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US-Bildungspolitik
Drastische Kürzungen bei öffentlichen Hochschulen

Die Universität von Alaska sieht extremen Einsparungen entgegen: Ihr Budget soll um 40 Prozent gekürzt werden. Hunderten von Mitarbeitern droht die Kündigung. Ähnliches spielt sich auch in andern US-Bundesstaaten ab. Das hat Folgen - nicht nur für die Studierenden.

Von Heike Wipperfürth | 23.07.2019
Blick auf die Universität von Alaska, Fairbanks.
„Wenn sich nichts ändert, müssen wir 1.300 Arbeitsplätze an unserer Uni abschaffen", sagte Universitätspräsident James Johnsen. (picture-alliance / dpa)
Die Universität von Alaska hat 19 Universitätsgelände und bietet über 100 Studienabschlüsse an – aber nicht mehr lange, wie ihr Leiter James Johnsen kürzlich auf einer Pressekonferenz zugab: "Alles liegt offen auf dem Tisch: Universitätsgelände, Studiengänge, was auch immer."
Denn Mike Dunleavy, der Gouverneur von Alaska, gab Ende Juni bekannt, dem US-Bundesstaat gehe das Geld aus. Er müsse die Mittel für die öffentliche Universität ab sofort um 130 Millionen Dollar kürzen – ein Rückgang von über 40 Prozent. Und ein Schritt in die falsche Richtung – nicht nur für die 26.000 Studierenden, sagte James Johnsen.
"Wenn sich nichts ändert, müssen wir 1300 Arbeitsplätze an unserer Uni abschaffen. Das hätte negative Auswirkungen auf unsere Wirtschaft und den ganzen Staat auf viele Jahre hinaus."
Eine extreme Situation, aber kein Einzelfall. Laut dem Center on Budget and Policy Priorities, ein Forschungsinstitut in Washington, haben US-Bundesstaaten die Zuschüsse für Amerikas öffentliche Universitäten und Colleges seit der Finanzkrise von 2008 um sieben Milliarden Dollar gekürzt. Und das ist erst der Anfang, sagt Andrew Koricich, ein Bildungsprofessor an der Appalachian State Universität in North Carolina.
"Es gibt eine ganze Anzahl von US-Bundesstaaten mit einer konservativen politischen Basis, die sich fragen: Lohnt sich das? Sollten wir Bildung finanziell unterstützen?"
Zugezogene Studierende zahlen mehr
Mit ihrem Sparprogramm gefährden US-Bundesstaaten die ursprüngliche Mission ihrer Hochschulen, Studierenden aus niedrigen Einkommensschichten zu einer günstigen Hochschulausbildung zu verhelfen. Denn: Öffentliche Universitäten haben in den vergangenen Jahren ihre Studiengebühren im Schnitt um 38 Prozent erhöht. Damit wollten sie fehlende Staatszuschüsse ausgleichen. Das Durchschnittseinkommen amerikanischer Familien wuchs dagegen kaum. So kostet ein Studium an der Universität von Louisiana jetzt fast 10.000 Dollar pro Jahr – doppelt so viel wie noch vor elf Jahren. Andrew Koricich:
"Wenn die Bundesstaaten ihre Hochschulen nicht angemessen finanzieren, müssen sich Studierende immer höher verschulden, weil die Gebühren steigen."
In den USA gibt es eine weitere Besonderheit: Wer an einer Uni studieren möchte, die nicht in dem Bundesstaat liegt, in dem man wohnt, zahlt mehr. Kein Wunder, dass öffentliche Universitäten immer häufiger versuchen, wohlhabendere Studierende aus anderen Bundesstaaten anzulocken. Eine gute Geldquelle. An der Universität von Alabama etwa kommt mittlerweile mehr als jeder Zweite der 38.000 Studierenden aus anderen US-Bundesstaaten – und bezahlt fast drei Mal so viel wie die heimischen Kommilitonen.
Nicht alles Bundesstaaten kürzen Budgets
Andrew Koricich zeigt Verständnis für die Taktiken der Universitäten – auch wenn die Chancengleichheit auf der Strecke bleibe. "Das ist problematisch, aber auch rationales Verhalten von Seiten der Hochschulen. Wenn sie weniger Geld von ihrem Bundesstaat bekommen, müssen sie versuchen, auf andere Weise an das Geld zu kommen, das sie brauchen."
Allerdings – nicht überall in den USA sieht es mit der Hochschulfinanzierung gleich aus. Während Nevada, Oklahoma und Oregon ihre Hochschul-Budgets weiter kürzen, weil sie sparen wollen, zeigen sich andere Bundesstaaten wieder großzügiger. Pennsylvania zum Beispiel. Nachdem der US-Bundesstaat die Etats seiner 14 öffentlichen Unis um fast 40 Prozent gesenkt hat, gehen sie jetzt zum ersten Mal seit 20 Jahren um zwei Prozent nach oben, damit die Unis ihre Gebühren nicht erhöhen müssen. Endlich, sagt Rick Seltzer, Bildungsexperte beim Online-Magazin Inside Higher Ed.
"In Pennsylvania sind öffentliche Universitäten oft das einzige, was in den Städten übrig geblieben ist. Sie sind die besten Arbeitgeber, sie sind die Orte, wo man studiert, wenn man wenig Geld hat, aber einen guten Arbeitsplatz bekommen will. Wenn die Colleges in den am wenigsten bevölkerten Gegenden schließen, dann gehen die Gegenden zugrunde."
Das dürfte auch ein Argument für eine angemessene Finanzierung der Universität von Alaska sein. Doch weil Alaska unter rückläufigen Erträgen durch den fallenden Ölpreis und weniger Ölbohrungen leidet und der Gouverneur keine Konzessionen machte, weil er das Geld für andere Zwecke benötigt, muss die Universität mit Schließungen und Kündigungen beginnen. Drakonische Maßnahmen, die Alaska laut Ökonomen und Bildungsexperten noch tiefer in die Krise stürzen könnten.