die sehe ich, die sehe ich nicht. Denn im Grunde genommen sind wir jetzt von '99 bis 2007 sehr viel weiter gekommen. Und ich glaube nicht, dass es zu einer erneuten Kriegshandlung kommen wird.
Remme: Ahtisaari hat gearbeitet. Er hat etwas vorgelegt, das allgemein im Deutschen überwachte Unabhängigkeit genannt wird. Welche Alternativen sehen Sie denn zu diesem Konstrukt?
Kane: Ich glaube nicht, dass es momentan eine andere Alternative gibt. Ich glaube, dass die Erwartungen immer sehr hoch gespannt waren in Kosovo selbst. Und ich weiß nicht, ob die Realität durchgedrungen ist zu den Leuten, die dort leben. Aber im Grunde genommen, wie ich bereits sagte, besteht nicht nur auf Seiten der Russen, sondern auch auf Seiten anderer Mitgliedstaaten große Bedenken, um jetzt unilateral vom Sicherheitsrat die Grenzen eines Staates zu ändern.
Remme: Abschließend, Frau Kane, wäre es, wenn das so ist, nicht ehrlicher, jetzt zu sagen, es gibt zurzeit keine politische Lösung für die Provinz?
Kane: Ich glaube, dass die Realität doch schon durchgesickert ist. Schließlich, das Ahtisaari-Papier liegt vor seit Ende letzen Jahres. Man hat das etwas hinausgezögert, weil man erst noch ein bisschen abwarten wollte, was passiert. Aber auf der anderen Seite: Inzwischen sind wir fast im August, acht, neun Monate später. Ich glaube, dass die Erwartung schon heruntergeschraubt worden ist. Und das ist meiner Ansicht nach auch wichtig. Aber irgendeine Zeitperspektive muss schon drin sein, dass man nicht sagt, das kann jetzt noch Jahre weitergehen. Open-ended, wie die Russen sagen, aber nicht auf Jahre hinaus. Man muss schon eine Zeitperspektive einbauen.
Remme: Vom Hauptquartier der Vereinten Nationen war das Angela Kane, Beigeordnete UN-Generalsekretärin.