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Unfallursache Smartphone
Technik und soziale Kontrolle sollen es richten

Von den vielen Unfallursachen, die es im Straßenverkehr so gibt, gerät eine in letzter Zeit immer mehr häufiger in den Blickpunkt: Die Smartphone-Nutzung im Auto. Auch eine deutliche Erhöhung der Strafe hat bislang nicht die erwünschte Wirkung gebracht. Experten überlegen jetzt, ob noch mehr Technik eine Lösung sein kann.

Von Thomas Weinert | 10.08.2016
    Blick von der Rückbank auf den Fahrer eines Autos, der ein Mobiltelefon in der rechten Hand hat.
    Beim Autofahren ist es verboten zu telefonieren, wenn dafür die Hände vom Lenker genommen werden müssen. (dpa - Sami Halinen)
    Zu schnell, zu aggressiv, auf der falschen Seite des Radweges, dann auch noch ohne Helm, halb blind, zu alt oder zu unerfahren, übermotorisiert oder trottelig auf dem Fußweg: Die Risiken, die Menschen eingehen, wenn sie am Straßenverkehr teilnehmen, diese Risiken beschäftigen die Unfallforscher der deutschen Versicherungswirtschaft. Während sich diese Faktoren mal in die eine oder andere Richtung, mal ins Gute und mal in's Bedenkliche hin bewegen, wird ein Phänomen auf deutschen Straßen zunehmend zu einem Killerfaktor: die Benutzung des Smartphones im Auto. Siegfried Brockmann hat all diese Risikofaktoren erforschen lassen, beim Thema "Smartphone im Verkehr" scheint nichts und niemand Abhilfe schaffen zu können: Die Unfallzahlen steigen und steigen, trotz relativ hoher Strafen, denn mit 69 auf einer 50 Strecke erwischt zu werden, ist inzwischen deutlich billiger…
    "Und daran gemessen ist Telefonieren schon nicht schlecht bepreist, aber es bewirkt offenbar aber gar nichts und wir haben ja eine jüngere Fahrerinnen- und Fahrer-Generation, die es auch nicht schafft auch nur fünf Minuten, ohne ihr Ding da zurechtzukommen und deswegen befürchte ich, es wird nicht besser, sondern schlimmer und Aufklärungsmaßnahmen finden dann ihr Ende, wo ich Junkies vor mir habe."
    Automatisierte Kommunikation im Straßenverkehr
    Die Botschaft ist klar. Ein Verbot hält Brockmann gesellschaftlich für nicht durchsetzbar, die Lösung liegt sogar eher in der Flucht nach vorn, in einer weitergehenden Technologisierung: "Das heißt, wenn die Autoindustrie hier nichts tun würde, dann habe ich ja nichts gewonnen, da habe ich das Tablet auf dem Schoß. Und da gucke ich gewiss nicht auf die Fahrbahn. Wenn ich aber gewisse Anwendungen zulasse, dann habe ich immerhin die Chance es in die Fahrzeugarchitektur zu integrieren. Aber gerade in dem Umfeld mit Kommunikation im Fahrzeug ist das erst mal ein Weg, der beschritten werden muss, weil die Fahrerinnen und Fahrer werden ihn sich sonst alleine suchen und das macht die Sache nicht besser."
    Paul Lukowitsch, Professor am Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz in Kaiserslautern, geht sogar noch einen Schritt weiter. Er arbeitet an noch mehr Kommunikation im Autoverkehr, allerdings in einer automatisierten und Stress abbauenden Form. Alles, was ablenkt, wird als Risikofaktor erkannt und den anderen Verkehrsteilnehmern mitgeteilt. "Was man jetzt machen kann von der Technik her, das ist heute schon möglich, im Auto mit verschiedenen Sensoren zu erkennen, dass jemand gestresst ist oder müde ist oder ob ich mich nach hinten umdrehe, weil da gerade mein Baby schreit, solche Informationen könnte man natürlich auch visualisieren und an die anderen Verkehrsteilnehmer schicken."
    Hoffen auf soziale Stigmatisierung
    Den Raser auf der linken Spur erträgt man leichter, wenn man weiß, dass er seine schwangere Frau in den Kreißsaal bringt, der soziale Faktor wirkt dann auf der Autobahn so wie im normalen Leben. "Das schärfste Schwert, was wir haben, ist die soziale Norm. Und beim Alkohol sehen wir in den letzten 15 Jahren wie das wirkt, wenn es stigmatisiert wird."
    Denn die Zeiten, so Brockmann, zu denen man stark alkoholisiert eine Party verlassen konnte und danach unbehelligt von guten Freunden in's Auto steigt, diese Zeiten sind vorbei. "Und genau das brauchen wir auch für andere gefährliche Delikte im Straßenverkehr, weil die soziale Norm und die tatsächliche Gefährdung so weit auseinanderliegen."