Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Urteil gegen belarussischen Oppositionellen
Lukaschenko-Gegner Babariko muss in Haft

Viktor Babariko galt als aussichtsreichster Herausforderer bei der belarussischen Präsidentschaftswahl im letzten Jahr. Jetzt ist er zu 14 Jahren Straflager verurteilt worden. Ein Urteil, das die internationale Isolation von Machthaber Lukaschenko weiter vorantreiben könnte.

Von Florian Kellermann  | 06.07.2021
Der belarusische Unternehmer und Politiker Viktor Babariko
Der belarusische Unternehmer und Politiker Viktor Babariko (dpa / Zoonar.com / Svetlana)
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko ließ nie einen Zweifel daran, dass sein ehemaliger Konkurrent bestraft werden müsse. Schon im Februar sprach er zu den Delegierten der Allbelarussischen Volksversammlung über Korruption und flocht eine Vorverurteilung von Viktor Babariko ein:
"Alle machen ein Aufhebens wegen dieses Babariko. Einen Konkurrenten des Präsidenten hätten sie eingesperrt, heißt es. Aber ich spucke auf solche Konkurrenten. In der Türkei hat er Immobilienvermögen und bei uns hier Eigenheime. Niemand lebt so gut wie er, Autos, Häuser, die Kinder hat er an seinem Geschäft beteiligt. Er hat eine Firma nach der anderen eröffnet. Sollte ich da etwa ruhig zuschauen?"

Genug Unterschriften für Präsidentschaftskandidatur

Damit räumte Lukaschenko indirekt ein, dass er selbst die Verhaftung von Babariko angeordnet hatte. Der 57-Jährige wäre im vergangenen Jahr fast Gegenkandidat von Lukaschenko gewesen, sagte Walentin Stefanowitsch vom belarussischen Zentrum für Bürgerrechte "Wesna" dem russischen Fernsehsender "Doschd":
"Viktor Babariko war einer der auffälligsten und populärsten Politiker, die Anspruch auf das Amt des Präsidenten erhoben haben. Seine Anhänger waren gerade dabei, Unterschriften für seine Kandidatur zu sammeln, als er festgenommen wurde. 100.000 Unterschriften sind notwendig. Seine Anhänger haben in kurzer Zeit ein Vielfaches davon gesammelt."

Bürgerrechtler: Mehr als 500 politische Häftlinge

Umfragen deuteten darauf hin, dass Babariko bei fairen Präsidentschaftswahlen schon im ersten Wahlgang mit über 50 Prozent gewonnen hätte. Laut der Organisation "Wesna" ist er heute einer von 520 politischen Häftlingen in Belarus.
Viktor Babariko war 20 Jahre lang Vorstandsvorsitzender der Belgazprombank – einer Tochter der russischen Gazprombank. In den ganzen Jahren habe es keinerlei Verdacht gegen das Unternehmen gegeben, betonte er.

Stinkfinger-Gemälde als Zeichen des Protests

Die Staatsanwaltschaft klagte Babariko an, weil die Bank unter seiner Führung Steuerhinterziehung in besonders großem Umfang betrieben habe. Sie ließ auch Gemälde beschlagnahmen, die Babariko für die Bank gekauft hatte, darunter das Porträt "Eva" von Chaim Sutin, der aus Belarus stammte. Eine leicht verfälschte Reproduktion – Eva bekam einen Stinkefinger – wurde zum Symbol der Proteste gegen Lukaschenko.
Schon vor einer Woche hielt Babariko seine letzte Verteidigungsrede vor Gericht: "Ich schäme mich nicht für mein Leben. Ich schäme mich nicht vor meiner Familie, meiner Frau und meinen Kindern. Auch wenn mein Sohn sich jetzt im Gefängnis befindet aus dem schlichten Grund, dass er mein Sohn ist. Meine Tochter ist leider gezwungen, außerhalb von Belarus zu leben. Warum schäme ich mich nicht? Weil wir vor meiner Entscheidung zu kandidieren unsere Situation besprochen haben – und sie wissen, dass ich immer ehrlich war."

Nähe zwischen Babariko und Kreml

Nicht nur Babarikos Sohn befindet sich im Gefängnis, sondern auch seine engste politische Mitarbeiterin Maria Kolesnikowa. Sie hatte im Wahlkampf die Kandidatin Swetlana Tichanowskaja unterstützt. Auch ihr droht eine langjährige Haftstrafe.
Babariko gilt als Politiker, der für eine enge Beziehung zwischen Russland und Belarus eintritt. Beobachter schließen nicht aus, dass Moskau ihn weiterhin als möglichen Nachfolger von Alexander Lukaschenko sieht. Der russische Politologe Dmitrij Oreschkin sagte dem ukrainischen Fernsehsender "Apostroph": "Ich denke, dass der Kreml die Variante Babariko weiterhin ernsthaft in Erwägung zieht. Er ist ein Mann von Gazprom, er ist zuverlässig. Im Gegensatz zu Lukaschenko ist er es gewohnt, seine Zusagen einzuhalten. Lukaschenko nimmt ja gern das Geld aus Moskau, verspricht viel – nur, um später nichts davon zu erfüllen."

Anhänger wollen eigene Partei gründen

Als Moskau-freundlicher Politiker ist Babariko eine besonders große Gefahr für Lukaschenko. Denn dadurch ist er auch für viele Personen aus dessen Umgebung ein attraktiver Nachfolger. Und einen Regimewechsel in Belarus könne er sich am ehesten durch eine Verschwörung an der Staatsspitze vorstellen, so der Politolge Oreschkin. Babarikos Getreue jedenfalls wollen den politischen Kampf nicht aufgeben. Sie wollen weiterhin am Aufbau einer Partei arbeiten.