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UN-Flüchtlingshilfswerk
Immer mehr Menschen fliehen weltweit - Europa nimmt immer weniger auf

Immer mehr Menschen fliehen weltweit - vor Gewalt und politischer Verfolgung. Im vergangenen Jahr waren es laut einem Bericht des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) insgesamt 82,4 Millionen. Das ist einer neuer Höchstwert - nach Europa kommen aber immer weniger.

Von Marc Engelhardt | 18.06.2021
Rohingya-Flüchtlinge erhalten in einem Lager in Bengaluru i nIndien Nahrungsmittel
Rohingya-Flüchtlinge erhalten in einem Lager in Indien Nahrungsmittel (dpa / Zuma Wire / SOPA / Meghana Sastry)
Die Zahl der Flüchtenden, die in Europa ankommen, ist 2020 im vierten Jahr infolge gesunken. Auch in Deutschland gab es weniger Asylanträge als in den Vorjahren, nämlich etwa 100.000. Doch die UNHCR-Statistik zählt auch die Türkei zu Europa. Das Land hat mit knapp vier Millionen Geflüchteten die meisten Asylsuchenden weltweit aufgenommen. Der Großteil davon sind Syrerinnen und Syrer, die vor dem seit Jahren anhaltenden Bürgerkrieg fliehen. Danach folgt Kolumbien mit 17 Millionen geflohenen Menschen, vor allem aus Venezuela, und dann Deutschland mit knapp anderthalb Millionen Geflüchteten.

Europa nur eines von vielen Zielen

Ein Grund, warum in Europa weniger Geflüchtete ankommen, ist die Abschottung des Kontinents gerade an seiner Mittelmeerküste. Insgesamt 13.000 Migrantinnen und Migranten sind in diesem Jahr schon von der libyschen Küstenwache, Frontex oder kommerziellen Schiffen abgefangen und nach Libyen gebracht wurden. Ein Land, von dem die Vereinten Nationen sagen, dass es kein sicherer Ort für Geflüchtete ist. Immer wieder gibt es Berichte aus Libyen über menschenunwürdige Unterbringung und Folter.
Grafik: "Immer mehr Menschen auf der Flucht"
Immer mehr Menschen sind nach UNHCR-Angaben weltweit auf der Flucht (dpa Grafik)
Laut dem UNHCR-Bericht lebt nur etwa jede neunte geflohene Person in Europa, wenn man die Türkei außen vorlässt. Über 50 Prozent der Menschen sind innerhalb ihres eigenen Landes geflohen. Die meisten Flüchtenden, die es über die Grenze schaffen, kommen in den direkten Nachbarländern unter. 86 Prozent aller Geflüchteten weltweit werden von Ländern mit niedrigem oder mittleren Einkommen aufgenommen. Zum Beispiel Länder wie Uganda oder auch der Libanon, wo jede achte Person, die in dem Land lebt, dorthin geflohen ist.

Corona-Pandemie verschlechtert Situation für Flüchtende

Auch die Corona-Pandemie hat sich auf die Fluchtbewegung überall auf der Welt ausgewirkt. Im Pandemiejahr 2020 wurden etwa eine Millionen Asylanträge weniger gestellt als noch 2019, obwohl es politische Verfolgung, Kriege und andere Fluchtursachen auch während der Corona-Pandemie gegeben hat.
Aber verschiedene Mechanismen, die normalerweise Asylsuchenden helfen, sind teilweise zum Erliegen gekommen. Zudem hatten 160 Länder weltweit ihre Grenzen 2020 zumindest zeitweise geschlossen, 99 davon nach UNHCR-Einschätzung auch für Schutzsuchende.

UNHCR erwartet 60.000 Bootsflüchtlinge

Krisen und Konflikte haben aber in der Hälfte der Länder weltweit zugenommen. Auch wird eine Rezession der Wirtschaft erwartet, gerade in ärmeren Ländern, die noch länger mit der Corona-Pandemie zu tun haben werden. Dadurch werden vermutlich mehr Menschen zur Flucht und Migration getrieben. Außerdem hat die Corona-Pandemie die Flucht vieler Menschen im vergangenen Jahr unterbrochen.
Deshalb erwartet das UNHCR in diesem Jahr 60.000 Geflüchtete, die mit dem Boot nach Europa kommen. Das wäre die höchste Zahl seit fünf Jahren. Daher mahnt das UNHCR, die Europäische Union müsse jetzt, in Zeiten des geringen Zulaufs, ein adäquates Konzept für den Schutz und die Verteilung von Geflüchteten erarbeiten.