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Ursula von der Leyens Niederlage war "eigentlich ein Erfolg"

Als Verfechterin einer gesetzlich verankerten Quote sei Ursula von der Leyen sehr kämpferisch gegenüber der Kanzlerin aufgetreten, sagt Hajo Schumacher. Damit habe sie sich positioniert auch für das Warmlaufen in der Union für den Tag nach Merkel, so der Publizist.

Hajo Schumacher im Gespräch mit Jasper Barenberg | 18.04.2013
    Jasper Barenberg: Von langer Hand hat die Opposition diese Machtdemonstration, diese Machtprobe vorbereitet. Erst wurden im Bundesrat Verbündete für eine gesetzliche Frauenquote gesucht und gefunden, in Gestalt etwa von gleich zwei CDU-Regierungschefs. Daraufhin erst setzte die Opposition den Vorschlag auf die Tagesordnung auch im Bundestag und die Union damit erheblich unter Druck, weil dort viele mit einer festen Quote sympathisieren. Die soll dafür jetzt ins Wahlprogramm der CDU, ein Kompromiss in letzter Minute, der auch dafür sorgen soll, dass die eigene Mehrheit steht und die Opposition keinen Abstimmungserfolg feiern kann. Nach dieser Vorgeschichte war die Debatte heute im Reichstagsgebäude durchaus munter.

    Wir wollen in den kommenden Minuten noch weiter über das Thema sprechen. Am Telefon ist Hajo Schumacher, der Journalist, der Buchautor, der sich unter anderem auch intensiv mit der CDU beschäftigt hat. Schönen guten Tag, Herr Schumacher.

    Hajo Schumacher: Schönen guten Tag!

    Barenberg: Wir haben gerade noch mal Volker Kauder gehört, den Fraktionschef der Union im Bundestag, der wirbt für diesen Kurswechsel jetzt, für diesen Schwenk. Jetzt soll also eine doch feste Quote verabredet werden im Wahlprogramm der CDU. Ist damit alles wieder im Lot?

    Schumacher: Es sind ja zwei Debatten, die da eigentlich stattfinden. Das eine ist die Sachfrage, Quote verankern oder nicht, das andere ist aber auch eine Machtfrage, wer setzt sich hier durch, und das ist ja auch das wirklich Spannende dieser Abstimmung. Ich gehe mal davon aus, dass da eigentlich nichts anbrennt. Aber letztendlich geht es um die Durchsetzungsfähigkeit der Bundeskanzlerin, die sich ja nicht festlegen will, jedenfalls jetzt nicht vor der Bundestagswahl, auf eine gesetzlich verankerte Quote, und ihre Gegenspielerin ist Ursula von der Leyen, die das doch will, und das ist ja eigentlich so prototypisch, wenn sich entlang einer Sachfrage jetzt einfach so eine Machtfrage aufwirft. Und man muss sagen: Frau Merkel hat zwar gewonnen, aber Ursula von der Leyen hat auch gewonnen. Die Einzige, die nun in aller Augen verloren hat, ist Frau Schröder, aber das ist eher ihr persönliches Problem.

    Barenberg: Ursula von der Leyen setzt sich seit Jahren für eine feste Quote ein, das zu der Frage der Sache. Was das Machtspiel oder den Machtpoker angeht, da hat sie wirklich hoch gepokert dieses Mal. War das mutig, oder war das sehr riskant?

    Schumacher: Es gab ja nichts zu verlieren. Es war ja eine klassische Win-Win-Situation und manchmal können auch Niederlagen durchaus Erfolge sein. In diesem Fall verfolgt Ursula von der Leyen – der Name Gerhard Schröder ist interessanterweise schon mal gefallen – durchaus eine schrödersche Strategie. Sie stellt sich bei bestimmten Themen, gerade bei sozialpolitischen Themen, aber jetzt auch bei diesem Frauenthema schon sehr deutlich neben die klassische Unions-Linie, und so eine wirklich klare Positionierung, ich will die Quote, das hat sich für die CDU noch nicht überall herumgesprochen. Das heißt aber auch, sie erweitert ihren Akzeptanzrahmen. Sie ist vielleicht auch für Frauen wählbar, die sich das bislang nicht vorstellen konnten. Gerhard Schröder hat das auch so gemacht, eher im wirtschaftspolitischen Bereich. Man könnte sagen, Mann, die Frau von der Leyen, die wollte mal Bundespräsidentin werden, das war da, als es Joachim Gauck geworden ist, da war sie doch sehr enttäuscht auch von Angela Merkel, und man hat den Eindruck – wir haben ja gerade die Debatte, will die Kanzlerin eigentlich nur bis 2015, oder doch die volle Legislaturperiode bis 2017, wenn sie gewinnt -, das Warmlaufen beginnt. Das Warmlaufen in der Union beginnt für den Tag nach Merkel und da gibt es eigentlich nur Thomas de Maizière und Frau von der Leyen, und deswegen war diese Niederlage von Frau von der Leyen eigentlich ein Erfolg. Sie hat sich positioniert, sie ist kämpferisch, sie ist gegen die Kanzlerin aufgestanden, das trauen sich auch nicht viele, und sie hat damit, ich sage mal, so ein bisschen Champions-League-Niveau bewiesen.

    Barenberg: Sie zwingt die eigene Partei, sie zwingt die eigene Fraktion in diese Debatte und zu diesem Kursschwenk. Kann sie sich denn in der eigenen Partei damit auch Sympathiepunkte sammeln für mögliche höhere Ziele, die sie hat?

    Schumacher: Das ist eine sehr spannende Frage, weil, es heißt ja immer, ohne die Partei ist alles nichts. Ich glaube, das geht jetzt so ein bisschen entlang der Präferenzgrenzen, gerade was die Quote angeht. Wer für die Quote ist, der findet Frau von der Leyen ganz toll, wer gegen die Quote ist, findet sie nicht so toll. Das ist auch so ein bisschen wie Gerhard Schröder, den fanden einige ganz prima und andere fanden ihn unzumutbar. Fakt ist aber: Im Bündnis mit der Öffentlichkeit, im Bündnis mit den Umfragen, im Bündnis mit den Sympathiewerten zwingt man sich in so eine Rolle als Herausforderer, als Nachfolger. Und Gerhard Schröder wurde auch nicht von allen gemocht, aber er hat es verstanden, sich populär zu machen, und genau das macht Ursula von der Leyen auch sehr klug, strategisch sehr in der Mitte positioniert, sehr un-unionistisch in Wirklichkeit, und insofern ist da die Quote vielleicht auch ein klein wenig instrumentalisiert worden als Thema, weil es so ein schönes Polarisierungsthema ist, um zu zeigen, was Frau von der Leyen alles so im Angebot hat.

    Barenberg: Es heißt ja immer, dass sie nicht sehr viele Anhänger in der Partei hat.

    Schumacher: Jeder der Erfolg hat in einer Partei, hat automatisch nicht ganz so viele Anhänger. Sie ist natürlich gerade für die Männer in der CDU eine, da sind diese Superfrauen natürlich immer problematisch, die promoviert sind, die Ärztinnen sind, die sieben Kinder haben, wo der Mann zuhause bleibt. Da ist die Union zumindest in Teilen auch immer noch ein bisschen skeptisch und sagt, so haben wir uns das auch nicht vorgestellt, jedenfalls nicht so schnell. Und gerade, ich sage mal, der katholische Westmann, der eher noch einem traditionellen Rollenbild verhaftet ist, der musste jetzt schon Frau Merkel ertragen, und um Gottes Willen, jetzt kommt die nächste Frau, also das geht doch ein bisschen weit.

    Barenberg: Wir werden es abwarten. – Vielen Dank für Ihre Einschätzungen heute Mittag. – Hajo Schumacher, der Journalist und Buchautor, im Gespräch heute. Danke Ihnen!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.