Donnerstag, 16. Mai 2024

Reform des Unterhaltsrechts
Buschmanns Pläne für getrennte Eltern

Das bisherige Unterhaltsrecht regelt seit mehr als 60 Jahren, wie viel Geld der Elternteil, der das Kind aufzieht, von dem getrennten Elternteil erhält. Justizminister Buschmann will die Regeln reformieren. Wer profitiert, wer verliert?

23.08.2023
    Ein Schere durchtrennt symbolisch eine Papierfamilie
    Mit einer Reform des Unterhaltsrechts will Bundesjustizminister Buschmann (FDP) mitbetreuende Elternteile finanziell besser stellen (picture alliance / Zoonar / GRAZVYDAS JANUSKA)
    Schon in ihrem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 hatte sich die Ampel vorgenommen, das Unterhaltsrecht neu zu regeln. Im August 2023 kündigte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) die Umsetzung der Reform an und legte ein Eckpunktepapier vor. Doch schon jetzt sorgen die Pläne für Diskussionen.
    Betreffen wird die Reform Millionen Menschen in Deutschland in Trennungsfamilien, bei denen sich das zweite Elternteil auch nach der Trennung in die Kinderbetreuung einbringt. Das zweite Elternteil sind meist Väter. Sie sollen durch die Reform finanziell entlastet werden.

    Überblick

    Wie ist das Unterhaltsrecht bisher geregelt?

    Durch Pflege, Erziehung und Geld erhält ein Kind Unterhalt von seinen Eltern. Wenn ein Kind nach Scheidung der Eltern nur bei einem Elternteil lebt, kümmert sich dieser meistens um die Erziehung, der andere zahlt. Wie viel, das hängt von Einkommen, Vermögen und Lebensumständen ab, und davon, wie viel das Kind benötigt.
    Um die Höhe des Unterhalts zu berechnen, wird oft die sogenannte Düsseldorfer Tabelle herangezogen. Sie wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf entwickelt und fortgeschrieben. Das Unterhaltsrecht selbst ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt.
    Die Düsseldorfer Tabelle stammt aus dem Jahr 1962 und damit aus einer Zeit, in der man davon ausgegangen ist, dass nach einer Trennung der Eltern die Mutter die Fürsorge übernimmt und der Vater das Geld verdient. Diese Lebenswirklichkeit hat sich inzwischen geändert.

    Welche Änderungen sieht Marco Buschmanns Reform vor?

    Die Pläne des Justizministers sehen nun vor, den Elternteil, bei dem die Kinder nicht leben, zu entlasten, wenn er sich in relevanter Form an der Kinderbetreuung beteiligt. Wenn sich also zum Beispiel eine Mutter mit einem Einkommen von 2.000 Euro zu 60 Prozent in die Erziehung einbringt, und ein Vater mit 4.000 Euro von der Betreuung 40 Prozent übernimmt, zahlt dieser Vater bisher einen Unterhalt von 500 Euro. Nach dem neuen Modell sind es nur noch etwas mehr als 400 Euro.
    Buschmann spricht von einem „asymmetrischen Wechselmodell“. Die Kinder sind mal beim Vater, mal bei der Mutter, aber eben nicht völlig symmetrisch. Wie hoch der Anteil dieses Wechselmodells an allen Trennungsfamilien ist, ist noch unbekannt, da die Schwelle von 30 Prozent in der Wissenschaft bisher keine Rolle spielte.
    Für alle anderen Trennungsfamilien soll die Berechnung des Kindesunterhalts gleich bleiben. Das betrifft insbesondere die häufige Konstellation, dass ein Vater die Kinder jedes zweite Wochenende übernimmt. Er bleibt damit unter 30 Prozent Betreuungsleistung – selbst wenn noch eine hälftige Betreuung in der Ferienzeit unterstellt wird. Solche Väter müssten nach Buschmanns Modell weiter vollen Unterhalt bezahlen.
    Buschmann erklärt es als Anreiz für die Elternteile, in der Praxis meist die Väter, sich stärker in die Kinderbetreuung einzubringen. „Es macht nach dem jetzigen Unterhaltsrecht keinen Unterschied für die Unterhaltspflicht, ob der weniger betreuende Elternteil sich an einem oder an drei Tagen die Woche um das Kind kümmert. Und das ist natürlich unfair. Das ist schade. Das setzt auch keinen Anreiz dafür, sich gleichberechtigter um die Kinder zu kümmern.“
    Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht begrüßt Pläne von Bundesjustizminister Buschmann zur Reform des Unterhaltsrechts. „Wir finden es wichtig, dass der Grundsatz gilt: beide betreuen, beide bezahlen“, sagte Verbandssprecher Josef Linsler.

    Welche Kritik gibt es an der Reform?

    SPD-Chefin Saskia Esken begrüßte die Reform zwar grundsätzlich, sagte aber, das Existenzminimum des Kindes müsse klar geschützt werden, "und die Reform darf auch nicht zulasten der zumeist in der Hauptsache erziehenden Mütter gehen". Denn deren finanzieller Aufwand für das Kind sinke durch die geteilte Sorge nur geringfügig.
    Man müsse Menschen, „die ohnehin schon sehr viel leisten, den Rücken stärken und nicht ihr Armutsrisiko erhöhen“, sagte die Grünen-Politikerin Irene Mihalic der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. So seien bestimmte Kosten für Lebensmittel, Schulbedarf oder die Freizeitgestaltung besonders für alleinerziehende Mütter eine Herausforderung.
    Die Vorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter, Daniela Jaspers, sagte im Deutschlandfunk, sie sehe die Reformpläne „sehr kritisch“. Man müsse die Lebenswirklichkeit von Alleinerziehenden sehen und verwies auf das schon jetzt hohe Armutsrisiko dieser Gruppe. Jaspers sagte, dass bisher staatliche Anreize für „Zuverdiener-Ehen“ geschaffen würden – etwa über Ehegattensplitting und Minijobs. Mit der Trennung werde das plötzlich wieder hinfällig. "Da tappen viele in eine Falle", so Jaspers im Dlf.
    Der Kinderschutzbund warnte vor einer unfairen Kostenverteilung als Folge der von Buschmann vorgeschlagenen Reform. Sie teile die Einschätzung des Ministers, dass das Unterhaltsrecht angesichts neuer Lebensrealitäten von Familien kritisch überprüft werden sollte, sagte die Präsidentin Sabine Andresen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die einfache Rechnung, je häufiger das Kind betreut wird, desto geringer der Unterhaltsanspruch, sehen wir aber kritisch“, so Andresen.
    Der Unterhalt diene der materiellen Absicherung des Kindes und sei keine Bezahlung der Mütter für den Betreuungsaufwand. „Um es anschaulich zu machen: Auch, wenn ein Kind 30 Prozent seiner Zeit beim anderen Elternteil, in der Regel ja der Vater, verbringt, ist davon die Schulausstattung, die Klassenfahrt oder die neue Winterjacke nicht bezahlt.“

    Björn Dake, Nadine Lindner, Stephan Detjen, mfied, tei, dpa, epd, KNA, dpa