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Ungewissheit in Spanien
Alle Konstellationen sind denkbar

Es ist die Ungewissheit, die nach den Wahlen in Spanien das Land dominiert: Ob große Koalition zwischen Sozialisten und Konservativen, ein Linksbündnis oder aber Neuwahlen im März - alles scheint zurzeit möglich zu sein. Dabei interpretieren die Parteiführer das Wahlergebnis ganz in ihrem Sinne.

Von Daniel Sulzmann | 21.12.2015
    Unterstützer der Volkspartei (PP) schwenken spanische Flaggen vor der Parteizentrale in Madrid, nachdem erste Ergebnisse der Parlamentswahl bekannt wurden.
    Eine Minderheitsregierung der Konservativen ist aus Sicht der linksalternativen Partei Podemos unmöglich. (afp / Jose Jordan)
    Pablo Iglesias, der heimliche Wahlsieger mit seiner linksalternativen Partei Podemos, treibt die anderen Spitzenpolitiker in Spanien am Tag nach der Wahl vor sich her. Während die regierende konservative Partido Popular weitestgehend schweigt, macht der Mann mit dem Pferdeschwanz als Erster konkrete Vorschläge, wie er sich Spanien in Zukunft vorstellt, auch wenn ihm eigentlich die Mehrheiten dafür fehlen:
    "An erster Stelle müssen wir das Wahlrecht ändern, wir müssen die Verfassung ändern, damit die Wählerstimmen im Verhältnis gezählt werden, verfassungsgemäß."
    Damit spricht Iglesias ein praktisches Problem des spanischen Wahlrechts an. Seine Partei hat über 20 Prozent der Stimmen bekommen, wird aber aufgrund der Zuschnitte der Wahlkreise und der Art und Weise, wie die Sitzverteilung berechnet wird, nur 69 Sitze im Parlament erhalten. Die Sozialisten, die nur knapp zwei Prozent mehr erhalten haben, kommen auf 90 Sitze. Sie sind auf dem Land stark und dort zählen die Stimmen für die einzelnen Parlamentssitze im Verhältnis mehr.
    Podemos ist für die Abstimmung über eine Abspaltung Kataloniens
    Außerdem will Podemos eine Abstimmung in Katalonien über die Abspaltung der Region zulassen, das Justizsystem soll unabhängiger von Parteien werden und Politikerversorgung durch das Überlassen von lukrativen Posten in der Wirtschaft soll es auch nicht mehr geben. Einer irgendwie gearteten Zusammenarbeit mit der konservativen Regierung oder der Partei Partido Popular von Mariano Rajoy erteilte Iglesias auch gleich eine Absage:
    "Weder aktiv noch passiv werden wir als Podemos erlauben, dass in Spanien wieder die Partido Popular regiert."
    Eine Minderheitsregierung der Konservativen ist damit aus Sicht von Podemos unmöglich. Außerdem bekamen auch die Sozialisten ihr Fett weg. Deren Stimmverluste kommentierte Iglesias so:
    "Die Sozialisten sind in der Hauptstadt Madrid nur noch viertstärkste Kraft, im Baskenland und in Katalonien auf dem dritten Platz, genauso in Valencia, in Galicien, in Navarra und auf den Balearen und auf den Kanarischen Inseln."
    Alle Parteien rühren im großen Topf Wahlergebnis
    Die Sozialisten wollten das nicht hören. César Luena aus der Parteispitze hat das Wahlergebnis anders wahrgenommen:
    "Wir sind die zweitstärkste politische Kraft in Spanien und bei der politischen Linken die Nummer eins."
    Noch also rühren alle Parteien in Spanien im großen Topf Wahlergebnis und interpretieren es in ihrem Sinne. Das ganze Land spricht über nichts anderes als die Ungewissheit, die dieser Wahlausgang erzeugt hat. Alle Konstellationen sind im Moment denkbar: theoretisch eine große Koalition zwischen Sozialisten und Konservativen, ebenso theoretisch ein Linksbündnis, das Zugeständnisse an Regionalparteien aus Katalonien oder dem Baskenland machen müsste und am Ende auch Neuwahlen im März, sollte sich kein Kandidat mit einer Mehrheit im Parlament finden.