Dieses Mal heißt das Ziel Stavroupoli. Wo in Herrgottsnamen ist denn das?, könnte berechtigterweise hinterfragt werden. Und tatsächlich hat bis heute kaum jemand von diesem entlegenen Ort im Nordwesten Griechenlands gehört. Der Fremde erreicht Stavroupoli über die Kleinstadt Xanthi und fährt in nördlicher Richtung hinauf in gebirgiges Gelände. Hinter zahlreichen Kurven inmitten einer unerwartet üppig wachsenden Pflanzen- und Baumvielfalt, erreicht er die circa 350-Seelen-Gemeinde Stavroupoli. Wer gerne wandert in einer alpinen Berg- und Tallandschaft unterwegs ist, wer Wörter, wie "unberührt" und "jungfräulich" sprichwörtlich nimmt, der kann gar nicht anders, als von dieser untouristischen Region Griechenlands, ergriffen zu sein, die bisher vorwiegend von Griechen besucht wird. Und diese sind in Zeiten der Krise nun wahrlich rar geworden.
Die Erkundung des Ortes Stavroupoli erweist sich als Glücksfall: Saubere Straßen, alte, in ottomanischem Stil erbaute und heute geschmackvoll restaurierte Häuschen, nirgendwo hässliche Werbeplakate, ein einziges Restaurant und eine kleine Piazza im Zentrum, auf der sich alle Einwohner zu einem Kaffee begegnen.
Hier sitzt auch der Bürgermeister, Giorgos Karakasalidis, der sich der Besonderheit seiner Gemeinde bewusst ist.
"Wir haben sehr gezielt und konzentriert damit begonnen uns um diesen, vom Tourismus unberührten, Teil Griechenlands zu bemühen. Die Vorzüge Stavroupolis sind offensichtlich: eine stark ausgeprägte Naturlandschaft mit einer großen Anzahl endemischer Pflanzen. Und zahlreicher Waldtiere, besonders hervorzuheben - der Braunbär. Bedenken Sie bitte auch, wir befinden uns nahe der Bergkette der Rhodopen, mit den ältesten Höhenlagen Europas. Eine Bergregion, die nicht so sehr von der Eiszeit berührt worden ist. Ebenso wichtig: das Nestos-Tal. Dort soll Orpheus von den Rhodopen hinabgestiegen sein, um an den Flussufern, seine lyrischen Gesänge zu schreiben. Etwas später soll hier Alexander der Große, damals noch ein zwölfjähriger Junge, geruht haben, als er bei einem Kampf verletzt wurde."
Die Empfehlung des Bürgermeisters eine Wanderung in die Berge einzuplanen und den größten Wasserfall den "Livadithis" zu besichtigen, erweckt alle Neugier. Und so geht's am zweiten Tag auf circa 1200 Meter hinauf.
Vom gut ausgeschilderten Parkplatz verläuft ein schmaler Pfad 2,5 Kilometer hinunter, bis zu der Stelle, wo der Wasserfall zu einem kleinen Fluss wird und seit Jahrhunderten schon seinen Weg durch dichtes Waldgebiet gebahnt hat. Der junge Förster Pandelis Theodoridis kommt sehr oft an diesen Ort. Auch er stammt aus Stavroupoli. Er ist bewusst hier geblieben, als andere den einsamen Ort verlassen haben, um mit seinem Wissen der Heimat zu dienen. Pandelis übt zwei Berufe aus. Zum einen hat er das Haus seines Großvaters geerbt und zu einer urigen Pension ausgebaut. Dort wo einst der Großvater auf dickem Gebälk unter dem Dach seinen Tabak zum Trocknen aufhängte, sind drei Gästezimmer entstanden. Und weil in Stavroupoli jeder jeden kennt, bleibt die Tür seiner Pension zu jeder Tages- und Nachtzeit geöffnet. Zum anderen geht der junge Mann seiner Leidenschaft als Förster nach.
"Wilde Tulpen bestimmen in den kleinen Waldlichtungen das Bild. In den höheren Regionen geht es los mit den Eichenwäldern, Birkenwäldern und Buchenwäldern mit Bäumen bis zu 50 Meter hoch und zwei Meter im Durchmesser. Bei uns kommt die wilde Olive vor und viele andere seltene Bäume, wie Carpinus orientalis, Fraxinus ornus, Ostrya carpinifolia, Acer monspessulanum. An den Ufern des Nestos existieren acht verschiedene Orchideenarten. Vor allem bin ich stolz auf unseren Jungfernwald, wie bei uns diese Region genannt wird. Dort kommen schwarze Fichten und außergewöhnlich schöne Tannenbäume vor. Sogar die Fünf-Nadel-Tanne ist zu finden, die Pinus peus oder auch Balkan-Tanne genannt."
"Das ist eine sehr untypische Region Griechenlands. Fragen Sie sich doch einmal selbst. Wir alle haben ein Bild von Griechenland, dass von der Kykladen-Architektur bestimmt wird: Weiß getünchte Häuser, weiße Strände und nirgendwo Grün, das ist ein Bild, dass auch viele Jahre von der griechischen Tourismus-Industrie so gefördert wurde. Aber so sieht eben Griechenland nicht überall aus."
Lambros Poulios hat sein Berufsleben in Bayern in jungen Jahren aufgegeben und ist in die Heimat seiner Mutter zurückgekehrt. Wegen seiner ausgezeichneten Deutschkenntnisse hat er im Tourismus eine neue Arbeit gefunden.
Er führt regelmäßige Tagestouren mit deutsche Touristen durch. Von der nahegelegenen Insel Thassos geht es erst mit dem Schiff aufs Festland und dann mit dem Bus weiter nach Stavroupoli. Von dort paddeln die Gäste im Kanu den Nestos-Fluss hinunter, der heute zu den schönsten Natur- und Wasserschutzgebieten des Landes gehört.
Doch am dritten Tag will Lambros in die nahegelegenen Pomakendörfer, die an der Grenze zu Bulgarien liegen. Er setzt seine Beschreibung in deutscher Sprache fort.
"Die waren nicht nur von der Außenwelt abgeschlossen, sondern es konnten auch keine Mischehen entstehen, und somit haben sie ihre Kultur, die sie über Jahrhunderte hatten, für sich behalten. Das sind Großfamilien immer noch, die zusammen halten. Wo auch der Bräutigam und die Braut ausgesucht wird. Das ist ein Volk, das erinnert mich stark an die Tibeter."
Wenn man es nicht mit eigenen Augen sieht, glaubt man es kaum. Wieder ein anderes, dieses Mal ein orientalisches Griechenlandbild. Männer und Frauen in bunten Trachten, schlichte eng zusammenliegende Häuser. Und aus der Ferne viele Minarette, die auf die dazugehörigen Moscheen hinweisen. Diese Region westlich von Stavroupoli ist inzwischen zur Transitpassage erklärt worden. Tausende Touristen, in Autos mit bulgarischen Kennzeichen, fahren durch die Pomakendörfer, um schnellstmöglich die Küste Nordgriechenlands zu erreichen. Lambros fährt nun in entgegengesetzter Richtung bis in das letzte Pomakendorf "Kotani". Dann endet die Schotterstrasse an der vermutlich letzten Taverne Griechenlands.
In der Taverne "Kottani" erhält der Gast frisch zubereitetes Maisbrot und schmackhaftes Ziegenfleisch aus dem traditionellen Backofen. Unter den Gästen befindet sich Kostas Karfis aus Thessaloniki.
"Zwei Dinge möchte ich sagen: Erstens: Ich liebe diese Region, weil sie tatsächlich so jungfräulich und so unberührt ist. Zweitens gibt es da etwas, dass mich belastet. Wir schauen uns im Vorbeifahren diese schönen Frauen in ihren bunten Trachten an. Ich habe solch einen Anblick weder in Thailand noch in Kambodscha gesehen. Aber ich sehe es in Europa, drei Stunden von Thessaloniki entfernt. Und wir sagen uns: Wie exotisch!. Aber das ist doch nur eine touristische Sichtweise. Wir sollten uns lieber fragen: Was passiert mit den jungen Frauen, die nicht in eine normale Schule gehen können und die zu früh verheiratet werden? Dieses "Couleur lokale" hat doch unbestritten seine Schattenseiten."
Die Erkundung des Ortes Stavroupoli erweist sich als Glücksfall: Saubere Straßen, alte, in ottomanischem Stil erbaute und heute geschmackvoll restaurierte Häuschen, nirgendwo hässliche Werbeplakate, ein einziges Restaurant und eine kleine Piazza im Zentrum, auf der sich alle Einwohner zu einem Kaffee begegnen.
Hier sitzt auch der Bürgermeister, Giorgos Karakasalidis, der sich der Besonderheit seiner Gemeinde bewusst ist.
"Wir haben sehr gezielt und konzentriert damit begonnen uns um diesen, vom Tourismus unberührten, Teil Griechenlands zu bemühen. Die Vorzüge Stavroupolis sind offensichtlich: eine stark ausgeprägte Naturlandschaft mit einer großen Anzahl endemischer Pflanzen. Und zahlreicher Waldtiere, besonders hervorzuheben - der Braunbär. Bedenken Sie bitte auch, wir befinden uns nahe der Bergkette der Rhodopen, mit den ältesten Höhenlagen Europas. Eine Bergregion, die nicht so sehr von der Eiszeit berührt worden ist. Ebenso wichtig: das Nestos-Tal. Dort soll Orpheus von den Rhodopen hinabgestiegen sein, um an den Flussufern, seine lyrischen Gesänge zu schreiben. Etwas später soll hier Alexander der Große, damals noch ein zwölfjähriger Junge, geruht haben, als er bei einem Kampf verletzt wurde."
Die Empfehlung des Bürgermeisters eine Wanderung in die Berge einzuplanen und den größten Wasserfall den "Livadithis" zu besichtigen, erweckt alle Neugier. Und so geht's am zweiten Tag auf circa 1200 Meter hinauf.
Vom gut ausgeschilderten Parkplatz verläuft ein schmaler Pfad 2,5 Kilometer hinunter, bis zu der Stelle, wo der Wasserfall zu einem kleinen Fluss wird und seit Jahrhunderten schon seinen Weg durch dichtes Waldgebiet gebahnt hat. Der junge Förster Pandelis Theodoridis kommt sehr oft an diesen Ort. Auch er stammt aus Stavroupoli. Er ist bewusst hier geblieben, als andere den einsamen Ort verlassen haben, um mit seinem Wissen der Heimat zu dienen. Pandelis übt zwei Berufe aus. Zum einen hat er das Haus seines Großvaters geerbt und zu einer urigen Pension ausgebaut. Dort wo einst der Großvater auf dickem Gebälk unter dem Dach seinen Tabak zum Trocknen aufhängte, sind drei Gästezimmer entstanden. Und weil in Stavroupoli jeder jeden kennt, bleibt die Tür seiner Pension zu jeder Tages- und Nachtzeit geöffnet. Zum anderen geht der junge Mann seiner Leidenschaft als Förster nach.
"Wilde Tulpen bestimmen in den kleinen Waldlichtungen das Bild. In den höheren Regionen geht es los mit den Eichenwäldern, Birkenwäldern und Buchenwäldern mit Bäumen bis zu 50 Meter hoch und zwei Meter im Durchmesser. Bei uns kommt die wilde Olive vor und viele andere seltene Bäume, wie Carpinus orientalis, Fraxinus ornus, Ostrya carpinifolia, Acer monspessulanum. An den Ufern des Nestos existieren acht verschiedene Orchideenarten. Vor allem bin ich stolz auf unseren Jungfernwald, wie bei uns diese Region genannt wird. Dort kommen schwarze Fichten und außergewöhnlich schöne Tannenbäume vor. Sogar die Fünf-Nadel-Tanne ist zu finden, die Pinus peus oder auch Balkan-Tanne genannt."
"Das ist eine sehr untypische Region Griechenlands. Fragen Sie sich doch einmal selbst. Wir alle haben ein Bild von Griechenland, dass von der Kykladen-Architektur bestimmt wird: Weiß getünchte Häuser, weiße Strände und nirgendwo Grün, das ist ein Bild, dass auch viele Jahre von der griechischen Tourismus-Industrie so gefördert wurde. Aber so sieht eben Griechenland nicht überall aus."
Lambros Poulios hat sein Berufsleben in Bayern in jungen Jahren aufgegeben und ist in die Heimat seiner Mutter zurückgekehrt. Wegen seiner ausgezeichneten Deutschkenntnisse hat er im Tourismus eine neue Arbeit gefunden.
Er führt regelmäßige Tagestouren mit deutsche Touristen durch. Von der nahegelegenen Insel Thassos geht es erst mit dem Schiff aufs Festland und dann mit dem Bus weiter nach Stavroupoli. Von dort paddeln die Gäste im Kanu den Nestos-Fluss hinunter, der heute zu den schönsten Natur- und Wasserschutzgebieten des Landes gehört.
Doch am dritten Tag will Lambros in die nahegelegenen Pomakendörfer, die an der Grenze zu Bulgarien liegen. Er setzt seine Beschreibung in deutscher Sprache fort.
"Die waren nicht nur von der Außenwelt abgeschlossen, sondern es konnten auch keine Mischehen entstehen, und somit haben sie ihre Kultur, die sie über Jahrhunderte hatten, für sich behalten. Das sind Großfamilien immer noch, die zusammen halten. Wo auch der Bräutigam und die Braut ausgesucht wird. Das ist ein Volk, das erinnert mich stark an die Tibeter."
Wenn man es nicht mit eigenen Augen sieht, glaubt man es kaum. Wieder ein anderes, dieses Mal ein orientalisches Griechenlandbild. Männer und Frauen in bunten Trachten, schlichte eng zusammenliegende Häuser. Und aus der Ferne viele Minarette, die auf die dazugehörigen Moscheen hinweisen. Diese Region westlich von Stavroupoli ist inzwischen zur Transitpassage erklärt worden. Tausende Touristen, in Autos mit bulgarischen Kennzeichen, fahren durch die Pomakendörfer, um schnellstmöglich die Küste Nordgriechenlands zu erreichen. Lambros fährt nun in entgegengesetzter Richtung bis in das letzte Pomakendorf "Kotani". Dann endet die Schotterstrasse an der vermutlich letzten Taverne Griechenlands.
In der Taverne "Kottani" erhält der Gast frisch zubereitetes Maisbrot und schmackhaftes Ziegenfleisch aus dem traditionellen Backofen. Unter den Gästen befindet sich Kostas Karfis aus Thessaloniki.
"Zwei Dinge möchte ich sagen: Erstens: Ich liebe diese Region, weil sie tatsächlich so jungfräulich und so unberührt ist. Zweitens gibt es da etwas, dass mich belastet. Wir schauen uns im Vorbeifahren diese schönen Frauen in ihren bunten Trachten an. Ich habe solch einen Anblick weder in Thailand noch in Kambodscha gesehen. Aber ich sehe es in Europa, drei Stunden von Thessaloniki entfernt. Und wir sagen uns: Wie exotisch!. Aber das ist doch nur eine touristische Sichtweise. Wir sollten uns lieber fragen: Was passiert mit den jungen Frauen, die nicht in eine normale Schule gehen können und die zu früh verheiratet werden? Dieses "Couleur lokale" hat doch unbestritten seine Schattenseiten."